Es wird heiß, schützt die Alten – das ist seit jeher das Credo an Tagen mit extremer Hitze. Dabei wurde die Gruppe, die am meisten betroffen ist, lange übersehen.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Der Klimawandel setzt die Menschen weltweit häufiger warmen bis heißen Temperaturen aus – in diesem Zusammenhang wird immer wieder darüber berichtet, dass ältere Menschen wegen der höheren Temperaturen unter gesundheitlichen Problemen leiden. Auch mehrere aktuelle Studien legen nahe, dass hohe Temperaturen vor allem für ältere Menschen ein erhöhtes Sterberisiko bergen. In diesen Studien wurde meist die Lufttemperatur zugrunde gelegt.
Eine aktuelle Studie kommt jedoch zu einem anderen, überraschenden Ergebnis: Anhand von Temperatur- und Sterbedaten aus Mexiko kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass 75 Prozent der hitzebedingten Todesfälle in die Altersgruppe unter 35 Jahre fallen – ein großer Teil davon in die Gruppe von 18 bis 35 Jahren. Die Studie ist vor Kurzem in der Fachzeitschrift Science Advances erschienen.
„Das Ergebnis war für uns überraschend. Denn dies sind physiologisch gesehen die robustesten Menschen in der Bevölkerung“, sagt Jeffrey Shrader. Er ist Assistant Professor am Center for Environmental Economics and Policy, einem Partnerinstitut der Climate School der Columbia University in New York (USA) und Seniorautor der Studie.
Die Wissenschaftler wählten für ihre Studie Mexiko, ein Land mit großer klimatischer Vielfalt, das umfassende, geographisch hoch aufgelöste Daten zu den täglichen Temperaturen sowie zur Mortalität erfasst. Für ihre Analysen korrelierten Shrader und sein Team die Übersterblichkeit – die Anzahl der Todesfälle über oder unter dem Durchschnitt – mit den Temperaturen auf der so genannten Feuchtkugeltemperatur-Skala.
Diese setzt sich aus der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit zusammen: „Wir haben dieses Maß gewählt, weil heiße und zugleich feuchte Bedingungen für Menschen besonders unangenehm und besonders gefährlich sind“, erläutert Shrader. „Die Feuchtkugeltemperatur steigt, wenn die Luftfeuchtigkeit bei gleichbleibender Temperatur ansteigt. Bei einer Temperatur von 30 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent liegt sie zum Beispiel bei 22 Grad. Steigt die Luftfeuchtigkeit auf 90 Prozent, beträgt sie 29 Grad.“ Ein Tool zur Berechnung der Feuchtkugeltemperatur findet sich hier.
Die Wissenschaftler bezogen in ihre Analyse Daten von 1998 bis 2019 – also bis vor Beginn der Corona-Pandemie – ein. In diesem Zeitraum traten in Mexiko durchschnittlich 3.300 hitzebedingte Todesfälle pro Jahr auf. Etwa ein Drittel fiel dabei in die Altersgruppe von 18 bis 35 Jahre – deutlich mehr als es der Anteil dieser Altersgruppe an der Bevölkerung erwarten ließe. Eine weitere Altersgruppe, in der viele hitzebedingte Todesfälle beobachtet wurden, waren Kinder unter fünf Jahren. Dagegen war die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in der Altersgruppe von 50 bis 70 Jahren verhältnismäßig am geringsten.
„Daraus leiten wir ab, dass hitzebedingte Todesfälle in Zukunft mit ansteigenden Temperaturen weiter zunehmen werden und dass junge Menschen davon am stärksten betroffen sein werden“, sagt Daniel Bressler, Doktorand an der Climate School der Columbia University und einer der beiden Erstautoren der Studie.
Bisherige Studien haben ergeben, dass Arbeiter bei Feuchtkugeltemperaturen ab 27 Grad mit Problemen kämpfen. Das entspricht je nach Luftfeuchtigkeit Temperaturen zwischen 30 und 40 Grad. Laut der aktuellen Studie sind Feuchtkugeltemperaturen um 13 Grad – also in etwa 22 Grad bei 40 Prozent Luftfeuchtigkeit – für junge Menschen ideal. Die meisten hitzebedingten Todesfälle wurden bei Feuchtkugeltemperaturen von 23 bis 24 Grad beobachtet. Das entspricht Temperaturen im oberen 20-Grad-Bereich bei hoher Luftfeuchtigkeit. „Dies könnte zum Teil daran liegen, dass solche Temperaturen deutlich häufiger vorkommen als höhere Temperaturen“, schreiben die Autoren.
Welche Faktoren im Einzelnen zu einer erhöhten hitzebedingten Sterblichkeit beigetragen haben, ist bisher unklar. Die Wissenschaftler nennen mehrere Faktoren, die hier eine Rolle spielen könnten: So arbeiten insbesondere junge Menschen in körperlich anstrengenden Berufen im Freien, etwa auf Baustellen oder in der Landwirtschaft – oder in nicht klimatisierten Innenräumen. „Damit sind sie gesundheitlichen Risiken wie Dehydration oder Hitzschlag besonders ausgesetzt“, betonen die Autoren.
Weiterhin treiben vermutlich mehr jüngere als ältere Menschen bei heißem Wetter anstrengenden Sport im Freien. Junge Menschen haben häufig auch geringere finanzielle Ressourcen, müssen daher unter ungünstigeren Arbeitsbedingungen arbeiten und sind möglicherweise schlechter ausgestattet, etwa mit einer Klimaanlage in der Wohnung.
