Patienten mit Schlafdefizit gehören längst zum Alltag in Praxen und Apotheken. Welche Rolle Träume dabei spielen und was ihr empfehlen könnt, lest ihr hier.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Die Zahl der Menschen mit Schlafproblemen nimmt laut einer aktuellen Veröffentlichung der BARMER-Krankenkasse seit Jahren stetig zu. Im Jahr 2023 litten rund 7,3 % der Barmer-Versicherten unter Schlaflosigkeit, verglichen mit 5,5 % im Jahr 2013. Kurz im Anschluss an diese Meldung griffen zahlreiche Medien das Thema auf – sodass zurzeit vermehrt Betroffene in Apotheken vorstellig werden, um sich beraten zu lassen. Insomnie ist somit ein viel diskutiertes Thema. Welche Medikamente und nichtmedikamentösen Tipps sollten Apotheken den Kunden mitgeben?
Stress, Ängste, unregelmäßige Schlafrhythmen und die Nutzung elektronischer Geräte vor dem Zubettgehen sind häufige Ursachen für Schlaflosigkeit. Langfristiger Schlafmangel hat eine erhebliche Auswirkung auf die Gesundheit und erhöht das Risiko für mehrere schwere Erkrankungen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Schlafdefizite das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck und Herzinfarkt sowie für Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus steigern. Die American Heart Association und das National Heart, Lung, and Blood Institute bestätigen (hier und hier), dass unzureichender Schlaf die Blutzuckerregulation beeinträchtigt und die Stresshormonproduktion (z. B. Cortisol) steigert, was zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Übergewicht und Insulinresistenz führt – beide sind Risikofaktoren für Diabetes und Herzkrankheiten.
Darüber hinaus schwächt Schlafmangel das Immunsystem, wodurch die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten steigt. Studien an der Harvard Medical School und der Mayo Clinic deuten darauf hin, dass Schlaf eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr spielt, da während der Tiefschlafphasen entzündungshemmende und immunsystemunterstützende Prozesse ablaufen (hier und hier). Schlafmangel beeinträchtigt auch die Wachsamkeit und die Reaktionszeit, was die Unfallgefahr – insbesondere im Straßenverkehr – erheblich erhöht. Schlaflosigkeit sollte daher ernst genommen werden, gerade weil sie sich derzeit offenbar zu einem Massenphänomen auswächst.
Bei der Beratung ist es wichtig, die Ursachen individuell zu betrachten und gegebenenfalls an den Arzt zu verweisen, wenn:
Im Bereich der Selbstmedikation stehen verschiedene Optionen zur Verfügung, die meist bei leichteren Schlafstörungen sinnvoll sind. Apotheken können eine beratende Rolle einnehmen und über die Wirkweise, Vorteile, mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen aufklären.
Pflanzliche Präparate erfreuen sich großer Beliebtheit, da sie meist weniger Nebenwirkungen verursachen und gut verträglich sind. Es gibt verschiedene Präparate, die Apotheker empfehlen können:
Baldrian: Die bekannteste pflanzliche Einschlafhilfe unterstützt vor allem beim Ein- und Durchschlafen. Baldrianwurzelextrakte können den natürlichen Schlafzyklus fördern und werden häufig kombiniert mit Hopfen, Passionsblume oder Melisse.
Hopfen: In Kombination mit Baldrian oder Melisse wirkt Hopfen beruhigend und entspannend.
Passionsblume und Melisse: Diese Pflanzen wirken beruhigend und sind vor allem bei Unruhe hilfreich.
Einige Antihistaminika der ersten Generation (z. B. Diphenhydramin und Doxylamin) haben sedierende Eigenschaften und werden häufig als kurzfristige Lösung bei Schlafproblemen genutzt.
Melatoninpräparate sind in geringer Dosierung rezeptfrei erhältlich und wirken als natürlicher Regulator des Schlaf-Wach-Rhythmus. Melatonin kann den Schlaf fördern, indem es den Körper auf die Nacht einstimmt und den zirkadianen Rhythmus stabilisiert.
Ergänzend zu den medikamentösen Empfehlungen ist eine gute Schlafhygiene essenziell. Die folgenden Maßnahmen haben sich bewährt und sollten mit den Patienten besprochen werden:
Interessant: Eine Studie des Universitätsklinikums Freiburg aus dem Jahr 2018 deutet darauf hin, dass Schlaflosigkeit oft nur im Traum erlebt wird. Menschen mit Schlafstörungen berichten häufig von Schlaflosigkeit, obwohl sie objektiv im Schlaflabor bis zu 80 % der normalen Schlafdauer erreichen. Die Forschung um Dr. Bernd Feige und Prof. Dieter Riemann zeigt, dass viele Betroffene im Traum von Schlafproblemen geplagt werden, was das Gefühl der Schlaflosigkeit verstärkt.
Diese Erkenntnis birgt neues Potenzial für die Therapie: Traumtherapien oder Medikamente zur Unterstützung der REM-Phase könnten Patienten helfen, die psychische Belastung durch „Traumschlaflosigkeit“ zu lindern.
Schlafstörungen werden zunehmend zu einem Problem in der Bevölkerung, und Apotheken sind oft der erste Ansprechpartner. Mit einer gezielten Beratung zur Selbstmedikation und Verhaltenstipps zur Schlafhygiene kann der Teufelskreis der Schlaflosigkeit durchbrochen werden. Bei chronischen oder schwerwiegenden Schlafproblemen ist jedoch eine ärztliche Abklärung unerlässlich, um schwerwiegendere Ursachen auszuschließen und eine passende Therapie einzuleiten.
Kurze Zusammenfassung für Eilige:
Zunehmende Schlafprobleme: Schlaflosigkeit betrifft immer mehr Menschen, begünstigt durch Stress, unregelmäßige Schlafrhythmen und elektronische Geräte. Langfristiger Schlafmangel erhöht das Risiko für ernsthafte Erkrankungen wie Herzkrankheiten, Diabetes und Infektionen.
Individuelle Beratung und Optionen: Apotheken bieten Unterstützung mit pflanzlichen Präparaten (z. B. Baldrian, Hopfen), sedierenden Antihistaminika oder Melatonin sowie Tipps zur Schlafhygiene. Eine ärztliche Abklärung ist bei chronischen oder schweren Fällen wichtig.
Schlafhygiene und Forschung: Regelmäßige Schlafzeiten, entspannende Routinen und eine geeignete Schlafumgebung sind essenziell. Forschung zeigt, dass Schlaflosigkeit oft subjektiv wahrgenommen wird, wodurch Traumtherapien neues Potenzial in der Behandlung bieten.
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