Mit jedem Atemzug fluten Schimmelsporen unsere Lungen – gerade für Intensivpatienten problematisch. Wann ihr einschreiten solltet und welche Maßnahmen am besten funktionieren.
Ein Weihwassersprenger, auch Aspergill genannt, stand Pate, als ein italienischer Priester und Botaniker einen Schimmelpilz im Jahr 1729 auf den Namen Aspergillus taufte. Die Ähnlichkeit zwischen dem Pilz und dem liturgischen Gerät ist tatsächlich verblüffend – mit dem Unterschied, dass das mikroskopisch kleine Pilzköpfchen kein Weihwasser verwedelt, sondern Sporen. Diese Sporen schnürt der Pilz ab, um sich zu verbreiten. Sie fliegen mit dem Wind in buchstäblich jede Ritze unseres Planeten, manchmal tausende Kilometer weit. Der deutsche Name ist etwas prosaischer: Gießkannenschimmel.
Landet eine Spore auf einem passenden Untergrund, keimt sie und bildet ein Pilzgeflecht, das wir als Schimmel bezeichnen. Obwohl Aspergillus sich eigentlich nur von totem Gewebe ernährt, kann er auch uns Lebenden gefährlich werden, und zwar auf drei Arten: Er vergiftet uns mit seinen Stoffwechselprodukten, er stößt allergische Reaktionen an und er wächst in uns – vor allem in der Lunge. Wenn er sich über die Blutbahn verbreitet, kann er auch andere Organe und sogar das Gehirn befallen.
Normalerweise halten wir die Sporen, die mit jedem Atemzug durch unsere Lungen strömen, gut in Schach. Doch sind wir geschwächt und ist unser Immunsystem nicht auf der Höhe, kann der Pilz Fuß fassen und gedeihen. Wie man eine akute Invasion erkennt und was man dagegen tun kann, hat jetzt die Deutsche Gesellschaft für internistische Intensiv- und Notfallmedizin in ihrer S1-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der invasiven pulmonalen Aspergillose bei kritisch kranken/intensivpflichtigen Patienten“ zusammengestellt.
Der Nachweis einer Aspergillus-Invasion ist schwieriger als man meinen sollte. Um eine Diagnose zu sichern, braucht es eine histologische Bestätigung, was sehr selten möglich ist. So behilft man sich mit indirekten Indizien, die am Ende eine Diagnose zwar nicht sicher, aber wahrscheinlich machen. Unter Umständen genügt für den Beginn einer Therapie auch schon eine mutmaßliche Diagnose, bei der nicht alle Kriterien für eine wahrscheinliche Diagnose erfüllt sind.
Für die Diagnose bei Intensivpatienten wird ein mehrstufiges, aufeinander aufbauendes Vorgehen empfohlen, wobei die Autoren betonen, dass sich dieser Algorithmus aus Forschungskriterien ableitet und im begründeten Fall in der Versorgung auch anders gehandhabt werden kann. Zu große Zurückhaltung ist jedenfalls nicht angebracht, denn Autopsiestudien zeigen, dass bei Intensivpatienten mehr als die Hälfte aller invasiven pulmonalen Aspergillosen unbemerkt bleiben.
Im ersten Schritt werden die Risikofaktoren gecheckt. Ist ein Patient beispielsweise an Grippe, Covid oder einem soliden Tumor erkrankt, folgt der zweite Schritt: die Würdigung der klinischen Befunde beziehungsweise Symptome, wie etwa Bluthusten oder trotz Antibiotikatherapie anhaltendes oder wiederkehrendes Fieber. Ist auch eines dieser Kriterien erfüllt, können bei der Bronchoskopie entdeckte Ulzerationen, Knötchen oder Schorf sowie im CT oder MRT gefundene Lungeninfiltrate den Verdacht weiter erhärten.
Dann gibt eine positive Aspergilluskultur und einen Nachweis von Galaktomannan im Serum oder der bronchoalveolären Lavageflüssigkeit das Startsignal für eine antimykotische Therapie. Nicht hilfreich ist ein molekulargenetischer Nachweis von Aspergillus.
Standardmittel der Erstlinientherapie sind Voriconazol oder Isavuconazol. Beide können von Patient zu Patient unterschiedlich gut wirken und mit anderen Medikamenten interagieren, weshalb zu einem Drug Monitoring geraten wird. Nicht angezeigt sind dagegen inhalative und chirurgische Maßnahmen.
So schauerlich der Gedanke ist, dass sich im eigenen Körper ein Pilz gemütlich ausbreitet, so gibt es einen kleinen Trost: Schon im frühen Mittelalter hat der Mensch manche Aspergillusarten gezähmt und der Lebensmittelproduktion geweiht. So genießen wir, Aspergillus sei Dank, die Sojasauce.
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