Der Wirkstoff Fezolinetant gilt als hormonfreie Rettung bei Wechseljahresbeschwerden. Nun wird vor möglichen Leberschäden gewarnt. Was steckt dahinter?
Klimakterische Beschwerden beeinträchtigen je nach Ausprägung das subjektive Lebensgefühl und die individuelle Leistungsfähigkeit von Patientinnen. Dabei kann man die Beschwerdeintensität ungefähr dritteln:
Die Indikation für eine medikamentöse Therapie ist dann gegeben, wenn klimakterische Beschwerden eine klinisch relevante Beeinträchtigung der Lebensqualität verursachen. Alternativ sollten zuvor Isoflavone und Cimicifuga-Präparate eingesetzt werden, bei Beschwerden aus dem psychosomatischen Bereich entsprechende Therapieformen.
Bei gesunden Frauen ist eine Hormonersatztherapie, kurz HRT (Hormone Replacement Therapy), eine geeignete und sichere Option zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden – vorausgesetzt, man beginnt vor dem 60. Lebensjahr oder innerhalb von 10 Jahren nach Einsetzen der Menopause. Mögliche Kontraindikationen sind:
Manche Patientinnen lehnen eine Hormontherapie generell ab.
Vor einem Jahr kam mit Fezolinetant (Veoza®) eine vielversprechende neue Therapieoption bei klimakterischen Beschwerden auf den deutschen Arzneimittelmarkt. Durch den Neurokinin-3-Rezeptor-Antagonisten wird ein bestimmtes Protein im Gehirn blockiert, das für die Temperaturregulation verantwortlich ist. Besonders für Frauen, die keine Hormonersatztherapie erhalten dürfen oder dies ausdrücklich nicht wünschen, bot sich eine hoffnungsvolle Alternative insbesondere bei starken vasomotorischen Symptomen (VMS) wie Hitzewallungen und plötzlichen Schweißausbrüchen.
Die Effektivität von Fezolinetant wurden bei postmenopausalen Frauen mit moderaten bis schweren VMS in zwei 12-wöchigen, randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studien untersucht, gefolgt von einem um 40 Wochen verlängerten Therapiezeitraum. In die Studien wurden 1.022 Frauen aufgenommen, bei denen durchschnittlich mindestens 7 moderate bis schwere VMS pro Tag auftraten. In beiden Studien wurde eine statistisch signifikante und klinisch relevante Verringerung der Häufigkeit moderater bis schwerer VMS gegenüber der Placebogruppe festgestellt.
Insbesondere für Patientinnen, die an einem Mammakarzinom erkrankt sind und unter klimakterischen Beschwerden leiden, wurde die neue Therapieoption als Alternative gesehen. In der Fachinformationen von Veoza® findet sich allerdings folgende Einschränkung:
„Frauen, die aktuell an einem östrogenabhängigen Malignom erkrankt waren, etwa einem Mammakarzinom, wurden nicht in die klinischen Studien eingeschlossen. Daher wird Fezolinetant nicht für die Anwendung in dieser Population empfohlen. Ebenfalls wurden Frauen mit vorangegangener therapierter Brustkrebserkrankung oder anderen östrogenabhängigen Malignomen nicht in die klinischen Studien aufgenommen. Die Entscheidung zur Behandlung dieser Frauen muss auf einer individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung basieren.“
Mitte Dezember 2024 warnte die FDA vor möglichen Leberschäden durch die Einnahme von Fezolinetant.
Am 13. Januar 2025 erschien ein Rote Hand Brief, der auf potenzielle Leberbeeinträchtigungen hinweist und Verhaltensmaßnahmen anordnet: Erhöhungen der Transaminasen unter der Einnahme von Veoza® wurden bereits in klinischen Studien beobachtet. Nach der Zulassung wurden schwerwiegende Laborveränderungen mit einer Erhöhung von ALT und/oder AST mit gleichzeitiger Erhöhung des Bilirubins und/oder der alkalischen Phosphatase (ALP) gemeldet. In einigen Fällen gaben Patientinnen Symptome an, die auf eine Leberschädigung hinwiesen (Pruritus, Ikterus, dunkler Urin, heller Stuhl, Übelkeit, Erbrechen, Abdominalschmerzen).
Vor Therapiebeginn sind Laborwerte zur Beurteilung der Leberfunktion zu bestimmen.
Die Behandlung mit Fezolinetant sollte unterbleiben, wenn einer der folgenden Werte ≥2 x über der oberen Normgrenze liegt:
Die Serumparameter müssen in den ersten drei Monaten nach Therapiebeginn monatlich bestimmt werden. Anschließende Kontrollen erfolgen nach klinischem Ermessen bzw. bei Symptomen, die eine Leberschädigung vermuten lassen.
Die Behandlung sollte beendet werden bei:
Die Überwachung der Leberfunktion sollte so lange fortgesetzt werden, bis sich die Laborwerte normalisiert haben bzw. bis zum Abklingen der Symptome.
In der Produktinformation von Veoza® (1) heißt es:
„Frauen mit erhöhter ALT oder AST waren im Allgemeinen asymptomatisch. Die Transaminasewerte kehrten bei Weiterführung der Dosis ohne Folgeerscheinungen auf die Werte vor der Behandlung (oder in deren Bereich) zurück; ebenso bei Unterbrechung der Dosis oder beim Absetzen. Akute Anomalien bei Lebertests können das Absetzen der Anwendung von Veoza erfordern, bis die Lebertests wieder unauffällig sind.“
Der Rote Hand Brief berichtet ebenfalls von einer allgemeinen Reversibilität der erhöhten Leberwerte und Symptome nach Absetzen von Veoza®, rät insgesamt aber zu einem abwägenden Verhalten:
„Da Veoza zur Behandlung von Symptomen bei ansonsten gesunden Frauen indiziert ist, kann das Risiko einer schwerwiegenden Leberschädigung das Nutzen-Risiko-Verhältnis erheblich beeinflussen. Aus diesem Grund muss bei Frauen mit erhöhtem Risiko für Lebererkrankungen eine Veoza-Exposition vermieden werden und eine frühzeitige Erkennung einer möglichen Leberschädigung ist von entscheidender Bedeutung.“
Die Fachinformation und Packungsbeilage werden entsprechend den neuen Risikoinformationen aktualisiert.
Die Therapie von Wechseljahresbeschwerden, insbesondere bei starken vasomotorischen Symptomen, stellt bei Kontraindikationen oder Ablehnung einer Hormonersatztherapie eine Herausforderung dar. Mit Fenzolinetant kam vor einem Jahr eine vielversprechende hormonfreie Alternative auf den Arzneimittelmarkt. Aufgrund von möglichen schwerwiegenden Leberschädigungen müssen nun vor Therapiebeginn und in den ersten drei Behandlungsmonaten Laborbestimmungen durchgeführt werden. Bei Hinweisen auf eine Leberschädigung muss das Präparat abgesetzt und ein Nachbeobachtungszeitraum bis zur Normalisierung der Serumwerte bzw. dem Abklingen der Symptome veranlasst werden.
Ein vordiagnostizierendes und im Zweifelsfall abwägendes Verhalten ist im Moment angebracht.
Bildquelle: Ivan Aleksic, Unsplash