Die 16. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) in Berlin bot eine umfassende Plattform zur Diskussion aktueller Entwicklungen im Bereich der chronischen Nierenkrankheit (CKD). Im Folgenden erhalten Sie eine Zusammenfassung der zentralen Erkenntnisse zu Diagnosedaten, Versorgungsrealität und leitliniengerechter Behandlung bei CKD, die auch für die hausärztliche Praxis relevant sind.
Im Rahmen der Vortragsreihe zu CKD-Therapien wurde die Wirksamkeit innovativer Medikamente diskutiert, wobei einer der Schwerpunkte auf den Einsatz von SGLT-2 Inhibitoren und deren Nutzen bei kardialen, renalen und metabolischen Erkrankungen lag.
Ein Erklärungsansatz für die multifaktoriellen Wirkmechanismen der SGLT-2 Inhibitoren basiert auf deren Einfluss auf die Körperzusammensetzung. Aktuelle Studiendaten legen nahe, dass die unter der Therapie beobachtete Gewichtsreduktion primär durch eine Verminderung des Fettgewebes bedingt sein könnte. Bei Patient:innen mit chronischer Nierenkrankheit könnte dieser Effekt zusätzlich durch eine gesteigerte Wasserausscheidung verstärkt werden. Auf die fettfreie Körpermasse, konnte hingegen kein signifikanter Einfluss festgestellt werden.1-5
Die nephroprotektive Wirkung der SGLT-2 Inhibitoren könnte teilweise durch die Korrektur einer Hypervolämie sowie durch eine Reduktion der Proteinurie erklärt werden. Der volumenregulierende, jedoch nicht depletierende Effekt dieser Substanzen ermöglicht zudem deren Einsatz bei Patient:innen, die aufgrund eines Risikos für Volumendepletion nicht für die Therapie mit Schleifendiuretika geeignet sind.3 Im Rahmen des Vortrags wurden SGLT-2 Inhibitoren deswegen als „smart diuretics“ betitelt.
Auf der Tagung wurde auch die neue KDIGO-Leitlinie zur Evaluation und Management der chronischen Nierenkrankheit (CKD) vorgestellt. Diese Leitlinie definiert die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) und das Verhältnis von Albumin zu Kreatinin im Urin (UACR) als zentrale diagnostische Parameter zur präzisen Erkennung und Einordnung einer CKD.6 Die UACR spielt zudem eine Schlüsselrolle in der Risikokalkulation für Nierenversagen, die Teil der neuen DEGAM-Leitlinie „Chronische Nierenkrankheit in der Hausarztpraxis“ ist.7
Die geschätzte GFR (eGFR) dient darüber hinaus der Risikostratifizierung und der Steuerung des Managements. Die Leitlinie empfiehlt, Patient:innen in den frühen Stadien der CKD (G1-G2) primär in der hausärztlichen Versorgung zu betreuen, während fortgeschrittene Stadien (ab G3) eine multidisziplinäre Betreuung erfordern.6
Zur Progressionshemmung und zum Management von CKD-assoziierten Komplikationen werden Lebensstilinterventionen, die Einstellung des Blutdrucks auf ein Ziel von 120 mmHg sowie medikamentöse Therapien mit Renin-Angiotensin-System-Inhibitoren und SGLT-2 Inhibitoren empfohlen.6
In einem weiteren Vortrag wurde die Versorgungssituation von Patient:innen mit chronischer Nierenkrankheit (CKD) in Deutschland beleuchtet. Die InspeCKD-Studie zeigte erhebliche Defizite im Screening und in der Diagnosestellung von CKD auf. Lediglich 45,5 % der Risikopatient:innen erhielten eine eGFR-Messung im Rahmen eines Screenings. Abbildung 1: Durchgeführte CKD-Screeningmaßnahmen im Beobachtungszeitrum der InspeCKD-Studie8
Frühe Stadien der CKD können anhand der eGFR allein nicht diagnostiziert werden. In diesem Fall ermöglicht das Screening auf Albuminurie mittels UACR-Wert eine frühzeitige Diagnose. Doch nur bei 0,4 % der Risikopatient:innen wurde im Rahmen des Screenings der UACR-Wert ermittelt. Diese Ergebnisse unterstreichen den dringenden Bedarf an einer verbesserten Sensibilisierung für CKD.8 Weitere Informationen zur InspeCKD-Studie finden Sie hier.
Eine weitere Studie, die sogenannte ATLAS-CKD-Studie, analysierte retrospektiv die Krankenkassendaten von 4,5 Millionen Versicherten und lieferte wichtige Erkenntnisse zur Versorgungsrealität von Patient:innen mit chronischer Nierenkrankheit (CKD). Die Ergebnisse zeigten, dass CKD-Patient:innen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine überdurchschnittlich hohe Hospitalisierungsdauer sowie eine erhöhte Mortalitätsrate aufweisen. Zu den häufigsten Begleiterkrankungen zählten Hypertonie (91 %), Dyslipidämien (68 %), kardiovaskuläre Erkrankungen (56 %) und Typ-2-Diabetes mellitus (54 %).9 Zusätzlich zu den Erkenntnissen über die Belastung von Patient:innen und Gesundheitssystem durch die chronische Nierenkrankheit zeigte die ATLAS-CKD-Analyse, dass nur ein geringer Anteil der Patient:innen eine leitliniengerechte CKD-Therapie erhält.9
Das zeigt, dass CKD weiterhin eine erhebliche gesundheitspolitische Herausforderung darstellt. Dies unterstreicht den dringenden Bedarf an der Entwicklung und Implementierung nationaler Strategien zur Optimierung der Behandlungsergebnisse und Versorgung der Betroffenen.
Die Jahrestagung machte deutlich, dass CKD weiterhin eine erhebliche gesundheitspolitische Herausforderung darstellt. Fortschritte in der Therapie, wie durch den Einsatz von SGLT-2 Inhibitoren, sowie neue diagnostische Ansätze der KDIGO-Leitlinie6 eröffnen vielversprechende Möglichkeiten zur Verbesserung der Versorgung. Die Ergebnisse der InspeCKD- und ATLAS-CKD-Studien zeigen jedoch deutliche Versorgungsdefizite auf.8,9
Eine stärkere Sensibilisierung für CKD als prognoserelevante Erkrankung, die gezielte Förderung von Screenings bei Risikogruppen und eine verbesserte intersektorale Zusammenarbeit könnten wichtige Schritte auf dem Weg in eine bessere Versorgung von CKD-Patient:innen sein – ein richtungsweisender Ansatz zum Jahreswechsel.