Ob Forschung, Fortbildungen oder Aufklärung: Pharmabranche und Medizin gehen Hand in Hand. Doch das sehen einige Ärzte kritisch. Wir haben in der DocCheck Community nachgefragt, woran das liegt.
Eine gute Zusammenarbeit der Ärzteschaft mit der Pharmaindustrie ist essenziell für beide Seiten – keiner kann ohne den anderen. Dennoch werden immer wieder Stimmen von unzufriedenen Ärzten laut. Die Pharmaindustrie sei zu aufdringlich oder zu Gewinn-fokussiert. Wir haben bei Ärzten nachgefragt: Wie groß ist das Misstrauen gegenüber der Pharmaindustrie wirklich?
Insgesamt haben 110 Mediziner teilgenommen, darunter hauptsächlich Fachärzte in Niederlassung (35,0 %) und im Krankenhaus (20,4 %) und Hausärzte/Allgemeinmediziner (34,0 %). Grundsätzlich beschrieben die meisten ihre Beziehung zur Pharmaindustrie neutral (42,3 %), eher distanziert (28,8 %) oder sehr distanziert (16,3 %). Nur 11,5 % gaben eine eher enge Beziehung an; lediglich ein Teilnehmer nannte sie sehr eng.
Beurteilung der Teilnehmer zum EInfluss der Pharmaindustire auf verschiedene medizinische Bereiche. Angaben in Prozent.
Die distanzierte Haltung bedeutet aber nicht, dass Ärzte die Arbeit der Pharmabranche grundsätzlich schlecht finden, wie die Grafik zeigt. Die Förderung von Forschung und Fortbildungsveranstaltung wurde überwiegend positiv bewertet. Wenn es aber um die konkrete Patientenversorgung geht, zeigt sich ein eher gemischtes Bild. Auch gaben 36,2 % an, dass der Einfluss der Pharmaindustrie gelegentlich zu Konflikten mit den Interessen der Patientenversorgung führt – 19,0 % sagten sogar, dass dies häufig geschieht. Dem gegenüber stehen 30,5 %, die nur von seltenen Konflikten berichten und 14,3 %, die noch nie einen Konflikt hatten.
Auf die konkrete Nachfrage, was sie an der Arbeit mit der Pharmaindustrie schätzen, nannten viele Ärzte die gute Aufbereitung von Informationen – sowohl für Patienten als auch für Ärzte. Ein Hausarzt erzählte beispielsweise:
„Ich bin dankbar für Informationen der Industrie und gleiche sie mit anderen Fortbildungen [und Informationen] ab. Habe z. B. über den Einfluss von Ernährung, den Einsatz von ACE-I und Sartanen, die Behandlung von Hypertonie und Diabetes bereits 10 bis 20 Jahre vor dem Offiziell-werden in den Fortbildungen der Pharmaindustrie gelernt, [weil dort berichtet wurde, was aktuell] erforscht wird und wie es sich auswirken dürfte.“
Einige Ärzte betonten auch, wie wichtig Pharmafirmen für die Umsetzung von Studien und die Entwicklung von neuen Medikamenten sind. Ein Facharzt, der im Krankenhaus angestellt ist, gab zu bedenken:
„Die meisten neuesten Erkenntnisse für Therapien kommen aus Pharmafirmen. Warum immer so eine Missgunst?“
Auf der anderen Seite gab es aber auch sechs Teilnehmer, die angaben, dass sie keine Vorteile in der Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie sehen. Einige Ärzte bemängelten, dass Information und Aufklärung zu Medikamenten und Behandlungen häufig zu einseitig und zu werblich sei. Das habe negative Konsequenzen sowohl für Patienten als auch für Ärzte, wie ein Teilnehmer berichtet:
„Medikamente werden verschrieben, weil der Patient sie sich durch z. B. Werbematerial „wünscht“. Nicht immer ist das aber auch die beste Option. Ärzte lassen sich durch auf Fortbildungsveranstaltungen präsentierte – bewusst selektiv präsentierte – Daten und Leitlinien beeinflussen, ein bestimmtes Medikament zu verschreiben, auch wenn es gleichwertige oder schlimmstenfalls bessere Alternativen gibt.“
Ein niedergelassener Facharzt wird sogar noch deutlicher:
„Ärzte werden dressiert. Präparate, die besprochen werden, werden leichter erinnert. Wenn es ganz schief läuft, entstehen falsche Loyalitäten zu Pharmafirmen. Eher ertappe ich mich beim Gegenteil: Beim Verordnen von Präparaten, deren Lobbyarbeit nervig war, tue ich mich schwerer.“
Die „nervige Lobbyarbeit“ wurde von einigen Teilnehmern kritisiert. Insbesondere die Unterbrechung von Sprechstunden stieß vielen Ärzten sauer auf. Ein im Krankenhaus angestellter Facharzt wünschte sich, dass Pharmavertreter „keinen Druck auf meine Verordnung ausüben und meine Zeit respektieren“ und ein niedergelassener Facharzt ist sogar der Meinung, dass der Beruf des Pharmavertreters ganz verboten gehört.
Einige Ärzte berichteten auch davon, deshalb die Zusammenarbeit mit Pharmafirmen einzuschränken:
„[Ich] reduziere Termine mit Vertretern in der Praxis stark. Und [ich] gehe lieber auf Fortbildungen, die Beitrag kosten. Auf die gesponserten [gehe ich] nur mit etlichen Kollegen, um möglichst wenig angesprochen zu werden.“
Während die meisten Ärzte also den Beitrag der Pharmabranche zu Forschung und Fortbildung schätzen, werden vor allem zu aggressives Auftreten von Vertretern und zu einseitige Werbung kritisiert. Einige Ärzte äußerten den Wunsch nach „werbefreien Informationen“ und „unabhängiger Beratung und Informationen“. Dazu sagt ein niedergelassener Facharzt:
„Insbesondere die Pharmaindustrie ist interessengeleitet und damit am Profit interessiert. Einen gangbaren Weg zur Verbesserung der Zusammenarbeit kann ich mir nicht vorstellen. Welche Pharmafirma möchte schonungslos alle Daten zu einem Medikament, insbesondere die negativen, offenlegen?“
Es bleibt also ein schwieriges Spannungsfeld für Pharmaunternehmen und deren Vertreter: Tritt man zu wenig werblich und selbstbewusst auf, wird das Produkt nicht überzeugen – unabhängig davon, wie gut es ist. Ist man zu forsch, verprellt man die Ärzte. Genau die goldene Mitte zu finden, ist eine Kunst – insbesondere, da diese Mitte von Arzt zu Arzt woanders liegt. Doch so schwierig das Miteinander auch manchmal sein kann, wissen Ärzte auch: Ohne Pharmaunternehmen geht es nicht.
Bildquelle: Midjourney