Es ist bekannt, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen das Demenzrisiko erhöhen – bei der direkt betroffenen Person. Inwiefern auch ein erkrankter Ehepartner einen Risikofaktor darstellen kann, lest ihr hier.
Es gibt viele bekannte Risikofaktoren für die Entstehung einer Demenz: Genetische Varianten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck und Umweltfaktoren wie fehlende oder zu kurze Schulbildung gehören dazu. Viele dieser Faktoren können durch unser Verhalten beeinflusst werden. Bis zu 45 Prozent der Demenzerkrankungen könnten auf beeinflussbare Risikofaktoren zurückgeführt und damit potenziell vermieden werden, so der in diesem Jahr veröffentlichte Bericht der Lancet Commission. Diese Faktoren haben eines gemeinsam: Sie beeinflussen das Demenzrisiko der Person, auf die sie einwirken. Wenn mein Blutdruck erhöht ist, steigt auch mein Demenzrisiko. Es kann aber auch Risikofaktoren geben, die von einer Person auf eine andere übertragen werden. Eine aktuelle Studie hat untersucht, wie sich ein Schlaganfall oder Herzinfarkt auf das Demenzrisiko auswirkt – und zwar nicht bei der direkt betroffenen Person, sondern bei deren Ehepartner.
Die Studie wurde an einer Kohorte von über 65-Jährigen in Japan durchgeführt. Eingeschlossen wurden Personen, die nicht an Demenz litten und deren Ehepartner ein kardiovaskuläres Ereignis (d. h. Schlaganfall oder Herzinfarkt) erlitten hatten. Für jeden so eingeschlossenen Studienteilnehmer wurde eine Kontrollperson in die Vergleichsgruppe aufgenommen, die in Merkmalen wie Geschlecht, Alter und Einkommen identisch war. Einziger Unterschied: Bei den Studienteilnehmern der Kontrollgruppe lag kein kardiovaskuläres Ereignis des Ehepartners vor. Anschließend wurde untersucht, bei wie vielen der Studienteilnehmer eine Demenz diagnostiziert wurde. Insgesamt wurden fast 100.000 Personen in die Studie eingeschlossen. Im Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 24 Monaten traten knapp 600 Demenzfälle auf. Und tatsächlich war das Risiko in der Gruppe nach einem kardiovaskulären Ereignis des Ehepartners signifikant erhöht.
Die Kurven laufen auseinander: Bei einem kardiovaskulären Ereignis (CVD) des Ehepartners steigt das Risiko, an Demenz zu erkranken. Credit: Komura et al.
Die Studie ist eine der ersten, die interpersonelle Risikofaktoren für Demenz untersucht. Mögliche Ursachen für den Zusammenhang sind traumatisierende Effekte durch die akute Erkrankung des Ehepartners. Traumatische Ereignisse können die kognitive Funktion negativ beeinflussen. Viele der Partner, die einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten haben, sind vermutlich daran gestorben (auch wenn die entsprechenden Zahlen in der Studie nicht genannt werden). Ein einschneidendes Ereignis wie der Tod oder eine neu aufgetretene Pflegebedürftigkeit des Partners kann das Erkrankungsrisiko direkt oder indirekt beeinflussen: Ein indirekter Einfluss wäre beispielsweise ein ungesünderer Lebensstil nach dem Verlustereignis. Ein weiterer möglicher Mechanismus ist die soziale Isolation. Wenn der Partner krankheitsbedingt weniger mobil ist oder stirbt, kann dies dazu führen, dass die Betroffenen weniger soziale Kontakte pflegen. Zahlreiche Studien haben jedoch gezeigt, dass soziale Interaktion die kognitive Gesundheit fördert und das Risiko neurodegenerativer Erkrankungen senken kann.
Eine Schwäche der Studie ist, dass Männer in der Kohorte deutlich überrepräsentiert waren (96% der Studienteilnehmer waren Männer). So ist der Zusammenhang eigentlich nur für Männer nachgewiesen, deren Frauen einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erlitten haben. Ob der Zusammenhang auch in die andere Richtung besteht, müssen zukünftige Studien zeigen. Es wird oft behauptet, dass Frauen einen positiven Einfluss auf die Lebensgewohnheiten ihrer Männer haben – diese Hypothese wird durch die Studie gestützt. Wichtiger ist aber: Die Studie zeigt, dass es nicht ausreicht, einen Patienten isoliert zu betrachten. Er ist immer von Menschen umgeben, die sein Krankheitsrisiko wesentlich beeinflussen können. Angehörige sind oft eine Ressource, können aber auch zur Belastung werden, wenn sie selbst erkranken und auf Hilfe angewiesen sind. Gesundheit ist keine individuelle Angelegenheit.
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