Viel trinken ist essenziell für Patienten mit Nierensteinen – das ist klar. Aber können zusätzliche Gläser Wasser am Tag auch bei Migräne oder beim Abnehmen helfen?
Zwei Liter Wasser am Tag sollte jeder trinken, heißt es – dabei sind pauschale Trinkempfehlungen aus medizinischer Sicht wenig sinnvoll (DocCheck berichtete). Aber wie sieht’s mit dem Wasserkonsum bei konkreten Erkrankungen aus? Immerhin soll vermehrtes Wassertrinken bei Gewichtsverlust und der Migräne-Prophylaxe helfen. Jetzt haben Forscher in einer systematischen Übersichtsarbeit die Effekte einer erhöhten oder verringerten Wasserzufuhr auf diverse Gesundheitsparameter untersucht.
Einbezogen wurden insgesamt 18 Studien mit unterschiedlichen Populationen – von Jugendlichen mit Übergewicht bis zu Patienten mit Diabetes oder Nephrolithiasis. Die Interventionen reichten von Empfehlungen zur Erhöhung der Wasseraufnahme um 1,5 Liter pro Tag bis hin zu spezifischen Trinkmustern wie „500 ml Wasser vor jeder Mahlzeit“.
Die untersuchten Endpunkte waren:
Besonders im Bereich Gewichtsmanagement wirkte sich die Wasseraufnahme positiv aus. Das zeigten drei der vier untersuchten Studien zu diesem Thema. Erwachsene mit Übergewicht oder Adipositas, die vor jeder Hauptmahlzeit etwa 500 ml Wasser tranken, verloren zwischen 44 % und 100 % mehr Gewicht als die Kontrollgruppen. Der Effekt lässt sich plausibel erklären: Wasser füllt den Magen, reduziert das Hungergefühl und verringert so die Kalorienaufnahme bei den Mahlzeiten. Gleichzeitig ersetzt Wasser oft kalorienreiche Getränke wie Limonaden.
Eine Studie mit Jugendlichen hingegen konnte diesen Effekt nicht bestätigen – vermutlich aufgrund geringer Adhärenz. Viele Teilnehmer berichteten von praktischen Hürden, etwa Trinkverboten im Unterricht.
Eine der stärksten Evidenzen aus der Übersichtsarbeit betrifft Nephrolithiasis. Hier kann vermehrtes Wassertrinken helfen – das wird sowieso schon empfohlen. Zwei Studien zeigten, dass eine erhöhte Wasseraufnahme (mindestens zwei Liter pro Tag) das Risiko für erneute Steinbildungen deutlich senkt. Über einen Zeitraum von fünf Jahren kam es in der Interventionsgruppe zu 15 weniger Rezidiven pro 100 Patienten. Zudem verzögerte sich die Zeit bis zur nächsten Steinbildung signifikant.
Der Mechanismus ist bekannt: Mehr Wasser führt zu einer höheren Harnmenge, wodurch steinbildende Substanzen wie Kalzium und Oxalat besser verdünnt werden. Damit sinkt das Risiko für Kristallbildung und somit für Nierensteine.
Für Patienten mit Typ-2-Diabetes gibt es ebenfalls gute Nachrichten. Eine Studie untersuchte den Effekt von 1 Liter zusätzlichem Wasser pro Tag, aufgeteilt auf Mahlzeiten. Das Ergebnis: Der Nüchternblutzuckerspiegel sank deutlich – um durchschnittlich 32,6 mg/dL (p = 0,003). Interessanterweise blieb dieser Effekt in einer anderen Studie aus, in der die Teilnehmer Wasser nicht gezielt zu den Mahlzeiten tranken. Hier zeigt sich: Der Zeitpunkt der Wasseraufnahme könnte eine entscheidende Rolle spielen – vermutlich durch eine Kombination aus Sättigungseffekt und erhöhter Verdünnung von Blutzuckerwerten.
Zwei Studien testeten, ob eine Erhöhung der täglichen Wasserzufuhr um 1,5 Liter zu einer Linderung von Kopfschmerzen und Migräne führen kann. Die Ergebnisse waren durchwachsen: Während eine Studie Verbesserungen der Lebensqualität und geringere Schmerzepisoden nahelegte, blieben die Effekte in der anderen Studie nicht signifikant.
Frauen, die unter wiederkehrenden Harnwegsinfektionen litten und weniger als 1,5 Liter Wasser täglich tranken, profitierten deutlich von einer erhöhten Wasserzufuhr. In einer Studie halbierte sich die Anzahl der Infektionen, die Zeit zwischen den Episoden verlängerte sich signifikant. Der Mechanismus dahinter ist plausibel: Mehr Wasser spült die Blase und Harnwege regelmäßig durch und erschwert es Bakterien, sich festzusetzen.
Allerdings konnte eine andere Studie diesen präventiven Effekt bei gesunden Frauen ohne Harnwegsinfekt-Vorgeschichte nicht nachweisen. Auch hier spielten wohl die kurze Interventionsdauer und die geringe Stichprobengröße eine Rolle.
Eine Studie zeigte, dass das Trinken von zusätzlich 30 ml Wasser pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag den mittleren Blutdruck bei jungen Erwachsenen leicht ansteigen ließ – von durchschnittlich 89,0 mmHg auf 91,4 mmHg. Besonders für Patienten, die unter orthostatischer Hypotonie leiden – also Schwindel oder Ohnmachtsgefühle beim Aufstehen – könnte Wasser somit eine einfache und nebenwirkungsarme Methode sein, um Symptome zu lindern. Allerdings fehlen bislang größere Studien, um diesen Effekt genauer zu untersuchen und klinische Empfehlungen abzuleiten.
Trotz vielversprechender Ergebnisse bleibt die Studienlage insgesamt dünn. Viele der eingeschlossenen Studien hatten kleine Stichproben oder Probleme mit der Adhärenz. Gerade bei Jugendlichen und älteren Patienten fiel es schwer, die Wasseraufnahme wie empfohlen umzusetzen. Zudem variierte die Dauer der Interventionen stark – von wenigen Tagen bis zu mehreren Jahren.
Ein weiterer Punkt: Einheitsgrößen passen selten. Wie viel Wasser jemand tatsächlich braucht – auch bei Erkrankungen – hängt von individuellen Faktoren wie Körpergewicht, Aktivitätslevel und Klima ab.
Quelle:
Hakam et al. Outcomes in Randomized Clinical Trials Testing Changes in Daily Water Intake: A Systematic Review. JAMA Netw Open, 2024. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2024.47621
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