Das Risiko für Darmkrebs lässt sich mit gesunder Ernährung reduzieren. Welche Rolle Milchprodukte und insbesondere Kalzium hierbei spielen, hat eine Studie untersucht. Sollten Ärzte zum Glas Milch raten – oder ist das alles Quark?
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Schon lange ist bekannt, dass eine gesunde Ernährung vor Darmkrebs schützt. In einer aktuellen Studie ging der Konsum von Milch und Milchprodukten mit einer besonders guten Schutzwirkung einher. Vermutlich liegt es am Kalzium. Wie sind die Studienergebnisse einzuordnen?
Darmkrebs, auch als kolorektales Karzinom bezeichnet, ist die dritthäufigste Krebserkrankung weltweit. Mehr als 1,9 Millionen Menschen erkrankten 2022 daran. Die höchsten Inzidenzraten findet man in Europa, Nordamerika, Australien, Neuseeland und Japan. Bemerkenswert ist, dass sich die Darmkrebsraten von Migranten aus Entwicklungs- und Schwellenländern in nur etwas mehr als einem Jahrzehnt an die Raten des Gastlandes anpassen.
Dieser Umstand deutet darauf hin, dass Ernährung und Lebensstil eine maßgebliche Rolle bei der Entstehung von Darmkrebs spielen. Die International Agency for Research on Cancer (IARC) klassifizierte bereits vor Jahren alkoholische Getränke und stark verarbeitetes Fleisch (z.B. Bockwurst, Kochschinken, Corned Beef, Fleischwurst, Salami etc.) als krebserregend (Gruppe 1), sowie Fleisch vom Rind-, Schwein-, Lamm-, Ziege und Wild – so genanntes rotes Fleisch – als wahrscheinlich krebserregend (Gruppe 2A).
Basierend auf den Daten der Million Women Studie (MWS) untersuchte ein Team von Wissenschaftlern den Einfluss von 97 Nahrungsmitteln bzw. Nährstoffen auf das Darmkrebsrisiko. An der MWS nahmen zwischen 1996 und 2001 ca. 1,3 Millionen Frauen im Alter von 50 bis 64 Jahren teil, das waren 53 % aller Frauen dieser Altersgruppe. Vollständige Datensätze lagen von 542.778 Teilnehmerinnen vor. In der mittleren Nachbeobachtungszeit von 16,6 (± 4,8) Jahren traten insgesamt 12.251 neue Fälle von Darmkrebs in dem Teilkollektiv der MWS auf (2,26 %). Die Forscher hatten die wöchentlichen Verzehrmengen in Quintile aufgeteilt; das unterste Segment diente als Referenzwert.
Von den 97 untersuchten Ernährungsfaktoren waren 15 mit einem verminderten und zwei mit einem erhöhten Darmkrebsrisiko assoziiert (False Discovery Rate < 0,009). Für die übrigen Nahrungsfaktoren wurden keine Zusammenhänge mit dem Darmkrebsrisiko gefunden. Die Studie wurde Anfang Januar 2025 in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.
Der stärkste protektive Effekt zeigte sich für eine hohe Kalziumzufuhr. Das relative Risiko (RR), eine Darmkrebserkrankung zu entwickeln, verminderte sich um 17 % pro 300 mg Kalziumaufnahme am Tag (RR = 0,83; 95 % KI 0,77 - 0,89; p < 0,0000001). Teilnehmer im untersten Quintil hatten 828 mg Kalzium konsumiert, in dieser Gruppe gab es 2.533 Darmkrebsneuerkrankungen. Im obersten Quintil waren es 1.126 mg und 2.394 Neuerkrankungen. Der zusätzliche Nutzen von einer noch höheren Kalziumzufuhr pro Tag blieb in der aktuellen Arbeit unklar.
Einen ebenfalls schützenden Effekt hatte der Konsum von Trinkmilch (minus 14 % pro 200 ml am Tag), der Verzehr von Joghurt (minus 8 % pro 50 g am Tag) sowie von vier weiteren milchbezogenen Faktoren wie Riboflavin (minus 17 % pro 1 mg am Tag), Magnesium (minus 16 % pro 100 mg am Tag), Kalium (minus 11% pro 1.000 mg am Tag) und Phosphor (minus 16 % pro 300 mg am Tag). Alle beobachteten Effekte waren signifikant mit der Kalziumzufuhr assoziiert und zeigten eine dosisabhängige Wirkung.
