Auch junge Menschen können einen Schlaganfall erleiden – mit dramatischen Folgen für Körper, Psyche, Beziehung und Beruf. Doch Reha-Kliniken sind oft nicht auf ihre Bedürfnisse eingestellt. Was sich ändern muss.
Schlaganfall mit Mitte 30 – eine Diagnose, die das Leben für immer verändern kann. Die körperlichen und psychischen Folgen belasten nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch ihre Partner und Familien. Die Akutbehandlung ist hoch standardisiert und hat in den letzten Jahrzehnten zu immer besseren Ergebnissen geführt. Während in der Akutbehandlung die Behandlung nach Standard Operating Procedures (SOPs) der Schlüssel zum Erfolg ist, muss in der anschließenden Rehabilitation stärker auf die individuellen Bedürfnisse eingegangen werden.
Eine Gruppe, der besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, sind jüngere Patienten, denn Schlaganfälle sind nicht nur eine Herausforderung für ältere Menschen. Zwar steigt die Wahrscheinlichkeit, einen Schlaganfall zu erleiden, mit zunehmendem Alter – dennoch treten etwa 6 % aller Schlaganfälle in der Altersgruppe der 18- bis 45-Jährigen auf. Angesichts der Häufigkeit der Erkrankung insgesamt bedeutet dies, dass es auch eine große Zahl jüngerer Betroffener gibt.
Gerade für diese Menschen, die meist mitten im Leben stehen und familiäre sowie berufliche Verpflichtungen haben, ist ein Schlaganfall für sie selbst und für ihr Umfeld mit großen Beeinträchtigungen verbunden. Eine bleibende Behinderung kann eine Katastrophe sein. Umso wichtiger ist es, in diesen Fällen alles zu tun, um die Funktionsfähigkeit wiederherzustellen.
In Deutschland gibt es ein gut ausgebautes Rehabilitationssystem; Rehakliniken mit den unterschiedlichsten Spezialisierungen sind an vielen Orten zu finden. Ein Problem dabei: Die Rehakliniken spezialisieren sich auf die Gruppen, bei denen die Zahl der Patienten potenziell groß ist. Für den Bereich des Schlaganfalls bedeutet das, dass es viele neurologische Rehakliniken gibt, das Angebot dort aber meist auf die typische ältere Klientel zugeschnitten ist. Zwar werden Schlaganfallpatienten aller Altersgruppen dort gut behandelt und rehabilitiert. Auf die speziellen Bedürfnisse jüngerer Patienten kann jedoch nicht immer eingegangen werden.
In einer aktuellen systematischen Übersichtsarbeit wurden alle verfügbaren Studien zum Thema Schlaganfallrehabilitation bei jungen Menschen zusammengefasst und analysiert. Zunächst wurde der Frage nachgegangen, was die wichtigsten Auswirkungen eines Schlaganfalls auf junge Menschen sind. An erster Stelle standen körperliche Einschränkungen wie Lähmungen, Sprach- und Gedächtnisstörungen. Durch diese Einschränkungen erleben viele Betroffene eine Art Identitätsverlust, sie haben das Gefühl, nach dem Schlaganfall nicht mehr derselbe Mensch zu sein.
Neben den körperlichen Belastungen werden finanzielle Probleme von den Betroffenen besonders häufig als sehr belastend empfunden. Jüngere Menschen sind davon noch stärker betroffen als ältere, da sie in der Regel auf ihr Erwerbseinkommen angewiesen sind. Einige berichteten auch, dass sie von ihrem Umfeld als arbeitsfähig eingeschätzt wurden, aber aufgrund einer von außen „unsichtbaren“ eingeschränkten Belastbarkeit nicht mehr arbeiten konnten.
