Könnte die regelmäßige Verwendung von Zahnseide das Risiko für Schlaganfälle und Vorhofflimmern senken? Warum Mundhygiene Herzenssache ist, lest ihr hier.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Sobald der Begriff „Gesundheitsvorsorge“ fällt, denken viele an ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung oder den Verzicht auf Rauchen. Weit weniger Menschen berücksichtigen, dass auch die Mundhygiene ein wichtiger Faktor sein kann, um Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfällen vorzubeugen. Bisher war vor allem das Zähneputzen Thema in der Forschung, doch nun rückt ein anderer Aspekt in den Fokus: die Verwendung von Zahnseide.
Im Rahmen der International Stroke Conference 2025 der American Stroke Association wurde eine Studie vorgestellt, die diesen Zusammenhang genauer unter die Lupe nimmt: Menschen, die mindestens einmal wöchentlich Zahnseide benutzen, haben ein geringeres Risiko für ischämische Schlaganfälle und für Herzrhythmusstörungen wie das Vorhofflimmern.
Mundhygiene wird oft als reines kosmetisches Anliegen oder als Schutz vor Karies betrachtet – doch die Assoziation von Zahnfleischerkrankungen wie Parodontitis mit systemischen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Leiden besteht schon länger. Ein möglicher Grund ist, dass bakterielle Entzündungen im Mund die Produktion von Entzündungsstoffen im Blut ankurbeln, die wiederum zu Arteriosklerose oder anderen kardiovaskulären Risiken beitragen können.
Die globale Bedeutung dieses Themas wird in Zahlen deutlich: Ein Bericht der WHO stellte 2022 fest, dass 3,5 Milliarden Menschen weltweit an unbehandeltem Zahnverfall und Zahnfleischerkrankungen leiden – das sind einige der am weitesten verbreiteten Gesundheitsprobleme überhaupt.
Die im Rahmen der Konferenz vorgestellten Ergebnisse stammen aus der bekannten Atherosclerosis Risk in Communities (ARIC)-Studie, einer großen, langjährigen Untersuchung zu Atherosklerose-Risikofaktoren in den USA. Die ARIC-Studie startete 1987 und umfasst mittlerweile mehrere Jahrzehnte an Daten.Für die aktuelle Auswertung wurden über 6.000 Menschen befragt, die Auskunft über ihre Gewohnheiten in Bezug auf Zahnseide, Zähneputzen und Zahnarztbesuche gaben. Die Forscher um Studienleiter Souvik Sen verfolgten über 25 Jahre die Entwicklung von Schlaganfällen und Vorhofflimmern. Zudem wurden weitere klassische Herz-Kreislauf-Risikofaktoren – darunter Blutdruck, Diabetes, Cholesterinwerte, Raucherstatus, körperliche Aktivität sowie das Bildungsniveau – erhoben.
Während der 25-jährigen Nachbeobachtung trat bei 434 Personen ein Schlaganfall auf. Von diesen Schlaganfällen waren:
Außerdem wurden 1.291 Fälle von Vorhofflimmern registriert.
Die regelmäßige Benutzung von Zahnseide (≥ 1-mal pro Woche) ging mit einer 22 %igen Risikoreduktion für ischämische Schlaganfälle einher. Auch das Risiko für einen kardioembolischen Schlaganfall war um 44 % verringert, das Risiko für Vorhofflimmern um 12 %.
Besonders hervorzuheben ist, dass dieser Effekt unabhängig von anderen Faktoren wie regelmäßigem Zähneputzen oder Zahnarztbesuchen war. Mit anderen Worten: Selbst wenn jemand häufig putzt oder den Zahnarzt aufsucht, scheint die Zahnseide eine zusätzliche positive Wirkung zu haben.
Die Forscher vermuten, dass die Reduzierung von Bakterien im Zahnzwischenraum und am Zahnfleischrand eine Rolle spielt – gerade hier können sich krankheitsverursachende Keime und Plaque ansammeln, die zu lokalen Entzündungen führen und systemische Entzündungsmarker erhöhen können. Laut Studienleiter Souvik Sen gebe es deutliche Hinweise darauf, dass eine verminderte Entzündungsbelastung das Arteriosklerose-Risiko senken und so Schlaganfällen vorbeugen könnte.
Besonders überraschend war die Assoziation zwischen Zahnseide und dem Risiko für Vorhofflimmern – es stellt einen Hauptrisikofaktor für Schlaganfälle dar. Laut der American Heart Association könnte die Zahl der Betroffenen mit Vorhofflimmern in den USA bis 2030 auf über 12 Millionen steigen. Die aktuellen Daten legen nahe, dass eine gute Mundhygiene – insbesondere das regelmäßige Verwenden von Zahnseide – möglicherweise einen zusätzlichen Schutz bietet.
Allerdings ist nicht abschließend geklärt, ob dieser Effekt direkt durch eine reduzierte Entzündung oder indirekt durch einen gesünderen Lebensstil – Menschen, die auf gute Mundpflege achten, achten oft auch auf andere Gesundheitsaspekte – zustande kommt.
Trotz der Vorläufigkeit ist die Botschaft deutlich: Zahnseide ist kostengünstig, leicht anzuwenden und überall erhältlich. Anders als bei teuren Zahnbehandlungen und Prothesen kann diese einfache Methode einen großen Teil der Bevölkerung erreichen. Zusammen mit regelmäßigen Zahnarztbesuchen, ausreichendem Zähneputzen und einer allgemein gesunden Lebensweise könnte dies ein weiterer Mosaikstein sein, um das Schlaganfall- und Herzrisiko zu senken.
„Mundgesundheit könnte möglicherweise in die ,Life's Essential 8‘-Risikofaktoren aufgenommen werden.“, kommentierte Professor Daniel T. Lackland von der Medical University of South Carolina. Gemeint sind damit die bereits etablierten Herz-Kreislauf-Risikofaktoren (Ernährung, Bewegung, Blutdruck, Blutzucker, Cholesterin, Nikotinexposition, Schlaf und Körpergewicht). Ob Zahnseide hier bald als neunter Faktor hinzukommt, wird zukünftige Forschung zeigen.
Die Studie aus den USA lässt hoffen: Eine vermeintlich banale Maßnahme wie das wöchentliche Benutzen von Zahnseide könnte das Risiko für bestimmte Schlaganfälle sowie Vorhofflimmern reduzieren. Zwar stehen weiterführende Untersuchungen an – dennoch lohnt es, diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Denn selbst wenn sich nur ein Teil dieses Effekts bestätigt, kann die regelmäßige Verwendung von Zahnseide einen wichtigen Beitrag zur Herz-Kreislauf-Gesundheit leisten. Die Ergebnisse liefern zudem einen weiteren Anreiz, die eigene Mundhygiene-Routine zu überdenken und Zahnseide konsequent in den Alltag zu integrieren.
Sen, Souvik et. al. Regular dental flossing may lower risk of stroke from blood clots, irregular heartbeats. American Heart Association, 2025.
Bildquelle: Nastia Petruk, Unsplash