Im Gegensatz zu früheren Studien war die schützende Wirkung von Milch und Kalzium in der MWS deutlich stärker ausgeprägt. Wurde der Effekt von Kalzium statistisch herausgerechnet, war die protektive Wirkung der Milch sowie der Milchprodukte deutlich geringer. Dies galt auch für die Milchbestandteile Vitamin B2 (Riboflavin), Magnesium, Kalium und Phosphor. Die Autoren kommen deshalb zu dem Schluss, dass die Schutzfunktion von Milch, Joghurt sowie der Milchinhaltsstoffe größtenteils, wenn nicht sogar vollständig, auf Kalzium zurückzuführen ist.
Für den protektiven Effekt von Kalzium bzw. Milch und Joghurt auf das Darmkrebsrisiko gibt es zahlreiche Erklärungsansätze: So gehen die Wissenschaftler davon aus, dass Kalzium sowohl Gallensäuren als auch freie Fettsäuren im Dickdarm bindet und so deren krebsförderndes Potenzial verringert. In tierexperimentellen Studien konnte überdies gezeigt werden, dass hohe Kalziumkonzentrationen die Durchlässigkeit der Mukosa vermindern und dadurch die Epithelzellen vor dem Kontakt mit krebsfördernden Substanzen schützen. Darüber hinaus gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Kalzium die Apoptose geschädigter Epithelzellen beschleunigt, den Austausch krankhafter Darmepithelzellen fördert und oxidative DNA-Schäden in den Epithelzellen reduziert.
Des Weiteren zeigen Laboruntersuchungen, dass Kalzium vermutlich auch das Auftreten von KRAS-Mutationen in den Darmepithelzellen vermindert und dadurch einem unkontrollierten Zellwachstum vorbeugt. In Tiermodellen konnte schließlich gezeigt werden, dass weitere Inhaltstoffe der Milch wie z.B. konjugierte Linolsäure (CLA), Buttersäure und Sphingomyelin eine chemisch induzierte Karzinogenese abschwächen können.
Widersprüchliche Ergebnisse liegen allerdings für die Wirkung von Kalzium-Supplementen auf das Darmkrebsrisiko vor. Während eine Metaanalyse auf der Basis von sechs Kohortenstudien aus dem Jahr 2014 ein um 9 % verringertes Darmkrebsrisiko je 300 mg Kalziumaufnahme pro Tag fand, zeigte eine randomisierte Vergleichsstudie bei 36.282 postmenopausalen Frauen aus dem Jahr aus 2006 keinen protektiven Effekt bei täglicher Einnahme von 1.000 mg Kalzium in Verbindung mit 40 μg Vitamin D3 über einen Beobachtungszeitraum von sieben Jahren.
Die Schutzwirkung der übrigen untersuchten diätetischen Faktoren war deutlich schwächer ausgeprägt als die von Kalzium und Trinkmilch. Hervorzuheben sind die protektiven Effekte von Vollkornprodukten (RR = 0,90), Frühstückscerealien (RR = 0,93), komplexen Kohlenhydraten wie z.B. Kartoffeln, Hülsenfrüchten und Wurzelgemüse (RR = 0,89) sowie Obst (RR = 0,90), die nach Ansicht der Autoren in erster Linie auf den hohen Ballaststoffgehalt dieser Lebensmittel zurückzuführen sind.
Nach Auffassung der Wissenschaftler führt der hohe Anteil an quellfähigen Pflanzenfasern zu einer Vergrößerung des Stuhlvolumens sowie zu einer Verringerung der Verweildauer des Nahrungsbreis im Verdauungstrakt. Durch die Verkürzung der Transitzeit reduziert sich auch die Expositionsdauer von krebsfördernden und krebsauslösenden Substanzen im Dickdarm. Darüber hinaus sind Ballaststoffe in der Lage, Schadstoffe zu binden und in ihrer Wirkung zu neutralisieren.
Nicht zuletzt weisen die Forscher darauf hin, dass zahlreiche Ballaststoffe durch die intestinale Mikrobiota zu kurzkettigen Fettsäuren fermentiert werden, die den pH-Wert im Dickdarm herabsetzen. Das verhindert die Umwandlung von primären zu sekundären Gallensäuren, die ihrerseits die Zellproliferation fördern können.
