Ultrahoch-prozessierte Lebensmittel haben einen schlechten Ruf – immerhin sollen sie für zahlreiche Erkrankungen mitverantwortlich sein. Aber wie genau funktioniert das eigentlich? Beim Kolonkarzinom wissen wir jetzt mehr.
Chronische Entzündungen gelten als ein Triggerfaktor bei der Krebsentstehung. US-Forscher liefern mit einer neuen Studie, die im Journal Gut erschienen ist, nun neue Einblicke in die Rolle solcher Entzündungen und Ernährung bei Kolonkarzinomen.
Im Fokus steht dabei die Dysregulation von Lipiden, die Entzündungen steuern. Die Forscher analysierten Gewebeproben von 81 Patienten mit kolorektalem Karzinom (CRC) und fanden eine klare Tendenz: Die Tumoren zeigen einen Überschuss an entzündungsfördernden Lipiden wie Leukotrienen, während entzündungsauflösende Mediatoren wie Lipoxine (LXA4, LXB4) kaum vorhanden sind.
Ein Grund für dieses Ungleichgewicht könnte eine Ernährung sein, die reich an Omega-6-Fettsäuren aus ultrahoch-prozessierten Lebensmitteln ist. Diese Fettsäuren, wie sie etwa in Chips, Fertiggerichten oder industriellen Backwaren vorkommen, sind Vorläufer von Arachidonsäure – einem Molekül, das die Produktion von proinflammatorischen Mediatoren antreibt. Im Gegensatz dazu fehlen oft Omega-3-Fettsäuren, die entzündungsauflösend wirken und in gesunden, unverarbeiteten Lebensmitteln wie Fisch oder Nüssen vorkommen.
Die Studie zeigt, dass der sogenannte „Lipid-Class-Switching“-Mechanismus, der im gesunden Gewebe Entzündungen auflöst, bei CRC gestört ist. Die Folge ist ein chronisches inflammatorisches Mikromilieu, das das Tumorwachstum begünstigt. Besonders auffällig war die Überaktivität von Enzymen wie ALOX5, die an der Produktion von entzündungsfördernden Lipiden beteiligt sind.
Neben bekannten Ansätzen wie Immun-Checkpoint-Inhibitoren könnten neue Strategien darauf abzielen, die entzündliche Lipid-Balance wiederherzustellen. Die sogenannte „Resolution Medicine“ setzt auf den gezielten Einsatz von auflösenden Mediatoren wie den sogenannten Resolvinen, um die chronische Entzündung in Schach zu halten. Auch die bereits bekannten Ernährungsempfehlungen (Omega-3-Fettsäuren fördern und ultrahoch-prozessierte Lebensmittel reduzieren) könnten präventiv wirken.
Die Ergebnisse der Studie liefern also sowohl weitere Hinweise dafür, dass Ernährung eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Progression von Darmkrebs spielt und geben Aufschluss darüber, welche Mechanismen dahinterstecken könnten. Ärzte könnten künftig nicht nur auf immunologische, sondern auch auf lipidbasierte Therapien setzen – und natürlich ihren Patienten ans Herz legen, den Griff in die Chipstüte mit einer Handvoll Nüssen zu ersetzen.
Quelle:
Soundararajan et al. Integration of lipidomics with targeted, single cell, and spatial transcriptomics defines an unresolved pro-inflammatory state in colon cancer. Gut, 2024. doi: 10.1136/gutjnl-2024-332535
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