Auch die Auswirkungen eines Schlaganfalls auf die Partnerschaft und das Familiengefüge werden von vielen Betroffenen als sehr negativ empfunden. Einige Betroffene leiden nach einem Schlaganfall unter sexuellen Funktionsstörungen. Es kann auch zu einem Rollenwechsel in der Beziehung kommen: Vom leistungsfähigen und unterstützenden Partner zum hilfs- und pflegebedürftigen Partner. Viele Beziehungen zerbrechen an den Folgen. Auch dies ist ein Aspekt, der bei jüngeren Schlaganfallbetroffenen noch häufiger eine zentrale Rolle spielt als bei älteren.
Nach den Folgen eines Schlaganfalls befragt, berichteten einige Betroffene überraschenderweise neben den negativen Folgen auch von positiven Auswirkungen. Manche waren nach dem Schlaganfall dankbar, dass sie überlebt hatten, und konnten ihr Leben nach dem Schlaganfall wieder mehr wertschätzen. Einigen half die Erkrankung, sich über ihre Prioritäten im Leben klarer zu werden. Vereinzelt wurde auch berichtet, dass durch die Bewältigung der mit dem Schlaganfall verbundenen Herausforderungen ein Gefühl persönlicher Stärke entstanden sei.
In den Studien, in denen junge Schlaganfallpatienten zu ihren Erfahrungen in der Rehabilitation befragt wurden, ergab sich ein gemischtes Bild: Als wichtigster positiver Faktor wurde immer wieder die Kommunikation und Interaktion mit dem Personal und den Therapeuten genannt. Ein von gegenseitigem Vertrauen geprägtes Verhältnis wurde als besonders hilfreich für den Rehabilitationsprozess empfunden. Als negativ wurde hingegen empfunden, wenn aus Sicht der Betroffenen nicht auf ihre individuellen Bedürfnisse eingegangen wurde. Auch eine mangelnde Beteiligung bei der Festlegung der Rehabilitationsziele wurde häufig als negativer Aspekt genannt.
Junge Erwachsene berichteten häufig, dass sie in eine stationäre Einrichtung aufgenommen wurden, in der es keine anderen Patienten ihrer Altersgruppe gab. Dies führte dazu, dass sie weniger in der Lage waren, Erfahrungen mit anderen Patienten auszutauschen, was sie als wichtig empfunden hätten. Der einzige junge Mensch in einer stationären Rehabilitationseinrichtung zu sein, löste Gefühle von Angst, Frustration, Isolation und Niedergeschlagenheit aus.
Junge Erwachsene berichteten, dass stationäre Einrichtungen für ältere Menschen und nicht für junge Menschen konzipiert seien, insbesondere im Hinblick auf die Ziele der Schlaganfallversorgung. Darüber hinaus erwähnten sie, dass die Informationen, die im Krankenhaus zur Verfügung gestellt wurden, für junge Erwachsene weniger relevant waren, so waren z. B. Informationsbroschüren hauptsächlich auf ältere Menschen ausgerichtet. Außerdem fehlten Informationen über die Rückkehr ins Berufsleben oder den Zugang zu Einkommensunterstützung.
Auch wenn das Rehabilitationswesen in Deutschland im internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt ist, besteht bei bestimmten Patientengruppen Verbesserungsbedarf. Junge Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben, sehen sich häufig mit spezifischen Herausforderungen konfrontiert, die bei älteren Patienten seltener auftreten. In solchen Fällen ist es entscheidend, die individuellen Bedürfnisse gezielt zu berücksichtigen.
Neben der medizinischen Versorgung sind insbesondere der Wiedereinstieg in den Beruf, finanzielle Belastungen sowie Veränderungen in familiären und zwischenmenschlichen Beziehungen von zentraler Bedeutung. Für diese Patientengruppe erfordert es daher einen besonderen Fokus und maßgeschneiderte Lösungen. Interessanterweise berichten einige Betroffene von positiven Auswirkungen des Schlaganfalls, die als Ressourcen dienen können, um die schwierige Zeit zu überstehen.
Chandler et al. Young Adults Rehabilitation experiences and Needs following Stroke (YARNS): A scoping review of the rehabilitation care experiences and outcomes of young adults post-stroke. PLoS One, 2025. doi: 10.1371/journal.pone.0279523
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