Eine neue Hypothese legt nahe, dass auch die Zellen, die für unsere Wundheilung zuständig sind, einem Tag-Nacht-Rhythmus unterliegen. Verletzungen, die tagsüber auftreten, heilen schneller als Blessuren zu später Stunde. Lässt sich dieser Mechanismus manipulieren?
Schäden am Gewebe führen zur Proliferation von Fibroblasten. Diese Zellen spielen bei der Wundheilung eine zentrale Rolle, da sie Defekte mit Kollagenfasern aufzufüllen. Molekularbiologen zeigen jetzt, dass die Aktivität von Fibroblasten bestimmten Tag-Nacht-Rhythmen folgt. Bislang waren diese sogenannten zirkadianen Rhythmen vor allem im Zusammenhang mit dem Hormonhaushalt bekannt.
Nathaniel P. Hoyle vom MRC Laboratory of Molecular Biology in Cambridge, beobachtete die zeitabhängige Expression von Proteinen in Fibroblasten über zwei Tag-Nacht-Zyklen hinweg. Ihm fiel auf, dass es entscheidende Unterschiede gab. Von 1.608 Proteinen veränderte sich bei 237 die Konzentration gemäß der zellulären Uhr. Viele Eiweiße waren an der Reorganisation des Zytoskeletts beteiligt, eine Voraussetzung für Zellen in offene Wunden zu wandern, um Gewebe zu reparieren. Die Unterschiede wurden im Video erfasst: „Wir konnten zeigen, dass die täglichen Zyklen, die unsere innere Uhr steuert, darauf Einfluss haben, wie gut Zellen beschädigtes Gewebe reparieren, indem sie ein essenzielles Strukturprotein namens Aktin beeinflussen“, erläutert Hoyle. Tagsüber waren einige der zugehörigen Gene deutlich aktiver als nachts. Die zelluläre Uhr moduliert Aktin-abhängige Prozesse wie Zellmigration und Adhäsion und damit auch die Effektivität der Wundheilung. „Weitere Forschung zu der Verbindung zwischen Körperuhr und Regenerationsvorgängen könnten uns helfen, Medikamente zu entwickeln, die eine fehlerhafte Wundheilung verhindern oder die Operationsergebnisse zu verbessern“, hofft Hoyle.
Allerdings haben Laborexperimente ihre Grenzen. Nicht jeder Aspekt lässt sich auf die Praxis übertragen. Deshalb machte sich Hoyle auf die Suche nach klinischen Entsprechungen. Er analysierte Aufzeichnungen von 118 Patienten mit Brandverletzungen aus der International Burn Injury Database. Erlitten Patienten zwischen 20:00 und 8:00 Uhr Verbrennungen, benötigten die Verletzungen im Vergleich zu Verbrennungen, die sich tagsüber zutrugen, durchschnittlich 60 Prozent mehr Zeit, um zu heilen. Der Unterschied lag bei 28 versus 17 Tagen. Hier sehen die Forscher nur eine Assoziation aber keine Kausalität. Ihre In-Vitro-Daten festigen aber die Hypothese.
Hoyle und Kollegen sehen mehrere Möglichkeiten, ihre Forschung für Patienten einzusetzen. Zum Beispiel könnte man Eingriffe so planen, dass man sie zu dem für den Heilungsprozess optimalen Zeitpunk durchführt. Aber selbst bei Unfällen, die nachts geschehen, könnte es vielleicht gelingen, zirkadiane Rhythmen zu manipulieren und die Wundheilung zu beeinflussen: etwa durch Lichtquellen oder Pharmaka. Ob das funktioniert, müssen weitere Experimente zeigen.