Ob Ibuprofen, Carbamezepin oder Sulfonamide – viele Medikamente können die gefährliche toxische epidermale Nekrolyse auslösen. Eine gute kausale Behandlung gibt es bisher nicht. Das könnte sich bald ändern.
Es beginnt mit kleinen, fleckigen Rötungen, doch innerhalb weniger Tage kommt es zu großflächigen Exanthemen, Blasenbildung und Ablösung der Oberhaut: Die toxische epidermale Nekrolyse (TEN) ist eine schwere allergische Medikamentennebenwirkung, die in bis zu 30 % der Fällen tödlich endet. Ausgelöst wird sie durch eine ganze Reihe von Medikamenten, von Analgetika über Antibiotika zu Antiepileptika.
Aufgrund der schnellen Entwicklung und der Schwere der Erkrankung ist rechtzeitiges Handeln entscheidend. Zum einen gilt es, eine Infektion der betroffenen Hautstellen zu verhindern. Kausal gibt es aktuell allerdings nur die Möglichkeit, intravenös Glukokortikoide zu verabreichen – deren Wirksamkeit aber umstritten ist. Die Suche nach neuen Medikamenten gestaltet sich auch deshalb schwierig, weil der Pathomechanismus der TEN nicht geklärt ist. Doch eine neue Studie macht nun Hoffnung.
Im ersten Schritt versuchten die Autoren der im Fachmagazin Nature erschienen Studie, mithilfe von räumlicher Proteomik zugrundeliegende Signalwege zu identifizieren. In Keratinozyten und CD45-Immunzellen konnten sie eine Hochregulierung der Typ-I- und Typ-II-Interferon-Signatur sowie eine signifikante Aktivierung des JAK/STAT-Signalwegs nachweisen.
Beim JAK/STAT-Signalweg werden Januskinasen (JAK) durch Zytokine aktiviert und welche wiederum STAT-Proteine durch Phosphorylierung aktivieren. Die STAT-Proteine bilden Dimere, welche im Zellkern die Transkription von Genen für Zytokine und Chemokine auslösen und so die adaptive Immunantwort bestärken (mehr Infos gibt’s im Flexikon.)
Credit: DocCheck Flexikon
Der JAK/STAT-Signalweg ist in der Pathogenese verschiedener Erkrankungen involviert. Schon seit längerem wird deshalb an dem Einsatz von JAK-Inhibitoren geforscht und genau das machten sich die Autoren nun zunutze. In Zell- und Mausmodellen konnten sie zeigen, dass JAK-Inhibitoren wie Tofacitinib, Baricitinib oder Abrocitinib die Entzündungsreaktion bei TEN reduziert und zu einer signifikanten Verbesserung der Hautheilung führt.
Im letzten Schritt behandelten die Forscher sieben TEN-Patienten mit JAK-Inhibitoren. Innerhalb weniger Tage zeigten alle Patienten eine klinische Verbesserung, ebenso setzte die Hautregeneration ein. Auch traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf.
Verlauf der TEN unter Abrocitinib. Credit: Nordmann et al.
Die Studie hat also endlich einen Teil des Pathomechanismus der TEN entschlüsselt und macht Hoffnung auf neue Therapieoptionen. Allerdings müssen die Ergebnisse noch in weiteren Studien und mit einer größeren Teilnehmerzahl bestätigt werden. Und bis zu einer vollständigen Entwicklung und Zulassung eines Medikaments wird es noch ein längerer Weg sein.
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