Kurkuma- und Ashwagandha-Präparate werden immer beliebter – vor allem bei gesundheitsbewussten Menschen. Doch derartige Supplemente schlagen mitunter ordentlich auf die Leber, wie zwei Fallberichte zeigen.
Mehr als 75 % aller Befragten aus Deutschland konsumieren laut Statista Consumer Insights Nahrungsergänzungsmittel. Besonders beliebt sind Vitamine (61 %) und Mineralstoffe (36 %), gefolgt von Proteinen (26 %) und Kräutern oder Kräuterzubereitungen (18 %).
Patienten machen sich kaum Gedanken, wenn sie Supplemente einnehmen – und Ärzte erleben dann so manch böse Überraschung, wie zwei Fallberichte vor Augen führen.
Eine 22-jährige, zuvor gesunde Patientin entwickelte nach dem Konsum von Ashwagandha-Kapseln Juckreiz, Gelbsucht und erhöhte Leberwerte, die auf eine hepatozelluläre Leberschädigung hindeuten. Ihre Beschwerden traten nach der Einnahme von insgesamt 1.800 mg Ashwagandha innerhalb von zwei Tagen auf. Untersuchungen auf eine Virushepatitis und eine Autoimmunhepatitis verliefen negativ.
Ashwagandha-haltige Supplemente – auch Schlafbeere, indischer Ginseng oder Winterkirsche genannt – sollen gegen Stress helfen oder das Einschlafen fördern. Deshalb hatte die junge Frau ein Nahrungsergänzungsmittel erworben.
Mithilfe der RUCAM-Methode sind ihre Ärzte der Frage nachgegangen, ob Ashwagandha kausal für die Beschwerden verantwortlich war. Die RUCAM-Methode (Roussel Uclaf Causality Assessment Method) ist ein standardisiertes Verfahren zur Bewertung möglicher Zusammenhänge zwischen der Einnahme eines Arzneimittels oder eines Supplements und einer Leberschädigung. Der RUCAM-Gesamtscore wird anhand mehrerer Faktoren berechnet. Dazu gehören die Zeit bis zum Auftreten der Beschwerden, der Verlauf, Risikofaktoren, Begleitmedikamente, nichtmedikamentöse Ursachen einer Leberschädigung, frühere Informationen zur Lebertoxizität des Medikaments und die Reaktion auf eine erneute Verabreichung.
Als RUCAM-Gesamtsore der Patientin geben die Autoren 7 an, was eine Kausalität zwischen Ashwagandha-Kapseln und der Leberschädigung wahrscheinlich macht. Daraufhin erhielt sie Ursodeoxycholsäure: ein Wirkstoff, der u.a. bei arzneimittelinduzierten Leberschäden zum Einsatz kommt. Ihre Leberwerte normalisierten sich nach rund neun Wochen.
Auch Kurkuma, insbesondere der Inhaltsstoff Curcumin, ist vom exotischen Gewürz zum Nahrungsergänzungsmittel avanciert. Hersteller führen vor allem antientzündliche und antioxidative Eigenschaften an.
Bei Überdosierung kann es jedoch zu Leberschäden kommen, wie der Fall einer 36-jährigen Frau aus den USA zeigt. Sie stellte sich mit Ikterus und Juckreiz vor. Allergien, Autoimmunerkrankungen oder Risikofaktoren wie Auslandsreisen, Medikamente, Drogenkonsum oder einen relevanten Alkoholkonsum verneinte sie. Sie berichtete den Ärzten, seit sechs Monaten aufgrund ihrer Knieschmerzen täglich ein Kurkuma-Präparat zu schlucken.
Ihre Vitalzeichen waren unauffällig. Ärzte fanden stark erhöhte Leberenzym-Werte sowie ein stark erhöhtes Gesamtbilirubin, was auf eine hepatozelluläre Leberschädigung hinweist. Nichts deutete auf eine Virushepatitis oder eine Autoimmunhepatitis hin. Eine Leberbiopsie bestätigte schließlich die Diagnose: Toxische Leberschädigung.
Nach Absetzen des Kurkuma-Präparats verbesserten sich die Leberwerte, bis sie nach 31 Tagen wieder nahezu normal waren.
Die beiden Berichte mit Hepatotoxizität sind wohl kaum Einzelfälle. US-Forscher warnen davor, dass Patienten immer häufiger pflanzlichen Nahrungsergänzungsmittel einnehmen. Neben Ashwagandha und Kurkuma nennen sie Grüntee-Extrakte, Garcinia cambogia, Traubensilberkerzen und Roten Reis als potenziell hepatotoxische Präparate. Grundlage ihrer Studie waren Daten aus der National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES), einer landesweit repräsentativen Querschnittsumfrage der US-Bevölkerung. Daten kamen von 9.685 Erwachsenen im Alter von durchschnittlich 47,5 Jahren; 51,8 % davon waren Frauen.
Supplemente nahmen 57,6 % der Probanden ein; 4,7 % nutzen eines der sechs genannten pflanzlichen Nahrungsergänzungsmittel. Am häufigsten wurde Kurkuma genannt, gefolgt von Grüntee, Ashwagandha, Garcinia cambogia, rotem Hefereis und Traubensilberkerzenprodukten. Anwender waren tendenziell älter und litten häufiger an Arthritis als andere Befragte ohne diese Supplementation.
Forscher haben die Zahlen auf die gesamte US-Bevölkerung hochgerechnet –mit überraschendem Ergebnis: Schätzungsweise 15,5 Millionen Erwachsene nehmen rein statistisch mindestens eines der sechs Präparate ein. Das entspricht der Zahl an Patienten, denen potenziell hepatotoxische Medikamente verschrieben wurden. Leberschäden durch Supplemente sind mindestens so schwerwiegend wie Ereignisse mit Rx-Präparaten oder OTCs als Auslöser, teils sogar folgenreicher, wie eine andere Studie zeigt. Auch hier warnen die Autoren vor einer ansteigenden Inzidenz durch Supplemente.
Ob offizielle Meldungen – zuletzt informierte das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte über die möglichen Risiken von Ashwagandha-haltigen Präparaten – Laien erreichen, ist fraglich. Hier sollten Ärzte ihre Patienten aufklären.
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