Mehr als ein kosmetisches Problem: Vor allem die sekundäre Form des Raynaud-Syndroms kann auf andere Grunderkrankungen hinweisen. Was Ärzte Betroffenen raten können und welche Therapien zur Verfügung stehen.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Der Winter mag für viele die gemütlichste Zeit des Jahres sein, doch für Menschen mit Raynaud-Syndrom birgt er Herausforderungen. Sie greifen vielleicht nach einem eisigen Türknauf, und der Körper zieht sofort das Blut aus den Fingerspitzen ab. Die Finger verfärben sich weiß und werden taub oder schmerzen.
Das seltsame Phänomen tritt häufiger bei Frauen auf als bei Männern, vor allem im jüngeren Alter. Es entsteht, wenn sich plötzlich die kleinen Arterien in den Fingern und Zehen oder auch anderen Körperteilen wie Ohren, Nase oder sogar Brustwarzen verkrampfen und den Blutfluss einschränken. Die betroffenen Körperteile verändern dabei typischerweise ihre Farbe von Weiß (Ischämie) über Blau (Zyanose) bis Rot (Hyperämie). Auslöser für die Attacken ist meistens Kälte.
Die niedrigen Temperaturen setzen einen grundsätzlich sinnvollen, thermoregulierenden Mechanismus in Gang, der weiteren Wärmeverlust verhindern und die Kerntemperatur des Körpers aufrechterhalten soll. Interessant ist, dass auch Emotionen einen Raynaud-Anfall auslösen können. Der Körper reagiert dabei mit einer Überaktivierung des sympathischen Nervensystems, das die Blutgefäße verengt und so den Blutfluss drastisch verringert. Das Raynaud-Syndrom kann in Verbindung mit Migränekopfschmerzen, verschiedenen Formen von Angina pectoris und pulmonaler Hypertonie auftreten. Dies legt nahe, dass diese Erkrankungen möglicherweise einen gemeinsamen vasospastischen Mechanismus haben.
Wenn es im Winter Probleme gibt, dann ist im Sommer sicherlich alles gut? So einfach ist es auch nicht, da Anfälle auch bei sehr warmen Temperaturen auftreten können. Eine aktuelle Studie, in der untersucht wurde, wie stark Umgebungstemperaturen die Schwere der Raynaud-Symptome beeinflussen, stellten die Wissenschaftler überraschenderweise fest, dass die Symptomschwere bei Temperaturen über 25 °C wieder anstieg. Sie führten dies auf die Wirkung von Klimaanlagen zurück. Raynaud-Symptome sind also bei extremen Temperaturen am stärksten ausgeprägt – sowohl bei Kälte als auch bei Hitze.
Beim Raynaud-Phänomen werden je nach Ursache zwei Formen unterschieden.
Die Diagnose basiert hauptsächlich auf den Symptomen und dem klinischen Bild. Für die Behandlung ist es wichtig zu unterscheiden, ob es sich um die primäre oder sekundäre Form handelt. Bluttests und eine Kapillarmikroskopie, um Hinweise auf eine Kollagenose als Ursache eines sekundären Raynaud-Phänomens zu finden, können hier weiterhelfen.
Das Raynaud-Syndrom kann zwar für die Betroffenen vor allem in kalten Klimazonen mit Einschränkungen verbunden sein, eine wachsende Zahl von Therapieoptionen hilft jedoch, die Symptome in den Griff zu bekommen. Das Ziel besteht darin, die Häufigkeit und Schwere der Anfälle zu reduzieren und Gewebeischämie vorzubeugen.
Die Therapie des sekundären Raynaud-Phänomens richtet sich dabei zunächst auf die zugrundeliegende Erkrankung aus. Grundsätzlich ist jedoch bei allen Formen die wichtigste Maßnahme, den Lebensstil an die Krankheit anzupassen und die Auslöser also insbesondere Kälte, aber auch Stress und Nikotin zu vermeiden. Warme, nicht einengende Handschuhe, Taschenöfen, Wärmekissen und ähnliche Hilfsmittel schützen beim Aufenthalt im Freien in der kalten Jahreszeit. Entspannungstechniken wie autogenes Training, Gefäßtraining, Sport und gute Hautpflege sind ebenfalls sinnvoll.