Der Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch ist hingegen mit einem erhöhten Darmkrebsrisiko verbunden. Für rotes und verarbeitetes Fleisch stieg das relative Risiko um 8 % pro 30 g am Tag (RR = 1.08; 95 % KI 1,03 - 1,12; p< 0,01). Diese Ergebnisse stehen in Einklang mit dem vom World Cancer Research Fund (WCRF) im Jahr 2018 veröffentlichten Review, wenngleich die relative Risikoerhöhung mit 12 % (WCRF) vs. 29 % (MWS) pro 100 g verzehrtem Fleisch am Tag etwas weniger als halb so groß ist. Beiden Studien gemeinsam ist auch der stärker ausgeprägte Zusammenhang zwischen dem Verzehr von verarbeitetem Fleisch und der Entwicklung von Darmkrebs im Vergleich zum Verzehr von rotem Fleisch.
Für den krebsfördernden Effekt von rotem und verarbeitetem Fleisch führen die Forscher folgende Erklärungen an: So wird vermutet, dass Häm-Eisen die Bildung von N-Nitroso-Verbindungen (Nitrosamine) katalysiert, die für ihre karzinogene Wirkung bekannt sind. Nitrosamine entstehen, wenn Nitrite – die z. B. als Konservierungsstoffe in gepökeltem Fleisch verwendet werden – mit Aminen aus Schweinesteaks und Rinderfilets reagieren.
Darüber hinaus kann das Braten von Fleisch bei hohen Temperaturen (wie z. B. beim Grillen oder Frittieren) sowie das Räuchern die Bildung von Nitrosaminen und das Entstehen von Acrylamid, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen und heterozyklischen Aminen begünstigen.
Neben Fleisch und Wurstwaren erhöhte auch der Konsum von Alkohol das Darmkrebsrisiko. Für Alkohol betrug die relative Risikoerhöhung pro 20 g am Tag plus 15 % (RR = 1.15; 95 % KI 1,09 - 1,20; p<0,0000001). Verglichen wurden Teilnehmer, die zwischen 1,4 und 25,3 g Alkohol wöchentlich zu sich genommen hatten.
Keine signifikante Risikoerhöhung ergab sich für einen geringen bis moderaten Alkoholkonsum von bis zu 13,7 g/d. Für einen Konsum von bis zu 6 g/d lässt sich tendenziell sogar ein erniedrigtes Darmkrebsrisiko berechnen. Wissenschaftler vermuten, dass die schädliche Wirkung von Alkohol mit der Produktion von Acetaldehyd zusammenhängt. In hoher Konzentration fördert dieser Metabolit Zellmutationen und erhöht die Bildung krebserregender reaktiver Sauerstoffspezies.
Die Ergebnisse der MWS sind aufgrund der großen Studienpopulation, der langen Nachbeobachtungszeit sowie der konsistenten Dosis-Wirkungs-Beziehungen beeindruckend. Vergleichbare Resultate liegen auch aus einem Review des WCRF, der EPIC-Studie, der Nurses Health-Studie sowie einer UK-Biobank-Analyse vor.
Zu einem gegensätzlichen Ergebnis kam jedoch eine Analyse der China Kadoorie Biobank mit insgesamt 510.146 Studienteilnehmern: Hier zeigte sich bei einem um 75 % geringeren Milchkonsum der Studienteilnehmer im Vergleich zur MWS ein um 8 % höheres Darmkrebsrisiko pro 50 g konsumierter Milch am Tag.
In diesem Kontext sollte nicht unerwähnt bleiben, dass eine neue Form infektiöser Erreger, Bovine Meat and Milk Factors (BMMF), die vor wenigen Jahren in Milch, Milchprodukten und Rindfleisch der Rinderrasse Bos Taurus gefunden wurden, ebenfalls in Verdacht stehen, das Darmkrebsrisiko zu erhöhen. Wissenschaftler um Nobelpreisträger Harald zur Hausen konnten die Erreger bei Darmkrebspatienten in unmittelbarer Nähe der Tumoren nachweisen.
