Die Ankündigung, dass Robert F. Kennedy Jr. neuer US-Gesundheitsminister werden soll, löst Kopfschütteln aus: Viele seiner Ansichten sind weit von der evidenzbasierten Medizin entfernt.
Im Wahlkampf hat Robert F. Kennedy Jr. versprochen, die USA „wieder gesund zu machen“ („Make America Healthy Again“). Denn seit Jahren würden die Bürger „massenhaft von der Pharma- und Lebensmittelindustrie vergiftet“.
Als Reaktion darauf hat er auch eine Reihe kruder Ideen entwickelt – was zum Problem werden könnte: An der Spitze des US-Gesundheitssystems wird RFK Jr. in Zukunft bei der Zulassung von Medikamenten und Impfstoffen kräftig mitmischen.
Zum Hintergrund: RFK Jr. wurde am 17. Januar 1954 geboren. Er ist der Sohn von Robert F. Kennedy, dem ehemaligen Justizminister, Senator und Präsidentschaftskandidaten – und der Neffe des früheren US-Präsidenten John F. Kennedy.Robert F. Kennedy Jr. Quelle: Gage Skidmore/Wikimedia Commons Seine Karriere startete RFK Jr. als Umweltanwalt. Er arbeitete lange Zeit bei der Umweltorganisation Natural Resources Defense Council (NRDC). Auch war er an der Gründung der Waterkeeper Alliance beteiligt, einer Organisation, die sich für den Schutz von Gewässern einsetzt. Zu der anwaltlichen Tätigkeit – RFK Jr. hat viele erfolgreiche Umweltklagen geführt – kam ein Lehrauftrag an der Pace University School of Law New York hinzu.
Eigentlich war RFK Jr. als Leiter des US-Umweltamts unter Barack Obama im Gespräch. Letztlich konnte er die Position nicht sichern, womöglich aufgrund seines damaligen Drogenkonsums. Im zurückliegenden Präsidentschaftswahlkampf strebte er zunächst eine Nominierung der Demokraten an, später war er unabhängiger Anwärter. Schließlich zog Kennedy seine Kandidatur zurück, unterstützte Donald Trump – und wurde nun dafür belohnt.
Der designierte Präsident sieht RFK Jr. an der Spitze des US-Gesundheitsministeriums: eine Position mit großer Macht. Kennedy unterstehen schon bald zahlreiche Behörden bzw. Organisationen im Bereich der Forschung, aber auch der Regulierung. Dazu gehören u. a. die National Institutes of Health (NIH), die Food and Drug Administration (FDA) und die Centers for Disease Control and Prevention (CDC).
„Was wir […] nicht wirklich brauchen, ist mehr medizinisches Wissen. Was wir brauchen, ist Wissen, wie man die Behörden von institutioneller Korruption entkoppeln kann.“
RFK Jr. hat mehrfach die aus seiner Sicht fehlende Neutralität staatlicher Organe kritisiert. Große Teile der FDA- und NIH-Budgets kommen von pharmazeutischen Herstellern, die Gebühren bei der Zulassung und Vermarktung ihrer Produkte entrichten. „Was wir […] nicht wirklich brauchen, ist mehr medizinisches Wissen. Was wir brauchen, ist Wissen, wie man die Behörden von institutioneller Korruption entkoppeln kann“, sagte Kennedy. „Denn es ist die Korruption, welche die Wissenschaft verzerrt hat.“ Genau deshalb will er „ganze Abteilungen“ der FDA räumen und mindestens 600 Mitarbeiter der NIH entlassen. Treue Gefolgsleute sollen die geschassten Teams ersetzen.
An der Spitze des US-Gesundheitsministeriums leitet RFK Jr. auch die Geschicke der Substance Abuse and Mental Health Services Administration (Behörde für Drogenmissbrauch und psychische Gesundheit) und des National Institute on Drug Abuse (Nationales Institut für Drogenmissbrauch). Er selbst soll zu früheren Zeiten illegale Betäubungsmittel konsumiert haben, jetzt aber „clean“ sein. Bleibt als Befürchtung, seine Erfahrungen könnten die evidenzbasierte Suchtmedizin aushebeln.
Kennedy gilt darüber hinaus als treibende Kraft der US-Impfgegner. In einem Interview sagte er: „Es gibt keinen Impfstoff, der sicher und wirksam ist.“ Bei einer Veranstaltung ging er noch weiter und konstatierte, einem Kind einen Impfstoff zu verabreichen, sei „ein krimineller Behandlungsfehler“. An anderer Stelle erklärte Kennedy jedoch: „Wenn Impfstoffe für jemanden funktionieren, werde ich sie nicht abschaffen“. Doch selbst wenn er Impfungen nicht vom Markt nimmt, ist zu befürchten, dass er falsche Informationen verbreitet.
