Anabole Steroide sind längst nicht mehr nur Sache von Bodybuildern – der Hype hat auch den Hobbysport erreicht. Doch wie schnell kommt man an Stoffe wie Trenbolon? Ein Selbstversuch.
Der Stahl glänzt – die Muskelberge ebenso. Karsten ächzt unter der Langhantel. Aktuell steht der 32-Jährige bei 185 kg Kreuzheben und 115 Kilo Bankdrücken, auch Squat, Curls und Dips können sich sehen lassen. Was beim Training aber nie fehlen darf: der prüfende Blick in den Spiegel. Dem passionierten Pumper ist klar: Da geht noch mehr, im Zweifelsfall mit verstärkenden Mittelchen.
Woher kommt der zunehmende Körperwahn in Deutschland? Wie wird aus einem Fitness-Fan ein Sucht-Pumper? Und wie einfach kommt man an die illegalen Substanzen, die noch das letzte Quäntchen herausholen? Ich habe die Sporttasche gepackt und mich in verschiedenen Fitnessstudios in der Szene umgehört.
Alle Namen der hier genannten Personen sind aus Anonymitätsgründen geändert.
Die Abläufe in der Muckibude sind immer die gleichen: anmelden, die Proteinbar auschecken, die Größe des Freihantelbereichs prüfen und letztlich Ausschau halten nach denen mit Akne am Rücken, übergroßen Ohren oder Zahnlücken. Warum? Häufig weisen eben jene körperlichen Veränderungen (z. B. Akromegalie) auf den Gebrauch von Anabolika und Wachstumshormonen hin. Ebenso wichtig ist aber – um überhaupt auf diese Menschen zu stoßen – die richtige Uhrzeit. Die, die es ernst nehmen, haben einen festen Tagesplan mit Schichten für Bizeps, Bauch und Co..
„Das war das Erste, das ich realisieren musste. Stellt man sein Leben nicht nach dem Ziel um, kommt man recht schnell an den Punkt, da das Maximum erreicht ist. Heißt: Schlaf und Ernährung anpassen und eben auch die richtigen und ausreichend häufige Trainingszeiten“, sagt Karsten, der für jeden Tag im Gym eine eigene Protein-Shake-Zusammenstellung hat. Wie viel er wovon zu sich nimmt, sagt ihm sein Ernährungstagebuch. Mindestens 1,5–4 g Protein je kg Körpergewicht müssen es aber schon sein – „für den richtigen Gain“. Dass er sich damit von den Empfehlungen der DGE bereits entfernt hat, blendet er aktiv aus. Auch die Frage, ob er jemals ausschließen könne, nach Steroiden zu greifen, kann er nicht verneinen.
Karstens Traum ist einer, den viele junge Sportbegeisterte bzw. Männer haben: 0 Gramm Körperfett, gut sichtbare Venen und nach Möglichkeit ein Bizepsumfang von 40 und mehr Zentimetern. Derweil steht der Otto-Normal-Sportler im Durchschnitt bei 26 Zentimetern Bizeps. Dass Karsten weder mit seinem Ziel noch den Mitteln dafür allein ist, zeigen die Daten. In 2023 waren mehr als 11,1 Millionen Männer in Deutschland in Fitnessstudios angemeldet, das ist jeder Dritte.
Und auch die Protein-Shake-Bubble hat mittlerweile ihre eigene Industrie mit speziellen Spielregeln und (finanziellen) Zielen. So muss es nicht nur der Proteinshake während des Trainings sein. Auch der Pre-Workout-Booster für den besseren Fokus und „besseren Pump“ ist unerlässlich – ebenso wie die Mikronährstoff-Cocktails zur schnelleren Regeneration im Nachhinein.
Ganz groß im Rennen sind neben dem nahezu obligatorischen Kreatin mittlerweile ein Mix aus Beta-Alanin, Taurin, Koffein und Grüntee-Extrakt oder das Supplementieren des Aminosäuren-Trios Valin, Leucin und Isoleucin (BCAA). Doch das Ende der Stoffi-Pyramide ist hier noch lange nicht erreicht bzw. der erste „echte“ Schritt noch gar nicht genommen. Dieser hieße dann: anabole Steroide – und erfreut sich ebenfalls zunehmender Beliebtheit.
Da zu den psychologischen Effekten ihrer Einnahme erhöhte Reizbarkeit und Aggressionspotenzial gehören, bin ich bei meiner Inkognito-Suche noch ein wenig vorsichtiger. Was ich mich allerdings zunächst frage: Wie verbreitet sind die Stoffe unter den Hardcore-Pumpern eigentlich? „Die Frage ist schon falsch gestellt“, sagt Karsten, als ich ihn danach frage und bekommt Zustimmung von der Bank nebenan, wo Timo bei dem Schlagwort hellhörig wurde. „Verrückterweise sind es viel, viel mehr als ich gedacht hätte. Auch viele, denen man es gar nicht ansieht. Teils haben sie es nur probiert und dann wieder gelassen. Eine Gruppendynamik entsteht – was auch Sinn macht. Irgendwer fängt damit an, weiß dann, woher man das Zeug bekommt, erzählt es seinen Freunden und so weiter.“
Auch die schweren Jungs aus meinem Kampfsport-Verein pflichten bei: „Du unterschätzt das wirklich. Gerade bei den Personen, die wenig Zeit wegen Arbeit, Familie und Co. haben und noch einmal auf Jugendfitness-Niveau kommen wollen, ist das attraktiv. Ich würde schon sagen, dass es entweder diese Midlife-Crisis-Männer sind – aber natürlich auch die halbstarken jungen Partypumper“, erklärt mir Torben, der zumindest in der Vergangenheit Erfahrung mit den handlich kleinen Ampullen und Spritzen gemacht hat.
