Kinder sind keine kleinen Erwachsenen – weder medizinisch noch sozial. Wie man ihren Bedürfnissen bei einer Krebserkrankung gerecht wird, beschreibt eine neue Leitlinie.
Dass Kinder an Krebs erkranken, kommt gottlob sehr selten vor. Schon für einen Erwachsenen ist eine Tumorerkrankung eine existenzielle Erschütterung, um wie viel mehr erst für ein Kind. Hinzu kommt, dass auch Eltern und Geschwister stärker mitbetroffen sind als bei einem erwachsenen Patienten. Damit Kliniken den besonderen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen mit Krebs dennoch gerecht werden können, hat die Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie nun erstmals die S2k Versorgungsleitlinie „Empfehlungen für die strukturellen Voraussetzungen der pädiatrisch onkologischen und hämatologischen Versorgung“ herausgegeben.
Die Leitlinie legt sozusagen das Fundament für andere Leitlinien, die konkrete diagnostische und therapeutische Maßnahmen zum Thema haben. Entsprechend geht es in einem Drittel der 61 Seiten starken Leitlinie um die Ausstattung von kinderonkologischen Zentren – in einem weiteren Drittel um die Voraussetzungen für Diagnose und Therapie. Warum es hier besondere Expertise braucht, zeigt etwa die Pathologie: „Pädiatrische Tumorerkrankungen unterscheiden sich stark von denen im späteren Leben“, so die Autoren. „Die Kinderpathologie ist eher altersspezifisch als organspezifisch.“
Die Vertreter der insgesamt 24 Fachgesellschaften und Organisationen, die an der Leitlinie mitgearbeitet haben, waren sich weitestgehend einig bei den 72 Empfehlungen, die sie allesamt konsensbasiert verabschiedet haben. Das unterstreicht, wie angemessen die Forderungen der Leitliniengruppe offenbar sind. Bei insgesamt gut 1.500 Ja-Stimmen gab es nur 26 Enthaltungen und nur 3 Nein-Stimmen. Den stärksten „Dissens“ gab es mit 4 Enthaltungen bei 18 Ja-Stimmen bei einer Empfehlung zur personellen Ausstattung: „Für die Bereiche Psychologie und Soziale Arbeit sollte ein Stellenschlüssel von 2 Vollzeitstellen auf 44 Zentrumsfälle pro Jahr veranschlagt werden.“ Die 6 Statements der Leitlinie wurden dagegen alle einstimmig verabschiedet.
In Deutschland besitzen mehr als 250 Kinderkliniken keine Kinderonkologie. Dem stehen 50 kinderonkologische Abteilungen gegenüber. Die sollten so im Land verteilt sein, dass 95 % der Bevölkerung vom Wohnort zur Klinik nicht länger als eine Stunde Fahrtzeit haben. Für Grundversorgung und Notfälle können die kinderonkologischen Zentren mit anderen Kliniken und für die ambulante Versorgung mit Schwerpunktpraxen kooperieren.
Wie sehr auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen eingegangen werden soll, verdeutlichen beispielsweise die räumlichen Anforderungen. So sollten Stationen und Spezialambulanzen keine Durchgangsstationen, sondern baulich getrennt von anderen Bereichen sein. In den möglichst mit maximal zwei Patienten belegten Zimmern sollten jederzeit Begleitpersonen einquartiert werden können, und es sollte Spielzimmer und Highspeed-WLAN geben.
Zur medizinischen Ausstattung gehören unter anderem eine pädiatrische Intensivstation, eine gut erreichbare Kindernephrologie, ein kinderpalliativmedizinischer Dienst und ein Studienbüro, damit möglichst viele Patienten an Studien teilnehmen können. Zudem sollen SOPs für diverse Fälle bereitgehalten werden, wie etwa für eine kinderhämatologische Notfallsituation oder für den Umgang mit Tumorproben – vom Transport über die Verarbeitung bis hin zum Versenden. Zu den Tumorkonferenzen sollten zusätzlich immer auch Kinderradiologen, Kinderchirurgen, Strahlentherapeuten und Pathologen eingeladen werden.
Neben der Behandlung des Tumors ist auch das Soziale wichtig – alle Patienten und Angehörige sollen deshalb eine psychosozialen Basisversorgung angeboten bekommen. Und unabhängig vom Stadium der Erkrankung kann man über die Möglichkeit einer begleitenden palliativen Versorgung informieren, bei einer ungünstigen Prognose oder fortgeschrittener Erkrankung soll man sie dagegen aktiv anbieten.
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