Zum Bus sprinten oder schwere Einkäufe schleppen – solche kurzen Trainingseinheiten im Alltag können das Kardio-Risiko senken. Doch profitiert wirklich jeder davon?
Bewegungsmangel scheint in der Bevölkerung immer weiter verbreitet zu sein. Insbesondere während der COVID-19-Pandemie konnten Studien eine Abnahme von Aktivität und Bewegung verzeichnen. Wilke et al. kamen zu dem Ergebnis, dass im April und Mai 2020 die mäßige sportliche Aktivität der Befragten im Schnitt um 41 % und die intensive sportliche Betätigung um 42 % abnahm. Zudem scheint auch die Arbeit im Homeoffice einen Bewegungsmangel zu begünstigen. Die WHO empfiehlt für Erwachsene wöchentlich mindestens 150–300 Minuten körperliche Aktivität von moderater Intensität. Es gilt jedoch die Annahme, dass jeder Schritt, jede Etage und jede Minute körperlicher Aktivität und Bewegung für die kardiovaskuläre Gesundheit von Bedeutung ist.
In einer aktuellen Studie, erschienen im British Journal of Sports Medicine, untersuchten die Forscher den Einfluss von kurzen Phasen intensiver körperlicher Aktivität im Alltag (vigorous intermittent lifestyle physical activity – VILPA) auf die kardiovaskuläre Gesundheit. Zu diesen Aktivitäten können zum Beispiel Treppensteigen, Gartenarbeit, Haushaltsarbeiten, schnelles Gehen und Laufen oder das Tragen von Einkäufen zählen. Insbesondere legte das Forscherteam einen Schwerpunkt auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Dosis-Wirkungs-Assoziation von VILPA mit schwerwiegenden unerwünschten kardiovaskulären Ereignissen.
Stamatakis et al. untersuchten die Assoziationen der täglichen VILPA-Dauer mit dem Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse wie einem Myokardinfarkt, einer Herzinsuffizienz, einem Schlaganfall oder einem schweren kardiovaskulärem Ereigniss (MACE) bei Nicht-Trainierenden in der UK Biobank. Zudem führten sie analoge Analysen für eine intensive körperliche Aktivität bei Trainierenden durch.
Bei den 13.018 Frauen und 9.350 Männern kam es über einen Zeitraum von 7,9 Jahren zu 331 bzw. 488 kardiovaskulären Ereignissen. Bei den Frauen zeigte die tägliche VILPA-Dauer eine nahezu lineare Dosis-Wirkungs-Assoziation mit dem Auftreten von Myokardinfarkten und der Entwicklung einer Herzinsuffizienz. Bei Männern waren die Dosis-Reaktions-Kurven weniger klar und es gab weniger Hinweise auf eine statistische Signifikanz. Im Vergleich zu Frauen ohne VILPA war die mediane tägliche VILPA-Dauer von 3,4 Minuten bei Frauen mit Hazard Ratios (HR; 95 % Konfidenzintervalle) von
Die Mindestdosen von 1,2 bis 1,6 min VILPA pro Tag bei Frauen waren mit HR von
Die Studie konnte zeigen, dass bei nicht trainierenden Frauen bereits kleine Mengen an VILPA mit einem wesentlich geringeren Risiko für das Auftreten von einem Myokardinfarkt und einer Herzinsuffizienz verbunden waren. Die Forscher resümieren, dass VILPA ein vielversprechendes Ziel für körperliche Aktivität zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein kann, insbesondere bei Frauen, die sich wenig sportlich aktivieren. Als Limitation ist zu erwähnen, dass es sich bei der Untersuchung um eine Beobachtungsstudie handelt, mit der kein kausaler Zusammenhang belegt werden kann.
Bereits in einer früheren Studie, erschienen im Fachblatt JAMA Oncology, konnte das Forscherteam um Stamatakis et al. einen protektiven Einfluss von VILPA im Hinblick auf die Entstehung von Krebs zeigen. Sie analysierten die Daten von mehr als 22.300 Erwachsenen mit einem mittleren Alter von 62 Jahren, deren Bewegungsmuster und -intensität mithilfe von Wearables am Handgelenk gemessen wurden. Bei den Teilnehmern handelte es sich um Menschen, die nicht sportlich aktiv waren. Es waren rund 3,5 Minuten täglicher VILPAs ausreichend, um das allgemeine Krebsrisiko um 18 % zu senken. Bei Krebsarten, die durch Bewegungsmangel bedingt waren, verringerten 4,5 Minuten VILPAs das Risiko um bis zu 32 %. Auch bei dieser Untersuchung handelt es sich um eine Beobachtungsstudie, mit der kein kausaler Zusammenhang belegt werden kann.
Die Studien zeigen, dass eine vermehrte körperliche Intensität von nur vier bis fünf Minuten täglich in mehreren kleinen Einheiten sich positiv auf die Gesundheit auswirken kann. Dies könnte für Menschen, die sportliche Aktivitäten ablehnen oder nicht durchführen können eine Möglichkeit darstellen, ihr kardiovaskuläres Risiko zu optimieren. Für eine finale Beurteilung werden weiterführende Studien benötigt.
Quellen:
Wilke et al. A Pandemic within the Pandemic? Physical Activity Levels Substantially Decreased in Countries Affected by COVID-19. Int. J. Environ. Res. Public Health, 2021. doi: 10.3390/ijerph18052235
Sers et al. Insights on physical behavior while working from home: An ecological momentary assessment study. Scand J Med Sci Sports, 2023. doi: 10.1111/sms.14447.
Stamatakis et al. Device-measured vigorous intermittent lifestyle physical activity (VILPA) and major adverse cardiovascular events: evidence of sex differences. Br J Sports Med, 2024. doi: 10.1136/bjsports-2024-108484.
Stamatakis et al. Vigorous Intermittent Lifestyle Physical Activity and Cancer Incidence Among Nonexercising Adults: The UK Biobank Accelerometry Study. JAMA Oncol, 2023. doi: 10.1001/jamaoncol.2023.1830
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