Die seltene ZNS-Erkrankung MOGAD wurde lange in einen Topf mit der Multiplen Sklerose geworfen. Die Therapie ist herausfordernd und noch nicht vereinheitlicht – welche Therapeutika in den Startlöchern stehen.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Die mit Antikörpern gegen Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein assoziierte Erkrankung (MOGAD) ist eine seltene, entzündlich-demyelinisierende Erkrankung des zentralen Nervensystems. Sie wurde früher als Unterform der Multiplen Sklerose (MS) oder der Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankung (NMOSD) betrachtet, wird aber mittlerweile als eigenständige Erkrankung mit spezifischen diagnostischen und therapeutischen Anforderungen anerkannt.
Die Akuttherapie von MS, NMOSD und MOGAD folgt ähnlichen Prinzipien und besteht primär aus hochdosierten Kortikosteroiden oder in schweren Fällen aus Plasmapherese oder intravenösen Immunglobulinen. Während für die MS mittlerweile eine Vielzahl an verlaufsmodifizierenden Therapien verfügbar ist und zunehmend auch neue Medikamente für AQP4-IgG-positive NMOSD zugelassen werden, bleibt die therapeutische Landschaft für MOGAD begrenzt. Das ist von klinischer Bedeutung, da MOGAD im Vergleich zur AQP4-IgG-positiven NMOSD häufig eine ungünstigere Prognose aufweist und mit schwereren funktionellen Einschränkungen einhergehen kann.
Die Behandlung von MOGAD orientiert sich an der Therapie anderer entzündlich-demyelinisierender Erkrankungen des ZNS, jedoch mit spezifischen Anpassungen aufgrund der besonderen Pathophysiologie.
Die Therapie eines akuten MOGAD-Schubes erfolgt primär mit hochdosierten Kortikosteroiden (z. B. Methylprednisolon 500–1.000 mg täglich für 3–5 Tage). In schweren Fällen oder bei unzureichendem Ansprechen kann eine Plasmapherese (PLEX) oder Immunadsorption in Erwägung gezogen werden. Intravenöse Immunglobuline (IVIG) kommen gelegentlich bei therapieresistenten Fällen zum Einsatz.
Die langfristige Therapie zur Schubprävention ist derzeit noch nicht durch zugelassene spezifische Immuntherapien standardisiert. Die Wahl der Erhaltungstherapie richtet sich nach dem individuellen Verlauf und der Schubhäufigkeit. B-Zell-depletierende Therapien wie Rituximab werden häufig eingesetzt, zeigen jedoch eine geringere Wirksamkeit als bei NMOSD.
Eine weitere Option stellt die Immunglobulintherapie (IVIG) dar, die sich insbesondere bei pädiatrischen Patienten als effektiv erwiesen hat und als Erstlinientherapie in Betracht gezogen werden kann. Klassische Immunsuppressiva wie Azathioprin oder Mycophenolatmofetil bieten eine alternative Behandlungsstrategie – sind jedoch mit einem verzögerten Wirkungseintritt und einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden.
Angesichts der Limitationen bestehender Therapien laufen derzeit Studien zu gezielteren immunmodulatorischen Ansätzen. Zukunftsorientierte Therapien sind zum einen gegen den Interleukin-6(IL-6)-Rezeptor gerichtete Antikörper sowie Antikörper gegen den neonatalen Fc-Rezeptor.
Zu den gegen den Interleukin-6(IL-6)-Rezeptor gerichteten monoklonalen Antikörpern zählen u.a. Tocilizumab und Satralizumab, welche in aktuellen Studien hinsichtlich einer Wirksamkeit bei MOGAD untersucht werden. IL-6 spielt eine zentrale Rolle in der Pathophysiologie der MOGAD, indem es die Differenzierung von B-Zellen zu Plasmazellen und die Produktion von proinflammatorischen Zytokinen fördert. IL‑6 konnte im Liquor von MOGAD-Patienten, ähnlich wie bei NMOSD, nicht aber bei MS-Patienten, deutlich hochreguliert nachgewiesen werden.
