Es wird oft erst spät entdeckt und hat daher eine schlechte Prognose: das Pankreaskopf-Karzinom. Könnte das gezielte Zerstören von Nerven ein neuer Therapieansatz sein?
Seit einigen Jahren entdecken Wissenschaftler bei fast allen untersuchten Krebsarten Wechselwirkungen mit dem Nervensystem, die in vielen Fällen Wachstum und Überleben des Tumors fördern. Auch Tumore des Pankreas sind von einem dichten Netz von Nerven durchzogen – welche molekularen Wechselwirkungen sie mit den Tumorzellen haben, war bisher unbekannt.
In Pankreastumoren sind die Nerven extrem stark verzweigt und stehen in Kontakt mit den meisten Zellen des Tumors. Durch die detaillierte molekulare Analyse der einzelnen Neuronen im Tumor entdeckten die Forscher, dass der Pankreastumor die Genaktivität der Nerven für seine Zwecke umprogrammiert. Die Aktivität vieler Gene wird gesteigert oder abgeschwächt, sodass eine tumorspezifische „Signatur“ entsteht. Mehr noch: Selbst nach chirurgischer Entfernung des Primärtumors behielt das Tumor-Nervensystem seine krebsfördernden Eigenschaften bei.
Implantierten die Wissenschaftler den operierten Tieren erneut Pankreaskrebszellen, so wurden die daraus entstehenden Sekundärtumoren doppelt so groß wie die von Mäusen, denen erstmalig Pankreaskrebszellen übertragen worden waren. Neben ihrer direkten Wechselwirkung mit Krebszellen beeinflussen Nervenzellen insbesondere die Bindegewebszellen des Tumors, die cancer-associated fibroblasts (CAF), die einen großen Teil der Tumormasse ausmachen. Sie werden ebenfalls zum Wachstum angeregt und tragen maßgeblich zur Unterdrückung der Immunabwehr im Tumormilieu bei.
Wurden die sympathischen Nervenverbindungen zum Pankreas chirurgisch gekappt oder mit speziellen Nervengiften zerstört, konnte das Tumorwachstum signifikant gehemmt werden. Zugleich ging die Aktivität wachstumsfördernder Gene in den Krebszellen sowie auch in den CAFs zurück. In den CAFs beobachteten die Forscher nach der Zerstörung der Nerven eine deutliche Steigerung der entzündungsfördernden Genaktivitäten. „Offenbar unterdrücken die neuronalen Verbindungen im Pankreaskrebs die entzündungsfördernde Aktivität der Fibroblasten und hemmen dadurch die Krebsabwehr durch Immunzellen“, erklärt Vera Thiel, die Erstautorin der Arbeit.
Wenn die Unterbrechung der Nervenverbindungen offenbar entzündungsfördernd wirkt, also das Immunsystem aktiviert, so könnte dies die Wirksamkeit einer Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren (ICI) steigern. Blockierten die Forscher im Maus-Modell die Nervenverbindung zum Pankreastumor mit einem gezielt wirkenden Neurotoxin, so wurde der Tumor wieder empfindlich für den Checkpoint-Inhibitor Nivolumab; die Tumormasse schrumpfte auf ein Sechstel der Masse in Kontrolltieren. „Wir konnten durch die neuronale Blockade einen immunologisch kalten in einen für Immuntherapie empfindlichen Tumor umwandeln“, fasst Simon Renders, ebenfalls Erstautor der Publikation, das Ergebnis zusammen.
Das Medikament nab-Paclitaxel ist ein Bestandteil der Standard-Chemotherapie bei Bauchspeicheldrüsenkrebs. Neben der Hemmung der Zellteilung wirkt es auch auf die sensorischen Nerven, weshalb eine periphere Neuropathie zu den bekannten schweren Nebenwirkungen dieses Wirkstoffs zählt. Das Team um Trumpp zeigte, dass unter wiederholten Zyklen von nab-Paclitaxel die sensorischen Nervenfasern im Tumor drastisch zurückgingen. Auch die Tumormasse reduzierte sich erwartungsgemäß. Die Wirkung auf sensorische Nerven scheint offenbar Teil der Wirksamkeit des Medikaments gegen Pankreaskrebs zu sein. Allerdings behielten die verbleibenden Nervenfasern auch unter der Behandlung ihre krebsfördernde Genaktivität bei.
Was aber passiert, wenn der Tumor vollständig von seinen Nervenverbindungen abgeschnitten wird? Dies erreichten die Forscher, indem sie die Mäuse mit nab-Paclitaxel (zur Blockade sensorischer Nerven) und einem Neurotoxin zum Ausschalten der sympathischen Neuronen behandelten. Diese Kombination wirkte synergistisch und reduzierte die Tumormasse um mehr als 90 Prozent. „Das Ergebnis unterstreicht, dass beide Typen von Nervenzellen funktionelle Relevanz für das Tumorwachstum haben,“ erklärt Vera Thiel. „Die vollständige Blockade der Kommunikation zwischen Nerven und Tumor in Kombination mit Chemotherapie und/oder Immun-Checkpoint-Inhibitoren ist ein vielversprechender Ansatz, um Pankreaskrebs in Zukunft wirksamer zu bekämpfen. Denkbar ist beispielsweise, die Größe der Tumoren so weit zu reduzieren, dass sie anschließend operabel werden“, fasst Trumpp zusammen.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Alex Shuper, Unsplash