Kennedy und andere Impfgegner – wie Trump selbst – vertreten etwa die Ansicht, Vakzine könnten Autismus auslösen. Sie berufen sich auf einen 1998 in The Lancet veröffentlichten Artikel, der angebliche Zusammenhänge zwischen der MMR-Impfung und Autismus zeigt. Das auf gefälschten Daten basierende Paper wurde später zurückgezogen, aber der Schaden war angerichtet.
Um nach weiteren Krankheiten zu suchen, die seiner Meinung nach durch Impfstoffe verursacht werden, gründete RFK Jr. die gemeinnützige Organisation Children's Health Defense. Sein Internetauftritt avancierte zu einer der beliebtesten Websites der Impfgegnerschaft – mit fast 4,7 Millionen Besuchern pro Monat. Vor der Pandemie waren es weniger als 150.000. Damit habe Kennedy „bereits jetzt den Einfluss, Menschen davon abzuhalten, sich impfen zu lassen, obwohl er im Moment noch nicht Teil der Regierung ist“, sagt Prof. Leighton Ku, Professor für Gesundheitspolitik an der George Washington University.
„Selbst ein kleiner Vertrauensverlust kann [bei Impfungen] eine Katastrophe sein.“
Prof. Andrew Pollard, Direktor der Oxford Vaccine Group der Universität Oxford, sieht das ähnlich: „Heute verhindern Impfungen weltweit 3,5 bis 5 Millionen Todesfälle pro Jahr. Selbst ein kleiner Vertrauensverlust kann […] eine Katastrophe sein.“
Doch damit nicht genug: Kennedy vertritt weitere Ansichten, die sich nicht mit der Wissenschaft, speziell der evidenzbasierten Medizin, in Einklang bringen lassen.
Hydroxychloroquin und Ivermectin, zwei Medikamente, die während COVID-19 traurige Berühmtheit erlangt haben, standen auf der Agenda des Politikers. Trotz zahlreicher Studien, die klar gegen beide Wirkstoffe sprechen, machte sich RFK Jr. für diese Pharmakotherapien stark. In einem Interview mit Fox News sagte er, weniger Menschen wären gestorben, wenn Hydroxychloroquin und Ivermectin zur Behandlung von COVID-19 flächendeckend verfügbar gewesen wären. Begründungen bleibt er schuldig.
Anfang des Monats verkündete Kennedy auch, er wolle die Fluoridierung von Trinkwasser stoppen. Denn das Salz würde die wachsenden Gehirne von Kindern schädigen. Neurotoxische Effekte treten laut Studien nur bei hohen Fluorid-Konzentrationen auf, nicht jedoch bei 0,5 bis 1,5 Milligramm pro Liter, wie von der WHO empfohlen. Ein Fluorid-Stopp hätte weitreichende Folgen. In Calgary, Kanada, wo die Fluoridierung 2011 eingestellt wurde, entwickelten Kinder mehr Karies als Gleichaltrige im benachbarten Edmonton mit Fluorid-haltigem Trinkwasser.
Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, zieht RFK Jr. in Zweifel, dass HI-Viren tatsächlich AIDS auslösen. Und Schießereien in Schulen führt er auf Antidepressiva zurück.
Wissenschaftler und Ärzte sind entsetzt: „Gesundheitspolitik braucht Evidenz, keine Meinungen“, sagt Prof. Beate Kampmann von der London School of Hygiene & Tropical Medicine. „Die Ernennung von RFK ist ein Schlag ins Gesicht der evidenzbasierten Gesundheitspolitik, einschließlich jener, welche die Grundlage für den Einsatz sicherer und wirksamer Impfstoffe in den Vereinigten Staaten von Amerika bildet.“
Die Ernennung von RFK Jr. ist nicht die einzige personell kontroverse Entscheidung im amerikanischen Gesundheitssektor unter Trump: Mehmet Oz – auch bekannt als „Dr. Oz“ – ein Herzchirurg, Fernsehmoderator und Autor, soll künftig die staatlichen Gesundheitsprogramme Medicare und Medicaid leiten. Bekannt wurde er durch eine populäre Gesundheits-Talkshow. Kritiker werfen ihm vor, Produkte und Behandlungen zu bewerben, deren Wirksamkeit nicht wissenschaftlich belegt ist.
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