Wenn diese Methoden nicht ausreichen, kann eine medikamentöse Behandlung eine Option sein. Die Gabe von Kalziumkanalblockern (wie Verapamil oder Nifedipin) kann versucht werden, um die Blutgefäße zu entspannen und die Symptome zu lindern. Eine Meta-Analyse aus 2005 zeigte, dass Kalziumkanalblocker eine klinische Verbesserung der Häufigkeit und Schwere ischämischer Anfälle bewirken. Die Wirksamkeit erwies sich jedoch als gering.
Andere Pharmakotherapien umfassen ACE-Hemmer, Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer wie Fluoxetin, topische Nitrate und Prostaglandin-Analoga. Infusionen mit Iloprost entfalten ihre Wirkung rasch, erfordern jedoch meist einen stationären Aufenthalt. Endothelin-Antagonisten wie Bosentan sind in Tablettenform verfügbar, setzen jedoch eine engmaschige ambulante Überwachung voraus. Auch Sildenafil erweitert die Blutgefäße und kann in Betracht gezogen werden. Eine ältere Meta-Analyse aus 2013 untersuchte die Wirksamkeit von Phosphodiesterase-5-Hemmern (PDE-5) beim sekundären Raynaud-Syndrom. Es wurden sechs doppelblinde, randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) einbezogen (eine mit Sildenafil, eine mit Sildenafil mit modifizierter Wirkstofffreisetzung, drei mit Tadalafil und eine mit Vardenafil). PDE-5-Hemmer verringerten den mittleren Raynaud-Zustands-Score sowie die Häufigkeit und Dauer der Anfälle signifikant.
Die Injektion von Botulinumtoxin hat in Studien ebenfalls vielversprechende Ergebnisse gezeigt. In schweren Fällen können Eingriffe wie eine Weitung der Gefäße per Katheter oder eine Blockade der Nerven, die für die Gefäßkrämpfe verantwortlich sind, notwendig sein.
Eine mögliche zukünftige Option könnten Cannabinoide sein. In einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse untersuchten Wissenschaftler über 32 Studien, um die therapeutischen Effekte von Cannabinoiden bei Erkrankungen wie dem Raynaud-Syndrom zu prüfen.
Cannabinoide haben vasodilatatorische und antifibrotische Effekte, die bei der Erkrankung nützlich sein könnten. In 82 % der Studien wurden eine verbesserte Durchblutung und weniger Gefäßverengungen berichtet, während 100 % der Studien auf antifibrotische Effekte wie reduzierte Kollagensynthese und verringerte Fibroblastenmigration hinwiesen. Cannabinoide könnten demnach ein interessantes potenzielles therapeutisches Mittel zur Behandlung von vasospastischen Erkrankungen wie dem Raynaud-Syndrom sein.
Symptomatik und Auslöser: Das Raynaud-Syndrom äußert sich in episodischen Gefäßkrämpfen, meist ausgelöst durch Kälte oder Stress. Typisch sind weiß-blau-rote Verfärbungen und Taubheit der betroffenen Körperstellen.
Differenzierung und Ursachen: Die primäre Form tritt häufig bei jungen Frauen auf und bleibt meist komplikationsfrei. Die sekundäre Form ist oft mit Bindegewebserkrankungen wie Sklerodermie oder Lupus verbunden und kann schwerwiegender verlaufen.
Therapieoptionen: Lebensstilanpassungen wie Wärmeschutz und Stressvermeidung sind zentral. Medikamentös helfen Kalziumkanalblocker oder PDE-5-Hemmer. In schweren Fällen kommen invasive Verfahren oder experimentelle Ansätze wie Cannabinoide infrage.
Bildquelle: Leo Broadbent, unsplash