Die Abwahl der ABDA-Präsidentin ohne Gegenkandidat löste ein politisches Erdbeben aus. Wie es zu diesem Eklat kam und was das für Apos vor Ort bedeutet.
Die Nachricht schlug ein wie ein Blitz: Gabriele Regina Overwiening, bisherige Präsidentin der ABDA, wurde nicht für eine zweite Amtszeit gewählt. Eine Mehrheit der Delegierten sprach ihr das Vertrauen ab – und das, obwohl es keinen Gegenkandidaten gab. Das Ergebnis? Eine Führungskrise in einem Moment, der für die Apotheken in Deutschland kaum ungünstiger sein könnte.
48 Prozent stimmten für Overwiening, 52 Prozent dagegen – diese Zahlen sprechen für sich. Doch die eigentliche Botschaft ist klar: Das Misstrauen in die bisherige Führung ist tiefgreifend. Branchendienste sprechen von einem „maximalen Misstrauensbeweis“, auch innerhalb der Apothekerschaft wird das Ergebnis als Denkzettel verstanden. Doch dieser Denkzettel wirft Fragen auf: War das Misstrauen tatsächlich so groß, dass es einen solchen Wechsel um jeden Preis rechtfertigt? Oder war die Abwahl ein taktisches Manöver, das nach hinten losging?
Die Vermutung liegt nahe, dass einige Delegierte Overwiening lediglich abstrafen wollten – vielleicht, um ihren Frust über die Richtung der ABDA-Politik zum Ausdruck zu bringen. Doch ohne einen klaren Alternativkandidaten hat diese Strategie die Standesvertretung nun in eine Krise gestürzt: Gerade jetzt, kurz vor der Bundestagswahl, wo eine starke und geeinte Stimme der Apothekerschaft entscheidend wäre, ist die ABDA gelähmt.
In ihrer Bilanz sprach Overwiening von wichtigen Errungenschaften: Die Etablierung des Impfens als Regelleistung in Apotheken, die Einführung pharmazeutischer Dienstleistungen und die Abschaffung der umstrittenen Präqualifizierung. Doch ihre Kritiker sehen das anders. Zu devot gegenüber der Politik, zu defensiv in der Kommunikation – so lauten die Vorwürfe. Die Apotheker vor Ort, die mit wirtschaftlichen und personellen Herausforderungen kämpfen, fühlen sich von ihrer Standesvertretung im Stich gelassen.
Ein Apotheker brachte es in einem Kommentar auf den Punkt: „Gearbeitet hat die ABDA als Lobby der Politik, um deren Wünsche in den Apotheken durchzusetzen. Gedacht war sie als Lobby der Apotheken, um deren Wünsche in der Politik durchzusetzen.“ Dieser Perspektivwechsel ist es, der viele frustriert. Overwiening mag einige Fortschritte erzielt haben, aber ihre Amtszeit war auch geprägt von einer zunehmend entfremdeten Basis.
Doch war Overwiening dafür ganz allein verantwortlich? Wohl kaum. Viele Kritiker weisen darauf hin, dass das Problem tiefer liegt: in den Strukturen der ABDA selbst. Ein „Augiasstall“ gar, der dringend ausgemistet gehört. Jahrelange Intransparenz, ein elitärer Stil und Entscheidungen, die an der Basis vorbeigingen, haben das Vertrauen zerstört. Overwienings Vorgänger waren zudem kaum sichtbarer, ihre Amtsführung kaum mutiger. Doch Overwiening war das Gesicht dieser Probleme, und letztlich wurde sie dafür zur Verantwortung gezogen.
Die Apothekerschaft steht jetzt an einem Scheideweg. Die Abwahl Overwienings kann entweder den Weg für einen echten Wandel ebnen oder in einem Führungsvakuum münden. Die Rufe nach Reformen werden lauter: Eine stärkere Einbindung der Basis, mehr Transparenz und eine klare Fokussierung auf die wirtschaftlichen und beruflichen Interessen der Apotheken.
Einige fordern, dass die ABDA endlich aus ihrem defensiven Modus herauskommt. In den sozialen Medien liest man den Ruf nach einer „Rampensau, die auch mal poltert, wenn es angebracht ist“. Die Apothekerschaft will keine „Herzchen-Postkarten“ und „rote T-Shirt-Aktionen“, sie will eine starke Lobby, die ihre Interessen in der Politik effektiv vertritt.
Die kommenden Wochen und Monate werden entscheidend sein. Wird es der ABDA gelingen, einen Konsenskandidaten zu finden, der die Apothekerschaft eint? Oder wird die aktuelle Krise die ohnehin angeschlagene Standesvertretung weiter schwächen?
Für die Apotheken vor Ort ist klar: Es braucht eine Führung, die für sie kämpft – mit Nachdruck, mit Transparenz und mit dem Mut, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Gabriele Overwiening mag gescheitert sein, aber ihr Scheitern könnte ein Wendepunkt für die Apothekerschaft sein – wenn die richtigen Lehren daraus gezogen werden.
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