Im bayerischen Traunstein schlägt ein Studiengang zum „Bachelor of Science Homöopathie EUH“ hohe Wellen. Nach umfangreichen Vorbereitungen kam das überraschende Aus – durch massive Kritik der Gegner, aber auch durch Schwächen im Zulassungsverfahren.
Ein Blick zurück: Bereits Anfang 2011 nahmen Vertreter der Europäischen Union für Homöopathie (EUH) Kontakt zur Steinbeis-Hochschule Berlin (SHB) auf: einer privaten, staatlich anerkannten Hochschule mit Promotionsrecht in Berlin, die in ihrer Gesamtheit nie vom Wissenschaftsrat akkreditiert worden ist. Erklärtes Ziel der Alternativmediziner: die Entwicklung eines speziellen Studiengangs „Bachelor of Science Homöopathie“.
Wie SHB-Präsident Professor Dr. Johann Löhn berichtet, durchläuft jeder neue Studiengang einen standardisierten Prozess. Alles beginnt mit der Erstellung einer Studien- und Prüfungsordnung und der Gründung eines Steinbeis-Transfer-Instituts – bislang sind es rund 170 an der Zahl. Weiter geht es mit einem Beschluss des Hochschulrats und einer Genehmigung durch die Berliner Senatsverwaltung. Senatsvertreter führen jedoch keine inhaltliche Bewertung durch – das sollte beim Akkreditierungsverfahren geschehen. Ist die Hochschule selbst nach geltenden Standards etabliert, wird auch der Akkreditierungsrat respektive dessen Agentur beim neuen Studiengang zustimmen. Damit hat sich ein System zur wissenschaftlichen Kontrolle in weiten Teilen selbst ausgehebelt. Umso kontroverser wird in der Öffentlichkeit diskutiert.
Befürworter des Studiengangs verweisen vor allem auf eine Metaanalyse des schwedischen Arztes Robert Hahn. Er kritisiert, der oft zitierte Beweis der Unwirksamkeit von Homöopathika halte wissenschaftlichen Prüfungen nicht stand. Vielmehr hätten Forscher 90 Prozent aller klinischen Studien ignoriert und nicht kommentiert. Zum Hintergrund: Bereits 1997 fand Klaus Linde 119 randomisierte, placebokontrollierte Vergleichsstudien. Er nahm 89 in seine Metaanalyse auf und erhielt 2,45 als Odds Ratio gegenüber Placebo. Aijing Shang führte später Funnel Plots an, sprich grafische Auswertungen, die einen Verdacht auf Publikationsbias nahe legten. Deshalb schloss er etliche Veröffentlichungen aus. „Falls ein entsprechender Bias bei der Analyse berücksichtigt wurde, gab es schwache Hinweise für eine spezifische Wirkung von homöopathischen Mitteln, aber deutliche Hinweise auf spezifische Effekte der konventionellen Eingriffe“, resümierte Shang. „Dieser Befund ist mit der Vorstellung, dass die klinischen Effekte der Homöopathie Placebo-Effekte sind, kompatibel.“ Robert Hahn entgegnete: „Um den Schluss ziehen zu können, dass Homöopathie einer klinischen Wirkung entbehrt, müssten 90 Prozent der vorhandenen klinischen Studien außer Acht gelassen werden. Alternativ müssten fehlerhafte statistische Methoden angewendet werden.“
Gegner des geplanten Homöopathie-Studiengangs, allen voran die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung der Parawissenschaften (GWUP), befassten sich mit den zitierten Veröffentlichungen. So hat GWUP-Mitglied Dr. Norbert Aust Hahns Arbeit im Detail kommentiert. „Die Vorbehalte, die Hahn den Metaanalysen entgegenbringt, sind aus meiner Sicht nachvollziehbar und berechtigt“, so Aust. „Die Problematik liegt allerdings nicht darin, dass Studien ausgeschlossen wurden, sondern dass hierfür die falschen Kriterien verwendet wurden.“ Seiner Ansicht nach fließt die Richtigkeit der Studienausführung, insbesondere Datenermittlung und -auswertung, bislang nicht in die Bewertung der Qualität ein. „Auch wenn man Hahns Kritik an den Metaanalysen akzeptiert; das, was die Homöopathen aus der Arbeit herauslesen, steht aber ganz offensichtlich nicht drin“, kommentiert der Kollege in seinem Blog. „Dass die Arbeit zu dem Fazit käme, dass die meisten Studien zu einem positiven Ergebnis kämen, ist schlicht nicht zutreffend.“
Mit der rein fachlichen Argumentation ließ es Aust jedoch nicht bewenden. Parallel zu seinen Ausführungen kontaktierte er Landrat und Oberbürgermeister. Sein Argument: Um akademische Grade zu verleihen, fehle die staatliche Legitimation. Dieser Weg erwies sich als Sackgasse – bei der neuen Akademie hätten Artikel 76 und 86 des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG) gegriffen: Träger außerhalb des Freistaats sind durchaus berechtigt, Studiengänge zu etablieren und Titel zu verleihen. Davon ließ sich der GWUP-Vertreter nicht beirren. In einem offenen Brief kontaktierte er die Berliner Senatsverwaltung. Sein Credo: „Überprüfen Sie die Freigabe des Homöo-Studiengangs!“
Vom medialen Shitstorm überrascht, zog die Steinbeis-Hochschule Berlin ihre Konsequenzen. „Inzwischen hat die Diskussion über diesen BSc die sachliche Ebene verlassen“, kritisiert deren Präsident Johann Löhn. „Für diese Ebene steht die SHB nicht zur Verfügung.“ Ende März wurden deshalb alle weiteren Planungen auf Eis gelegt. Eine entsprechende Information ging an die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Rein formal gilt deren Zustimmung aber nach wie vor. Löhns Resümee: „Es muss innerhalb der akademischen Community geklärt werden, ob ein Studiengang Homöopathie in dem Katalog der inzwischen inflationären Anzahl von Studiengängen, die durchaus nicht immer den Eindruck von wissenschaftlichem Hintergrund vermitteln, ein Platz für Homöopathie ist.“