Die biologische Alterung ist kein linearer Prozess: Forscher konnten eine starke Dysregulation mehrerer Teilschritte des Stoffwechsels feststellen – und das zu ganz bestimmten Zeitpunkten.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Bei der biologischen Alterung verändern sich Struktur und Funktion von Zellen, Gewebe und Organen. Entscheidend sind genetische Faktoren, Umwelteinflüsse und Lebensstil-Faktoren. Im Unterschied zum chronologischen Alter beschreibt die biologische Alterung den tatsächlichen Zustand. Eine zentrale Frage beschäftigt Forscher schon recht lange: Laufen die biologische und die chronologische Alterung wirklich synchron?
Mit dem Thema haben sich Wissenschaftler der Stanford University School of Medicine, USA, befasst. Ihre Kohorte schloss 108 Teilnehmer zwischen 25 und 75 Jahren (Median 55,7 Jahre) ein. Rund die Hälfte waren Frauen.
Sie wurden alle drei bis sechs Monate kontaktiert, um Blutproben, Stuhlproben und Abstriche für Analysen zu sammeln. Der mediane Beobachtungszeitraum lag bei 1,7 Jahren. Ziel dieser Längsschnittanalyse war, Veränderungen bei denselben Individuen im Laufe der Zeit zu beobachten.
Die Forscher untersuchten alle Proben mit Omics-Technologien:
Jenseits der Omics-Technologien haben die Forscher auch eine Routinediagnostik durchgeführt (Stoffwechselprofil, großes Blutbild, Nieren- und Leberprofile, C-reaktives Protein).
Das Team verfolgte altersbedingte Veränderungen in mehr als 135.000 verschiedenen Molekülen und Mikroben mit der Zeit. Insgesamt lagen ihnen knapp 250 Milliarden Datenpunkte vor.
Die Studie ergab recht überraschend, dass sich nur 6,6 Prozent aller Moleküle linear mit fortschreitenden Lebensjahren verändern; 81 Prozent zeigten nichtlineare Änderungen. Diese molekularen Muster waren in allen Omics-Untersuchungen zu beobachten.
Als die Wissenschaftler nach Molekülclustern mit den stärksten Schwankungen suchten, stellten sie fest, dass Veränderungen in zwei Zeiträumen am stärksten ausfielen: Wenn Probanden Mitte 40 oder Anfang 60 waren.
Zahl der Molekülcluster, die sich im Laufe der Lebensjahre ändern. Quelle: Shen et al.
Der Effekt bei Teilnehmern in den 40er-Jahren überraschte die Wissenschaftler. Zunächst gingen sie davon aus, dass die Menopause oder die Perimenopause Ursache für große Veränderungen bei Probandinnen waren – und es deshalb zu Verzerrungen gekommen ist.
Beim Aufschlüsseln der Daten nach Geschlecht stellten sie fest, dass solche Effekte auch bei Männern in den 40er-Jahren aufgetreten sind: „Dies deutet darauf hin, dass die Menopause oder Perimenopause zwar zu Veränderungen beitragen kann, es aber wahrscheinlich andere, bedeutendere Faktoren gibt, die sowohl bei Männern als auch bei Frauen auftreten“, schreiben die Autoren.
Bei Menschen in den Vierzigern fand das Team signifikante Veränderungen in der Anzahl von Molekülen, die mit dem Alkohol-, Koffein- und Fettstoffwechsel, mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie mit der Funktion von Haut und Muskeln in Zusammenhang stehen. Schwankungen bei Probanden in den Sechzigern waren mit dem Kohlenhydrat- und Koffeinstoffwechsel, der Immunregulierung, mit der Nierenfunktion, mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie mit der Funktion von Haut und Muskeln assoziiert.
Das deckt sich mit Beobachtungen aus epidemiologischen Studien. Die Prävalenzen von neurologischen Erkrankungen und von Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufen sich im Alter von etwa 40 bzw. 60 Jahren.
Bleibt als Limitation: Möglicherweise sind einige dieser Effekte nicht auf die Alterung zurückzuführen, sondern hängen mit Lebensstil- oder Verhaltensfaktoren zusammen, die in diesen Altersgruppen häufiger auftreten.
Die Ergebnisse sind bemerkenswert, weil Forscher spezifische Muster im Alterungsprozess gefunden haben, die auf zwei relevante Sprünge hindeuten.
Weitere Studien sollen die Ursachen solcher Veränderungen klären. Davon unabhängig raten die Autoren allen Menschen, auf ihre Gesundheit zu achten – insbesondere in ihren 40er- und 60er-Jahren. So könnte es sich lohnen, vor diesen Zeitpunkten mehr Sport zu treiben und in den 40er-Jahren den Alkoholkonsum stark einzuschränken.
Zusammenfassung für Eilige:
Bildquelle: Andrei Castana, Unsplash