„Bei kleinster Berührung springen die Milben sofort über!“ oder „Einmal Permethrin auftragen reicht!“ Um die Krätze ranken sich so einige Mythen. Zeit, damit aufzuräumen.
Köln, eine Diskussion am Büdchen. Ein wütender Mann brüllt: „Krätze! Ich kriege die Krätze!“ Ich spitze die infektiologischen Ohren: Lokaler Ausbruch? Parasitäre Probleme? Gesundheitsamt?
„Wer soll das denn bezahlen?!“
„Ja, isso!“, pflichtet eine Dame bei.
Aha, es geht offenbar um Mieterhöhungen und Lebensmittelkosten. Kein medizinischer Notfall …
Diese gängige Redewendung bedeutet: „Mir geht etwas total auf die Nerven!“ Aber eigentlich kommt der Ausdruck von Skabies. Was war das nochmal?
Die Krätze ist eine Hautkrankheit, verursacht durch die Weibchen der humanen Krätzemilbe (Sarcoptes scabiei). Die Milben graben sich in die Epidermis und machen dort verschiedene ekelhafte Sachen: Sie legen Eier in die gegrabenen Gänge und legen Kotballen ab. Nach Entwicklung der Eier schlüpfen Larven, diese treten an die Hautoberfläche, vermehren sich dort und das Drama beginnt von Neuem.
Was merken wir davon? Die ungewollte Untervermietung führt zu lokaler Hautschädigung und äußert sich in den typischen Symptomen eines symmetrischen papulösen oder papulovesikulösen Hautausschlags, verbunden mit stärkstem Juckreiz. Teilweise sind die 3 bis 7 mm großen Milbengänge direkt sichtbar.
Typische Prädilektionsstellen sind die Fingerzwischenräume, Handkanten/Handgelenke, Ellenbogen und Achsel sowie Genitalregion und Gesäß.Hand mit Krätze. Credit: Wiki Commons
Die oben geschilderten Symptome treten bei gesundem Immunsystem und Abwesenheit von Risikofaktoren auf. Durch den starken Juckreiz kratzen sich die Patenten kontinuierlich, der Leidensdruck ist groß.
Nein, tatsächlich hilft es, die Anzahl der Milben zu reduzieren!
Auch Waschen und eine erhaltene zelluläre Immunantwort halten die Infektion im Schach. Gefährlich wird es daher sowohl bei Immunsuppression (insbesondere HIV, Steroid-Therapie, Leukämie und Lymphomen) als auch bei Sensibilitätsstörungen der Haut – z. B. durch fortgeschrittenen Diabetes mellitus, Lepra, Demenz oder Rückenmarksschäden.
Dann kommt es zur massenhaften Verbreitung der Milben und Ausbildung der Maximalvariante Scabies crustosa. Zusätzlich ist dann das Risko von Superinfektionen (z. B. mit Staphylococcus aureus) erhöht, die zu unschönen Sekundärschäden wie Abzessen, Furunkeln bis hin zur Bakteriämie und Sepsis führen können.
Nein, bei Umarmung, Händeschütteln oder einer kurzen Untersuchung kommt es in der Regel nicht zur Infektion.
Tatsächlich reicht aber eine einzige schwangere Milbe oder mehrerer Larven für eine Infektion. Allerdings muss ein sehr enger Kontakt über mindestens 5 bis 10 Minuten stattfinden, wie z. B. bei der Pflege von Angehörigen, bei Stillen, beim Sex, beim Schlafen im selben Bett. Daher stecken sich häufig Mitglieder des gleichen Haushalts oder Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften an. Die Milbe braucht 30 Minuten, bis Sie sich in die Haut eingegraben hat, vorher kann sie durch simples Händewaschen entfernt werden.
Nein. Zwar steigen die Scabies-Zahlen und es gibt einen zeitlichen Zusammenhang mit Migrationsbewegungen. Allerdings konnte in mehreren Studien kein epidemiologischer Zusammenhang gefunden werden.
Nein. Die genauen Kriterien sind von der „International Alliance for the control of scabies“ festgelegt worden: Goldstandard ist der Nachweis einer Skabiesmilbe, ihrer Eier oder Kotballen (Skybala). Dies kann durch Eröffnen eines Ganges und nachfolgender Mikroskopie erfolgen. Auch mit einem Dermatoskop sind die „Produkte“ der Milben mit hoher Sensitivität detektierbar.
Skabies-Diagnostik. Quelle: Ärzteblatt
Die häufige klinische Diagnose aufgrund sichtbarer Hautveränderungen ist nur als Therapiegrundlage zulässig, wenn die Anamnese passt und andere Differentialdiagnosen unwahrscheinlicher sind.
Nein, so leicht ist das nicht. Erstmal braucht man ziemlich viel Creme (25 bis 30 g!) – das ist viel mehr als man nach Gefühl einsetzen würden. Wichtig ist, die Creme für 8 bis 12 h nicht abzuwaschen, um ein ausreichendes Einwirken zu gewährleisten. Permethrin wirkt akarizid und ovozid, zerstört also sowohl Eier als auch Milben. Wegen häufigem Therapieversagen (doch zu wenig Creme/manche Hautstellen nicht erfasst) wird aber mittlerweile eine Wiederholung der Therapie nach 7 bis 10 Tagen empfohlen.
Bei schwereren Verlaufsformen wird in der Dosis von 200 μg/kgKG systemisch mit Ivermectin therapiert, bei einem 75 kg schweren Menschen sind das 5 Tabletten à 3mg. Ivermectin wirkt nur akarizid, daher muss hier in jedem Fall eine erneute Therapie erfolgen – aus den therapeutisch nicht erfassten Eiern sind mittlerweile neue Untermieter geworden. Der Juckreiz kann über einige Wochen noch bestehen bleiben – als Reaktion auf absterbende Milben.
Ganz wichtig: ALLE Familienmitglieder müssen ebenso wie Sexualpartner mitbehandelt werden, zudem müssen persönliche Gegenstände wie Kleidung, Bettwäsche etc. gereinigt und 2 Wochen verschlossen „in Quarantäne“ gesteckt werden – alternativ geht auch Einfrieren für mindestens 5 Stunden.
Wenn man all diese Maßnahmen beherzigt, bekommt man die Erkrankung gut in den Griff.
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