Um die gesetzliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen wird zurzeit heftig gerungen. Ein Teil der Abgeordneten versucht nun, ein neues Gesetz im Schnellverfahren durchzubringen – das stößt bei Ärzten nicht nur auf Zustimmung.
Die politische und gesellschaftliche Diskussion um den richtigen Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen wird seit 50 Jahren geführt. Die aktuell gültige Rechtsprechung basiert auf dem § 218 ff Strafgesetzbuch (StGB) und ist eine Kompromisslösung zwischen Selbstbestimmungsrecht der Frau und Lebensrecht des ungeborenen Kindes. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, dass ein ungeborenes Kind Menschenwürde besitzt und entsprechend verfassungsrechtlich geschützt werden muss.
Seit dem vergangenen Jahr ist erneut Bewegung in die politische Diskussion gekommen und die noch amtierende Bundesregierung plant eine schnelle Abschaffung des § 218.
In Deutschland werden jährlich etwa 100.000 Schwangerschaftsabbrüche statistisch erfasst, davon:
Ein Abbruch ist nach der Fristen- oder Beratungsregel zwar rechtswidrig, bleibt aber straflos – vorausgesetzt, dass eine Frist von 12 Wochen (nach der Konzeption) nicht überschritten wird, eine Beratung in einer anerkannten Einrichtung stattgefunden hat und drei Tage Bedenkzeit eingehalten wurden. Außerdem muss ein Abbruch von ärztlicher Seite durchgeführt werden.
Handelt es sich um eine medizinische Indikation, das heißt, wenn die körperliche oder mentale Gesundheit der Schwangeren in Gefahr ist und dies nicht auf eine andere zumutbare Art abgewendet werden kann, dann ist ein Abbruch bis zur Geburt nicht rechtswidrig. Ebenfalls nicht rechtswidrig ist ein Abbruch nach sexualisierter Gewalt innerhalb einer Frist von 12 Wochen. Die dokumentierten Fälle aus kriminologischer Indikation liegen unter 1 %.
Ein Schwangerschaftsabbruch kann bis etwa 8+6 SSW medikamentös erfolgen, danach wird er operativ durchgeführt. Ist das Kind bereits lebensfähig, also älter als 22 SSW, geht dem Abbruch ein Fetozid voraus. Dabei wird dem Kind unter Ultraschallsicht eine cardiale Injektion verabreicht, an der es intrauterin verstirbt. Risiken wie verstärkte Blutung, Infektion, Verletzung von Nachbarorganen und Narkosezwischenfälle müssen besprochen werden.
Die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs aufgrund einer medizinischen oder kriminologischen Indikation werden von der Krankenkasse getragen. Ein Anspruch auf Kostenübernahme nach der Fristenregelung besteht dann, wenn die Frau sozial bedürftig ist. Die Kosten betragen zwischen 300 € und 700 €, der medikamentöse Abbruch ist günstiger als das operative Verfahren.
Die Intention der geplanten Reform ist, das Selbstbestimmungsrecht der Frau zu stärken und in Zukunft Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren. Zunächst wurde der § 219a ausgesetzt, der ein ärztliches Werbeverbot für Abbrüche beinhaltete. Die Ahndung von sogenannten Gehsteigs-Belästigungen durch Abtreibungsgegner wurde ebenfalls festgelegt.
Ein Teil der Bundesregierung hat im vergangenen Jahr eine Kommission aus verschiedenen Fachrichtungen beauftragt, Reformvorschläge zu erarbeiten.
Das Gremium aus 18 Experten, die Hälfte davon Rechtswissenschaftlerinnen, hat am 15. April 2024 folgende Eckpunkte vorgelegt:
Die SPD-Fraktion unterstützt in ihrem Positionspapier vom 25. Juni 2024 die genannten Reformpunkte. Aktuell wurde ein Gruppenantrag zur Reform des Abtreibungsrechts gestellt. Zumindest in den ersten 12 Schwangerschaftswochen sollten Abbrüche legalisiert werden, die dreitägige Bedenkzeit entfallen und die Übernahme durch die gesetzliche Krankenkasse gewährleistet sein. Es werde im Moment konkret darüber beraten mit dem Ziel, noch in dieser Legislaturperiode eine Gesetzesänderung zu erwirken.
Für eine Änderung des Abtreibungsrechts ist eine einfache Mehrheit im Bundestag nötig. Die Initiative muss also 367 Stimmen hinter sich vereinen. Der Gruppenantrag kommt nicht von bestimmten Fraktionen und bisher haben ihn 328 Abgeordnete unterzeichnet. Es fehlen also noch 39 Stimmen.
Laut einer Studie von Prof. Matthias David (Charité Berlin) und Dr. Florian Dienerowitz (Uni Heidelberg) haben sich knapp ein Drittel der Frauen nach der Beratung gegen einen Schwangerschaftsabbruch entschieden. In einer explorativen Querschnittsstudie unter deutschen Perinatalzentren befürworten 98,3 % der Pränataldiagnostiker und Geburtshelfer in Deutschland eine interdisziplinäre Elternberatung bei komplexen fetalen Fehlbildungen. Eine gewisse Bedenkzeit vor einer schwerwiegenden, lebensverändernden Entscheidung, wird auch in anderen Bereichen als Hilfestellung gesehen.
Das Ringen um eine gesetzliche Reform im Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen dauert seit 50 Jahren an. Der § 218 stellt eine Kompromisslösung zwischen Selbstbestimmungsrecht der Frau und Lebensrecht des Kindes dar. Bedauernswert wäre es, wenn aufgrund anstehender Regierungsneuformationen ein medizin-ethisch höchst anspruchsvolles Thema ohne die nötige Bedenkzeit übers Knie gebrochen wird.
Ein sorgfältiges Abwägen aller Positionen sind die Verantwortlichen den betroffenen Menschen gegenüber schuldig.
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