Dass chronisch-entzündliche Darmerkrankungen zu Mangelernährung führen können, liegt auf der Hand. Was dann zu tun ist, fasst eine Leitlinie in 62 Empfehlungen zusammen – oder auch nicht?
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Colitis ulcerosa (CU) und vor allem Morbus Crohn (MC) wirken sich zwangsläufig auf die Versorgung des Organismus mit Nährstoffen aus. Ein entzündeter Darm kann weniger Nährstoffe resorbieren und verliert mehr davon. Erschwerend kommt hinzu, dass der Bedarf erhöht sein kann – in Krankheitsphasen täglich etwa um 5 Kilokalorien pro Kilogramm Körpergewicht – und dass Wechselwirkungen mit Medikamenten die Lage erschweren. Morbus Crohn-Patienten sind sogar gefährdet, wenn die Krankheit gerade Ruhe gibt.
Klinische Spezialkost kann den Mangel ausgleichen, für stabile Knochen sorgen und Kinder altersgemäß gedeihen lassen. Wann Diäten, Sonden-, Katheter-, oder Milchersatznahrung angezeigt ist, beschreibt die eben überarbeitete S3-Leitlinie „Klinische Ernährung bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen“, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin. Die Autoren betonen, dass sie sich vor allem auf eine europäische Leitlinie von 2023 gestützt und 47 von 62 Empfehlungen neu formuliert haben.
Neu ist etwa das Thema Adipositas, weil „die Adipositas-Epidemie auch vor der CED-Population nicht Halt macht.“ Deutliches Übergewicht erschwert nicht nur die Therapie, sondern erhöht auch das Risiko, dass sich der Darm überhaupt entzündet. Das gleiche gilt für Untergewicht.
Der Aufbau der Leitlinie ist denkbar schlicht: Klinische relevante Fragen werden mit einer oder mehreren Empfehlungen beantwortet, die jeweils ein Kommentar erläutert. Die Fragen sind sieben Kapiteln zugeordnet – viel mehr Struktur bietet die Leitlinie nicht. So fehlt etwa ein Inhaltsverzeichnis, was jedem Autoren einer Hausarbeit um die Ohren fliegen würde und die Nutzung der Leitlinie erheblich erschwert.
Deshalb hier die Kapitel im Einzelnen:
Chronische Darmentzündungen begünstigen auch Blutarmut. Deshalb rät die Leitlinie, alle Patienten unabhängig von ihrem Alter auf eine Anämie zu untersuchen sowie den Ferritinspiegel und die Transferrinsättigung zu bestimmen. Besondere Bedeutung misst die Leitlinie der nicht-ärztlichen Betreuung bei: „Als Teil eines multidisziplinären CED-Teams spielen Pflegekräfte neben zertifizierten Ernährungsfachkräften eine Schlüsselrolle. Pflegekräfte können sowohl am Ernährungsscreening als auch am Ernährungsmanagement beteiligt sein.“
Viele Empfehlungen bleiben sehr vage, was wohl an der überwiegend schwachen Studienlage liegt. Der Frage „Gibt es Untergruppen von Patienten mit MC mit besonderen Ernährungsbedürfnissen?“ folgt beispielsweise die Empfehlung: „Bei Patienten mit MC mit Darmstrikturen oder Stenosen in Kombination mit obstruktiven Symptomen kann eine Diät mit angepasster Ballaststoffqualität oder exklusive Formulanahrung, ggf. über eine Sonde, erwogen werden.“
Auf die Frage „Sind bei Patienten mit CU in der perioperativen Phase besondere Ernährungsstrategien erforderlich?“ gibt die Leitlinie die Empfehlung: „Patienten mit CU, die sich einer Operation unterziehen, sollten eine individuelle Ernährungstherapie erhalten, die vom Ernährungszustand und Schweregrad der Erkrankung abhängt.“ Hätte man sich fast denken können.
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