Inwieweit individuelle Faktoren, etwa gesundheitliche Risikofaktoren wie Übergewicht oder Vorerkrankungen, zu den Ergebnissen beigetragen haben, wurde in der Studie nicht untersucht. Mexiko ist ein Land mit hoher Rate an Übergewicht und Adipositas, was das hitzebedingte Sterberisiko begünstigen könnte. „Allerdings ist in Mexiko der Prozentsatz von Adipositas in der Altersgruppe von 40 bis 59 Jahren am höchsten – eine Gruppe, in der wir eine relativ geringe hitzebedingte Sterblichkeit gesehen haben“, erläutert Shrader.
Dass Kleinkinder und Babys besonders anfällig für hohe Temperaturen sind, ist dagegen weniger überraschend: „Ihre Körper nehmen Hitze schnell auf und ihre Fähigkeit, zu schwitzen und sich auf diese Weise abzukühlen, ist noch nicht voll entwickelt“, sagt Shrader. „Außerdem ist ihr Immunsystem noch in der Entwicklung und sie sind anfälliger für Krankheiten, die bei feuchter Hitze häufiger auftreten, etwa Infektionskrankheiten oder Durchfallerkrankungen.“
Mithilfe der Daten aus Mexiko fanden die Forscher auch heraus, dass vor allem bei kalten und nicht bei warmen Temperaturen eine Übersterblichkeit bei älteren Menschen besteht. So traten 96 Prozent der mit Kälte assoziierten Todesfälle bei Menschen über 50 Jahren auf – die meisten davon bei Menschen über 70 Jahren. „Ältere Menschen haben, neben anderen Faktoren, eine geringere Körperkerntemperatur und reagieren daher empfindlicher auf Kälte“, erläutern die Autoren. „Das führt möglicherweise auch dazu, dass sie sich bei kalten Temperaturen eher in Innenräumen aufhalten, wo ansteckende Krankheiten leichter übertragen werden können.“
Forschungsarbeiten haben zudem gezeigt, dass die meisten temperaturbedingten Todesfälle weltweit nicht auf Hitze, sondern auf Kälte zurückgehen. Allerdings ist der Anteil der hitze-assoziierten Todesfälle seit dem Jahr 2000 gestiegen und wird vermutlich weiter ansteigen. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass sich der Hauptanteil der temperaturbedingten Todesfälle dabei von älteren hin zu jüngeren Menschen verlagern wird.
Die neuen Ergebnisse seien weltweit relevant, betonen die Forscher. So ist Mexiko ein Land mit mittlerem Einkommen, sein Bevölkerungsanteil unter 35 Jahren liegt etwa im weltweiten Durchschnitt. „Dagegen gibt es viele heißere Länder, die ärmer sind und einen deutlich höheren Anteil an jungen Menschen haben – sowie einen höheren Bevölkerungsanteil, der in körperlich anstrengenden Berufen arbeitet“, sagt Shrader. „In diesen Ländern könnte die hitzebedingte Sterblichkeit daher deutlich höher liegen.“
Wichtig sei nun, die Faktoren, die zu einer erhöhten hitzebedingten Sterblichkeit beitragen, in weiteren Studien zu untersuchen, betonen die Autoren: „Mexiko hat exzellente Daten über Arbeitskräfte. Diese möchten wir in zukünftigen Studien nutzen, um den Einfluss von Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit auf Arbeitende, die unterschiedlichen Bedingungen ausgesetzt sind und den Zusammenhang mit der Sterblichkeit besser zu verstehen“, sagt Shrader. „Wichtig wäre auch, ähnliche Studien in weiteren Ländern durchzuführen, die unterschiedliche Altersverteilungen, eine unterschiedliche Zusammensetzung von Berufen und andere Gesundheitssysteme haben.“ Das Forscherteam selbst plant, ähnliche Studien auch in Brasilien und den USA durchzuführen.
Die Ergebnisse dieser und zukünftiger Studien können die Grundlage bilden, um effektive Maßnahmen zur Vermeidung hitzebedingter gesundheitlicher Probleme und Todesfälle zu entwickeln. „Ein wichtiger Aspekt ist dabei, Menschen, die hohen Temperaturen ausgesetzt sind, darüber zu informieren, was Anzeichen von Überhitzung sind und wie sie sich davor schützen können“, erläutert Shrader. „Dazu gehört etwa, ausreichend zu trinken, regelmäßig Pausen zu machen oder sich vorübergehend an einen kühleren Ort zu begeben.“ So wurden in einigen Ländern, etwa in den USA, bereits Regelungen zur Vorbeugung von hitzebedingten körperlichen Schäden und Erkrankungen beim Arbeiten im Freien und in Innenräumen eingeführt.
Zusammenfassung für Eilige:
Betroffene Altersgruppen: Eine überraschend hohe Anzahl hitzebedingter Todesfälle betrifft junge Menschen unter 35 Jahren, insbesondere jene zwischen 18 und 35, während ältere Menschen häufiger bei Kälte sterben.
Risikofaktoren: Junge Menschen sind aufgrund körperlich anstrengender Berufe, schlechterer Arbeitsbedingungen, mangelnder Klimatisierung und riskanter Freizeitaktivitäten stärker von Hitze betroffen.
Zukünftige Maßnahmen: Um die hitzebedingte Sterblichkeit zu reduzieren, sind weitere Studien erforderlich, um Ursachen besser zu verstehen und gezielte Schutzmaßnahmen wie Arbeitsregulierungen und Aufklärungskampagnen zu etablieren.
Bildquelle: Ben Iwara, Unsplash