Analytische und präparative Praktika prägen nach wie vor den Alltag von Studierenden. Jetzt fordern sie eine Verlängerung der Ausbildungsdauer, um mehr Kompetenzen für Jobs in öffentlichen Apotheken zu erwerben. Von der Leitbilddiskussion brauchen sie nichts zu erwarten.
Ein hart umkämpftes Feld: Mit ihrem Wissen rund um Arzneimittel stehen Apotheker nicht alleine da. Delegierte des Ärztetags 2014 forderten, Arzneimitteltherapiesicherheitsprüfung sei eine „genuin ärztliche Aufgabe“. Ähnliche Kompetenzrangeleien führten beim Test von ARMIN, der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen, immer wieder zu Verzögerungen. Eine wissenschaftliche Studie gibt neue Einblicke, offenbart aber auch etlichen Nachholbedarf.
Dazu befragte Carolina J.P.W. Keijsers vom Jeroen Bosch Hospital im niederländischen ‘s-Hertogenbosch 451 Medizin- und 151 Pharmaziestudenten. Rund 81 Prozent nahmen an Interviews teil, um ihre Kompetenzen überprüfen zu lassen. Schwerpunkte der standardisierten Tests waren drei thematische Hauptgruppen. Dazu gehörten Kenntnisse in Pharmakologie, klinischer oder angewandter Pharmazie und Pharmakotherapie. Hinzu kamen speziellere Themen, nämlich Pharmakodynamik, Pharmakokinetik, Interaktionen beziehungsweise Nebenwirkungen, das anatomisch-therapeutisch-chemische Klassifikationssystem (ATC), Verschreibungen inklusive Rezepten für besondere Patientengruppen, Arzneimittelinformationen sowie gesetzliche Regelungen. Angehende Apotheker schnitten im Vergleich zu angehenden Ärzten etwas besser in der Pharmakologie ab (77,0 versus 68,2 Prozent richtige Aussagen). Andererseits stellten Medizinstudenten im Vergleich zu Pharmaziestudenten Rezepte häufiger formal korrekt aus (68,6 versus 50,7 Prozent). Bei Fragen zur angewandten Pharmakologie gab es keine nennenswerten Unterschiede (73,8 versus 72,2 Prozent). Aus entsprechenden Resultaten folgert Keijsers: „Pharmaziestudenten haben im Vergleich zu Medizinstudenten bessere Kenntnisse der grundlegenden Pharmakologie, aber nicht in der Anwendung.“ Mögliche Ursachen sieht sie im Grundstudium. Ihr Fazit: „Das Wissen über diese Unterschiede könnte genutzt werden, um eine gemeinsame interdisziplinäre Ausbildung zu entwickeln.“
Kein Einzelfall: Auch in Deutschland besteht Handlungsbedarf, speziell bei der Pharmazie. Zwar arbeitet die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände an einem Leitbild. Am 25. Juni soll von Mitgliedsorganisationen das Papier „Apotheke 2030 – Perspektiven zur pharmazeutischen Versorgung in Deutschland“ abgesegnet werden. Aspekte rund um die Ausbildung kamen zumindest in der öffentlichen Diskussionsgrundlage kaum vor. Als „derzeit einzige Institution, deren Mitglieder sich täglich mit der pharmazeutischen Ausbildung beschäftigen“, übt der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) Kritik am Zukunftskonzept. „Die Weiterentwicklung der Ausbildung hätte im Leitbild konkreter verankert werden müssen“, heißt es in einem offenen Brief. Unter anderem lasen Kollegen im Entwurf, die Kompetenz öffentlicher Apotheken gründe sich auf der hohen Qualifikation ihres Personals. Für Approbierte, speziell für Inhaber, gehe eine hohe Mitverantwortlichkeit für die Ausbildung einher. Allerdings, so der BPhD, fehle „schlichtweg die Feststellung, dass die derzeitige Ausbildung bereits jetzt einen hohen Bedarf zur Weiterentwicklung besitzt.“ Eine Anpassung von Studienzeiten sucht man im ABDA-Papier jedoch vergebens. Das gefällt Studierenden gar nicht: „Viel zu wenig entwickelt ist für Jungapprobierte das Wissen um die Bedeutung der öffentlichen Apotheke, etwa in Bezug auf den Patienten“, und „viel zu wenig Zeit bleibt im Studium dafür, diese Erkenntnis eigenständig zu entwickeln“. Ebenso fehle Zeit, um „das durch die Hochschulen vermittelte Wissen adäquat aufzubereiten und für die Anwendung in der öffentlichen Apotheke zu optimieren.“ Bereits heute seien Unis nicht mehr in der Lage, die in der Approbationsordnung verankerten Grundlagen innerhalb von acht Semestern zu vermitteln.
Mit ihrem Vorschlag, das Pharmaziestudium auszuweiten, stößt der BPhD nicht nur auf Gegenliebe. Mittlerweile haben sich in Fachkreisen zwei Lager gebildet: Ein Teil aller Kollegen fordert, weiterhin grundlegende Prinzipien zu lehren, beispielsweise pharmazeutische Chemie inklusive hoher Durchfallquoten bei Klausuren. Pharmazie solle eine Wissenschaft bleiben – und nicht zur Fachausbildung verkommen, so ihre Argumentation. Die Konkurrenz schläft nicht: Auch bei PTA ist von längeren Ausbildungszeiten die Rede, auch ein Fachhochschulstudium scheint nicht abwegig zu sein. Dem gegenüber stehen Apotheker mit ihrer Sorge, eine Studienzeit-Verlängerung führe nur zur weiteren Vertiefung theoretischer Inhalte – ohne erkennbaren Mehrwert für spätere Jobs in öffentliche Apotheken. Tatsache ist, dass rund 80 Prozent aller angehenden Apotheker später in der Offizin arbeiten werden. Bereits heute fehlen Approbierte auf dem Arbeitsmarkt, und so mancher Chef hat Mühe, Nachfolger oder Filialleiter zu finden.
Nachbarländer mit ähnlichen Schwierigkeiten haben längst reagiert. Beispielsweise setzt Frankreich auf theoretische und praktische Basismodule, die insgesamt vier Jahre in Anspruch nehmen. Nach dem zweiten Abschnitt entscheiden sich Jugendliche für ihr späteres Tätigkeitsfeld: Offizin, Industrie, Krankenhaus oder universitäre Forschung. Ohne Spezialisierung könne auch die Pharmazie nicht funktionieren, argumentieren Kollegen der „Grande Nation“.