Tocilizumab zeigte unter anderem in einer retrospektiven Analyse der NEMOS bei 14 MOGAD-Patienten mit überwiegend schubförmigem Verlauf nach diversen Vortherapien einen deutlichen Rückgang der Schubrate bei guter Verträglichkeit. Es wird einmal monatlich intravenös oder wöchentlich subkutan verabreicht. In laufenden klinischen Studien wird zudem Satralizumab in einer monatlichen subkutanen Dosierung von 120 mg verabreicht. Erste Daten deuten darauf hin, dass die Substanz die Schubrate ebenfalls signifikant reduzieren kann und eine gute Verträglichkeit aufweist.
Rozanolixizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der selektiv an den neonatalen Fc-Rezeptor bindet und so die Serumkonzentration von pathogenen IgG-Autoantikörpern reduziert. Dadurch kann der Antikörper gegen MOG (MOG-IgG) effizient gesenkt werden. Die Substanz wird bereits erfolgreich bei der Myasthenia gravis eingesetzt und befindet sich derzeit in einer Phase-3-Studie für MOGAD. Die Verabreichung erfolgt subkutan über eine Infusionspumpe mit konstanter Flussrate.
Zukünftige Therapien könnten nach pathophysiologischen Überlegungen auf andere B-Zell-depletierende monoklonale Antikörper abzielen, die eine Alternative zu Rituximab darstellen. Ocrelizumab und Ofatumumab sind zwei Substanzen, die gegen das CD20-Molekül auf B-Zellen gerichtet sind und möglicherweise eine effektive Langzeitstrategie zur Schubreduktion bieten könnten. Eine weitere vielversprechende Option ist Inebilizumab, ein gegen CD19 gerichteter monoklonaler Antikörper, der in der N-MOmentum-Zulassungsstudie für NMOSD bereits bei wenigen MOGAD-Patienten eine schubprophylaktische Wirkung zeigte.
Darüber hinaus werden Komplementinhibitoren wie Eculizumab und Ravulizumab als mögliche Behandlungsoptionen untersucht. Diese Antikörper blockieren die terminale Komplementkaskade durch Bindung an das C5-Protein und haben sich bei AQP4-IgG-positiver NMOSD als hochwirksam erwiesen. Da das Komplementsystem jedoch eine weniger zentrale Rolle in der Pathophysiologie der MOGAD spielt, werden diese Substanzen vorrangig als Zweitlinientherapien in Erwägung gezogen.
Die MOGAD ist eine eigenständige Erkrankung mit speziellen therapeutischen Herausforderungen. Während die Akuttherapie mittlerweile gut etabliert ist, fehlt es an spezifischen zugelassenen Langzeittherapien. Neue immunmodulatorische Antikörpertherapien könnten die Behandlung revolutionieren, indem sie gezielt in die immunologische Pathophysiologie der Erkrankung eingreifen. Die Ergebnisse der laufenden klinischen Studien werden darüber entscheiden, ob diese Medikamente in Zukunft als Standardtherapie für die MOGAD eingesetzt werden können. Bis dahin bleibt es essenziell, Patienten in klinische Studien einzuschließen, um bestmögliche Therapieoptionen zu entwickeln.
Eigenständige Erkrankung mit spezifischen Herausforderungen: MOGAD ist keine Unterform der MS oder NMOSD, sondern eine eigenständige entzündlich-demyelinisierende Erkrankung des ZNS mit eigener Pathophysiologie und Therapie.
Begrenzte Therapiemöglichkeiten: Akuttherapie mit hochdosierten Kortikosteroiden, ggf. Plasmapherese oder IVIG. Langzeittherapie derzeit nicht standardisiert; Rituximab und IVIG werden genutzt, aber mit begrenzter Evidenz.
Zukunftsperspektiven durch monoklonale Antikörper: IL-6-Blocker (Tocilizumab, Satralizumab) und Fc-Rezeptor-Antikörper (Rozanolixizumab) werden in Studien untersucht. Weitere B-Zell-depletierende Therapien könnten langfristig neue Optionen bieten.
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