Amalgam ist out und Komposite haben vor allem bei größeren Kavitäten ihre bekannten Defizite. Deshalb setzen Forscher auf unterschiedliche Konzepte. Ihre Ideen reichen von Photosensibilisatoren zur besseren Aushärtung bis hin zu Ansätzen der regenerativen Zahnmedizin.
Klassische Materialien zur Füllung von Kavitäten haben vor allem einen Nachteil. Zahnärzte starten die Aushärtung photochemisch. Müssen sie größerer Läsionen füllen, kostet das im Vergleich zu Amalgam deutlich mehr Zeit. Es gilt, mehrere Schichten aufzutragen, um einerseits unerwünschte Polymerisationsschrumpfungen zu kompensieren. Andererseits dringt die Strahlung handelsüblicher Polymerisationslampen nicht tief genug in das Material ein, um Komposite durchgängig auszuhärten.
Professor Robert Liska vom Institut für angewandte Synthesechemie der Technischen Universität Wien sieht ein Problem vor allen in den Lichtquellen. Er erklärt, derzeit kämen vor allem Polymerisationslampen mit Emissionen im ultravioletten und sichtbaren Spektralbereich zum Einsatz. Kurze Wellenlängen bedeuten energiereiche Lichtquanten und kurze Eindringtiefen in das Füllmaterial. Längerwellige Strahlung wäre geeigneter, löst die photochemische Reaktion aber nicht mehr aus. Liskas Arbeitsgruppe hat jetzt eine Strategie entwickelt, um diese Probleme elegant zu lösen. Chemiker synthetisierten eine spezielle Germanium-Verbindung. Germanium hat ähnliche Eigenschaften wie Silicium, beide Elemente stehen in der gleichen Hauptgruppe des Periodensystems der Elemente. Die künstliche Germaniumverbindung ist nur zu 0,3 Prozent in Füllstoffen enthalten, hat aber eine zentrale Bedeutung. Der Trick: Blaues Licht führt zur Bildung von Radikalen, die eine Kettenreaktion im gesamten Kunststoffmix auslösen. Tests haben gezeigt, dass Durchhärtungstiefen praktisch verdoppelt wurden – und Patienten kürzer auf dem Behandlungsstuhl ausharren müssen. In reiner Form kostet die künstliche Germaniumverbindung viel Geld – ein Kilogramm schlägt mit etwa 20.000 Euro zu Buche. Da aber nur Spuren zum Start der chemischen Reaktion benötigt werden, sehen Forscher darin kein KO-Kriterium. Fragen zur Toxizität müssen noch geklärt werden. Hier gibt es bei marktüblichen Füllungsmaterialien aber auch zahlreiche Unklarheiten. So diskutieren Wissenschaftler, TEGDMA (Triethylenglycol-dimethacrylat) könne zumindest in sehr hohen Konzentrationen mutagen reagieren. Entsprechende Tests werden auch für Germaniumverbindungen vor der kommerziellen Verwertung erforderlich sein.
Bleibt noch der Wunschtraum von Patienten, Selbstregenerationsprozesse in Zähnen auszulösen anstatt mit Bohrern und Kompositen traktiert zu werden. Schweizer Biotechnologen haben sich seit einigen Jahren auf die Suche nach entsprechenden Faktoren gemacht und wurden tatsächlich fündig. Das synthetische Peptid p11-4 („Curodont“) könnte in Zukunft klassische Behandlungsstrategien überflüssig machen. Es simuliert natürliche Prozesse, wie sie bei der Odontogenese ablaufen. Das geht so: Zunächst wandert p11-4 in kleine Läsionen und vernetzt sich molekular, so dass ein faserartiges Netzwerk entsteht. Über Calciumphosphat aus dem Speichel bilden sich anschließend mikroskopisch kleine Zahnschmelzkristalle, und die Läsion regeneriert sich. Mittlerweile hat Jennifer Kirkham erste wissenschaftliche Resultate im „British Dental Journal“ veröffentlicht. Um Sicherheit und Effektivität unter Beweis zu stellen, wählte die Forscherin 15 Erwachsene mit White-Spot-Läsionen aus. Patienten erhielten einmalig das Peptid P11-4. Bereits nach 30 Tagen konnte Kirkham Remineralisierungsprozesse nachweisen, und die Größe von Läsionen verringerte sich signifikant. Bei elf Personen traten Nebenwirkungen auf, von denen sich zwei auf die Proteingabe zurückführen ließen. Zusätzlich untersuchten Professor Dr. Anahita Jablonski-Momeni und Dr. Monika Heinzel-Gutenbrunner, Marburg, extrahierte und künstlich entmineralisierte Zähne im Labor. Mit Hilfe von Fluoreszenzmessungen wiesen sie in der Testgruppe signifikant höhere Remineralisierungsraten nach als ohne P11-4.
Das praktisch Machbare geht aber noch deutlich weiter. Beispielsweise gingen chinesische Wissenschaftler um Duanqing Pei der Frage nach, ob induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) Potenziale für die Zahnmedizin besitzen. Sie isolierten Zellen ableitender Harnwege aus dem Urin von Probanden. Nach der Umprogrammierung und der Fusion mit Mesenchymgewebe aus Mäusen bildeten sich zahnähnliche Strukturen inklusive Pulpa, Dentin und Zahnschmelz, die sich hinsichtlich ihrer Härte allerdings von menschlichen Vorbildern unterschieden. Professor Chris Mason, Wissenschaftler am University College London, kritisiert die Arbeit wegen möglicher Verunreinigungsgefahren bei der Gewinnung von Zellen aus Urin. Trotzdem sehen Arbeitsgruppen Potenziale, Läsionen oder extrahierte Zähne über regenerative Ansätze zu behandeln. Vom Labor bis zum Behandlungsstuhl werden aber noch etliche Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, vergehen.