So überraschend die Einschätzung ist, so zuversichtlich stimmt sie mich bei meinem Plan, an die begehrten Muskel-Aufblaser zu kommen und sie mal unter die Lupe zu nehmen. Los geht’s also – immer und immer wieder in den Freihantelbereich, wo sich die schweren Jungs tummeln. Während ein paar Alibi-Sätzen von Kurzhantel-Curls, Schulterpressen und Kniebeugen halte ich mit Argusaugen Ausschau, ob hier Pillchen, Tropfen oder gar Spritzen den Besitzer wechseln. Doch Fehlanzeige – in allen Studios. Es folgt der Strategiewechsel auf lauschige Nischen in den Umkleidebereichen. Doch auch hier – Fehlanzeige.
So vergehen ein paar Trainingseinheiten, bis ich Karsten wiedersehe. Wir erinnern uns: Es bedarf des richtigen Zeitpunkts. Bevor ich also noch Gefahr laufe, vom ganzen Trainieren auf natürlichem Weg der nächste Markus Rühl zu werden, frage ich ohne Umschweife nach Stoff, der das Muskelwachstum beschleunigt. Seine Antwort lässt mich mit gemischten Gefühlen zurück: Einerseits, weil ich gern bereits etwas in der Hand gehabt hätte, dessen Umgang und Einsatz man mir direkt hätte zeigen können. Andererseits habe ich nun die weit größere Auswahl und kann mir ein wenig Zeit beim Shoppen lassen. Jedenfalls hat er selbst noch keinen Bedarf und nichts zur Hand – aber man könne verhältnismäßig einfach über Seiten wie SteroideApotheke Trendstoffe wie Trenbolon, Testosteron oder Dianabol beziehen.
„Aber pass auf, dass du nicht auf Scam reinfällst. Es gibt jede Menge dieser ominösen Online-Apotheken – aber eben genauso viele Fake-Profile. Ein Nachbar hatte damals Tren geordert aus einem weiter entfernten EU-Land. Das Paket kam nie an. Der Status ‚in Bearbeitung‘ hieß wohl, dass der Zoll es abgefangen hat“, weiß Kampfsport-Torben. Ich brauche nicht lange, um von terraplaza.com auf drogen-kaufen.com weitergeleitet zu werden – wo mir unter anderem auch Reptilien und andere seltene Tierarten angeboten werden.
Noch deepere Erfahrung zum aktiven Gebrauch gibt es aus der Online-Community. Womit man rechnen muss, wenn man zum Trend-Steroid Trenbolon greift, weiß auch Karsten nur von „Kollegen, die selten mal hier sind“. Generell heißt es in der Community zu Tren: „Geiler Look, geile Stimmung, wenn on – aber ganz schlechte Stimmung, wenn wieder off. Hatte auch noch nie den bekannten Tren-Husten. Hab mal gehört, dass das nur kommt, wenn unsauber gekocht wurde.“ Wie reell die psychischen Veränderungen sind, zeigt ein anderer Erlebnisbericht: „Der Kollege eines Gym-Bekannten hatte Tren genommen – er meinte, er hat sich so ins Negative verändert und ist auf Gedanken gekommen wie, dass er jetzt spontan jemanden vergewaltigen will.“
Meinen sichtlichen Schock mildernd gibt es jedoch auch weniger radikale Erfahrungen: „Trenbolon ist schon was Feines, sofern man in seinem Leben (vorher) aufgeräumt hat. Vor 18 Jahren hab ich das erstmals verwendet – nur 40 mg Acetat alle zwei Tage, zusammen mit T-Propionat (100 mg). War ziemlich neben der Spur und musste mich oft zusammenreißen, damit ich nichts tue, was ich später bereuen könnte. Ein Jahr später hab ich dann Hexahydrobenzylcarbonat ausprobiert, ebenfalls kombiniert mit T-Propionat, wieder die gleichen Probleme wie ein Jahr zuvor. Habe dann viele Jahre kein Trenbolon verwendet und erst spät wieder in Form von Trenbolon Acetat in einer Kombination mit T-Propionat und wieder tauchte diese latente Aggressivität auf. Sie war stetiger Begleiter, wie Engel und Teufel, wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde kam ich mir vor. Danach die Jahre später keine Probleme mehr. Egal ob Acetat oder Enantat. Was bleibt: Trenbolon hat eine außerordentliche Wirkung auf das zentrale Nervensystem, es ist dabei wie ein Wirkverstärker, der die emotionale Grundstimmung eines Menschen noch weiter potenziert.“
Dass ich unterdessen entsprechende Ampullen Trenbolon Enantat von SuperHuman Pharma für 105 Euro oder gar direkt die 10 Wochen Testosteron & Trenbolon Kur für 465 Euro finde, sei laut Karsten ein realistisches Preis-Niveau – und ist in der Tat keine Schwierigkeit in Sachen Beschaffung – zumindest online. Demgegenüber stehen aktuelle Studienergebnisse, die neben den psychischen Auswirkungen klare gesundheitliche Schäden nachweisen (bspw. Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, Nervenschäden oder Fibrosen). Das scheint aber bei vielen Pumpern keine Rolle zu spielen.
Die Berichte haben mir einen Kauf ebenso wenig schmackhaft gemacht, wie es ein tatsächlicher Wunsch ist, dass mir die Venen an Hals, Armen und Beinen hervorploppen – also ziehe ich meine Schlüsse: Das Gym-Abo wird erstmal nicht verlängert.
Bildquelle: Anastase Maragos, Unsplash