Während man eine Parkinson-Erkrankung in den ersten Jahren meist gut kontrollieren kann, wird sie in den späteren Jahren zunehmend unberechenbar. Wie Ärzte schnell auf auftretende Symptome reagieren können, erfahrt ihr hier.
„Warum behandeln wir eigentlich?“, fragt Prof. David Weise zu Beginn der DocCheck CME-Veranstaltung „Parkinson im Fokus: Von der Früherkennung bis zur gezielten Therapie“. Er ist Chefarzt der Klinik Neurologie am Asklepios Fachklinikum Stadtroda und berichtet, dass Parkinson-Patienten diese Frage häufig stellen, denn „Stand jetzt ist, dass wir durch die Behandlung die Krankheit nicht aufhalten können.“ Trotzdem könne man die Symptome reduzieren und die Lebensqualität verbessern. Den richtigen Therapieplan zu finden und immer wieder anzupassen, ist allerdings alles andere als trivial. Prof. Weise und sein Kollege Prof. Sebastian Paus, Chefarzt der Neurologie der GFO Kliniken Troisdorf, geben einen Überblick über den aktuellen Stand.
In Deutschland leiden ca. 400.000 Menschen an einer Parkinson-Erkrankung, Tendenz steigend. Bei den Symptomen denken Ärzte häufig an die motorischen Symptome, wie Tremor, Bradykinese oder Dyskinesien. Weise mahnt aber, auch die nicht-motorischen Symptome gut im Blick zu behalten. Dazu zählen neben REM-Schlafstörungen unter anderem Depressionen, Angststörungen, Fatigue, Obstipation und kognitive Einschränkungen – und auch diese können die Lebensqualität der Betroffenen erheblich einschränken.
Bei der Therapie geht es in erster Linie darum, den Parkinson-assoziierten Dopaminmangel in den Griff zu bekommen. Dafür gibt es drei Medikamentenklassen:
Auch im zweiten Teil der Veranstaltung, geführt von Prof. Paus, geht es um Wirkungsfluktuationen: „Wir haben in vielen Fällen nach 5 bis 15 Jahren die gute und einfach zu behandelnde Phase leider verlassen“, erklärt er. Dann kommt es immer häufiger zu so genannten OFF-Phasen, in denen die Medikamente geringere bis gar keine Wirkung mehr zeigen und sowohl motorische als auch nicht-motorische Symptome auftreten.
Im weiteren Verlauf treten diese OFF-Phasen immer öfter, länger und unregelmäßiger auf. Das liegt vermutlich an der fortschreitenden Neurodegeneration und der damit verbundenen Veränderung der Dopaminrezeptoren, so Paus. Als grobe Faustregel kann man sagen, dass pro Jahr die Wirkungsfluktuationen um 10 % zu nehmen, ergänzt Prof. Weise.Zunehmende Wirkungsfluktuation von L-Dopa. Credit: Nyholm
Gerade für Hausärzte sei es wichtig, die Frühzeichen für die Wirkungsfluktuationen zu erkennen, betont Paus. Wenn Patienten berichten, dass ihre Medikamente nicht mehr so lange wirken oder sie unruhiger werden oder wenn die Ärzte selbst beobachten, dass die Patienten auf ihren Stühlen wackeln, sollten sie an einen Neurologen überwiesen werden.
Um den OFF-Phasen entgegenzuwirken, gibt es mehrere Strategien. Die erste ist, den Medikamentenplan anzupassen. Da Dyskinesien auch durch eine Überdosierung von L-Dopa verursacht werden können, ist der erste Schritt, die L-Dopa-Dosierung zu überprüfen. Wenn das nicht hilft, sollte die Medikamentendosis in kleineren Schritten über den Tag verteilt werden, zudem können noch andere Präparate wie COMT-Inhibitoren hinzugezogen werden. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, „im therapeutischen Fenster – das immer kleiner wird – zu landen“, erklärt Paus.
Eine solche Verteilung führt allerdings unweigerlich dazu, dass der Medikamentenplan immer komplizierter wird. Wenn Patienten alle paar Stunden verschiedene Tabletten einnehmen müssen, sinkt die Therapieadhärenz massiv. Eine Studie zeigte sogar, dass bei multiplen Dosen die ärztliche Verordnung nur noch in 3 % der Fälle eingehalten wird. Deshalb sollte zum richtigen Zeitpunkt mit einer intensivierten Therapie begonnen werden.
Laut dem Delphi-Consensus wird der Start einer intensivierten Therapie nach den 5-2-1-Kriterien entschieden. Dabei weist der Patient folgende Merkmale auf:
Die intensivierte Therapie besteht entweder aus einer subkutanen oder jejunalen Pumpe oder der tiefen Hirnstimulation. Die Pumpen haben den Vorteil, dass die Patienten sie testen können. Zudem sind sie auch für Patienten über 70 und Patienten mit einer leichten bis mäßigen, im Einzelfall auch schweren Demenz empfohlen. Auf der anderen Seite bietet die tiefe Hirnstimulation den Vorteil, dass sie eine größere Unabhängigkeit der Patienten ermöglichen, da sie nicht an eine Pumpe gebunden sind. Außerdem stellt sie eine gute Alternative für Patienten mit Tremor dar, die Pumpen nicht gut bedienen können. Welches Verfahren für welchen Patienten am besten geeignet ist, muss aber immer individuell entschieden werden, betont Paus.
Zum Abschluss geht Paus noch einmal auf die nicht-motorischen Symptome ein, die mit der Zunahme der OFF-Phasen ebenfalls schlimmer werden. Denn auch diese können für die Betroffenen enorm belastend sein, werden aber häufig nicht ausreichend von Ärzten wahrgenommen und adäquat behandelt. Deshalb ruft er dazu auf, auch nach Anzeichen von psychischen oder körperlichen Störungen Ausschau zu halten: Gerade bei kognitiven Störungen „haben wir großen Nachholbedarf“, betont Paus. Bei den ersten Merkmalen von Demenz sollte man frühzeitig eingreifen, beispielsweise mit kognitiven Übungen und später auch mit Rivastigmin – dem einzigen Medikament, das aktuell für Demenz bei Parkinson zugelassen ist.
Aber auch bei anderen nicht-motorischen Störungen sollte die Behandlung nicht verschlafen werden. „Da will ich nochmal draufhinweisen“, sagt Paus. „Für jede nicht-motorische Störung gibt es symptomatische Behandlungsoptionen.“ Und die sollten auch ausgeschöpft werden.
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