Wie bei allen Beobachtungsstudien kann eine Verzerrung der Ergebnisse durch Störfaktoren nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. So unterschieden sich die Teilnehmerinnen der Kontrollgruppe (Gesunde) hinsichtlich zahlreicher Charakteristika von denen der Fälle (Erkrankte). Die Erkrankten waren älter, wiesen eine höhere familiäre Vorbelastung für Darmkrebs auf, hatten einen größeren Raucheranteil und wurden häufiger mit einer Hormonersatztherapie behandelt. Grund- bzw. Begleiterkrankungen der Teilnehmerinnen wurden nicht dokumentiert.
Informationen zur Ernährung wurden nur alle drei bis fünf Jahre erhoben, umfassten lediglich eine Woche und basierten auf nicht überprüfbaren Selbst-auskünften der Probandinnen. Schließlich enthält die Analyse keine Angaben zu den Darmkrebsrisiken wichtiger Milchprodukte wie z. B. Butter, Quark, Käse und Milcheis sowie zu Trinkmilch unterschiedlicher Fettgehaltstufen. Auch fehlen Informationen zum Vitamin-D-Status, der einen maßgeblichen Einfluss auf die Kalziumaufnahme hat.
Hinzu kommt, dass überwiegend weiße Frauen einer bestimmten Altersgruppe (59,7 ± 4,9 Jahre) aus einem einzigen Land (Großbritannien) in die Analyse einbezogen wurden. Damit scheidet eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf jüngere Frauen, Frauen anderer Länder und Ethnien sowie Männer jeglichen Alters aus. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass ein erhöhter Milchkonsum das Risiko für Prostatakrebs erhöhen kann (hier und hier).
Die größte Einschränkung der Studie liegt jedoch in ihrem nicht-interventionellen Charakter. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Konsum von Milch und der Entwicklung des Darmkrebsrisikos kann mit diesem Studiendesign nicht belegt werden. Daran ändert auch die zusätzlich durchgeführte Mendelsche Randomisierungsstudie nichts. Fehlende Angaben zu den absoluten Risikoverminderungen erschweren darüber hinaus die Einschätzung der tatsächlichen Effektstärke.
Wenngleich die Ergebnisse der MWS vielversprechend sind, reichen sie für eine uneingeschränkte Empfehlung zur Erhöhung des Milchkonsums zur Vorbeugung gegen Darmkrebs jedoch nicht aus. Dazu bedürfte es randomisierter kontrollierter Vergleichsstudien (RCT) von Trinkmilch z. B. gegen ein stark kalziumhaltiges Mineralwasser (400 - 650 mg/L) oder ein Kalzium-Supplement.
So bleibt vorerst nur der Rat, weiterhin konsequent auf Vorsorge zu setzen. Früh entdeckter Darmkrebs gilt heute als gut behandel- bzw. heilbar. Goldstandard der Diagnostik ist die Koloskopie. Ab April 2025 haben Männer und Frauen ab 50 Anspruch auf zwei Darmspiegelungen im Abstand von zehn Jahren. Alternativ dazu kann alle zwei Jahre ein Stuhltest auf okkultes Blut gemacht werden. Bei auffälligen Stuhltests besteht außerdem immer ein Anspruch auf eine Darmspiegelung zur weiteren Abklärung.
Ernährungsfaktoren und Schutz vor Darmkrebs: Eine aktuelle Studie zeigt, dass eine hohe Kalziumzufuhr, insbesondere durch Milch und Milchprodukte, das Risiko für Darmkrebs signifikant senken kann. Auch Ballaststoffe aus Vollkornprodukten und Obst wirken protektiv, während rotes und verarbeitetes Fleisch sowie Alkohol das Risiko erhöhen.
Studienergebnisse und Einschränkungen: Die Ergebnisse basieren auf der „Million Women Studie“, die große Zusammenhänge zwischen Ernährung und Darmkrebsrisiko zeigt. Allerdings gibt es methodische Einschränkungen, wie fehlende Randomisierung, Selbstangaben der Teilnehmerinnen und eine eingeschränkte Übertragbarkeit auf andere Bevölkerungsgruppen.
Zukünftige Empfehlungen: Trotz der vielversprechenden Hinweise reichen die Ergebnisse nicht für klare Empfehlungen zur Erhöhung des Milchkonsums aus. Weitere randomisierte Studien sind notwendig, während Vorsorgemaßnahmen wie Darmspiegelungen weiterhin essenziell bleiben.
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Sargsyan A et al. Milk Consumption and Prostate Cancer: A Systematic Review. World J Mens Health, 2021. doi: 10.5534/wjmh.200051
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