Wenn ein Patient nicht mehr leben möchte und mit diesem Wunsch in eure Hausarztpraxis kommt, sind einige Regeln zu beachten. Welche das sind, lest ihr hier.
Des Lebens müde sein – wenn sich dieses Gefühl manifestiert und es beim Besuch in der Hausarztpraxis angesprochen wird, stehen Ärzte vor einem Dilemma: Hier der ärztliche Auftrag, Leben zu erhalten, dort das Gebot, die Patientenautonomie zu respektieren. Wie Ärzte damit umgehen können, hat nun die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin in ihrer S1-Handlungsempfehlung Der Umgang mit dem Wunsch nach Suizidassistenz in hausärztlichen Praxen zusammengefasst.
Bis vor drei Jahren kam zum ethischen Konflikt noch ein juristischer dazu: Während das Strafgesetzbuch für die Beihilfe zum Suizid keine Strafen vorsah, hob erst der Deutsche Ärztetag im Mai 2021 das Verbot der Suizidassistenz auf. Ärzte sind allerdings nicht verpflichtet, den Sterbewunsch zu erfüllen.
Mit Suizidassistenz ist gemeint, dass Ärzte Mittel zum Suizid bereitstellen, aber die Patienten das Sterben selbst einleiten. Davon abzugrenzen sind die ebenfalls straffreie indirekte Sterbehilfe, bei der der Tod als Folge der Symptomlinderung in Kauf genommen wird, sowie der Behandlungsabbruch, bei dem von kurativer auf palliative Therapie umgestellt wird. Strafbar ist dagegen nach wie vor das Töten auf Verlangen, bei der ein Arzt das tödliche Mittel auch verabreicht. Die Begriffe „aktive“ oder „passive“ Sterbehilfe seien inzwischen obsolet, meinen die Autoren.
Straffrei ist die Suizidassistenz allerdings nur unter bestimmten Bedingungen:
Laut einer Studie sind die häufigsten Gründe für einen Sterbewunsch die fehlende Lebensperspektive bei schwerer Erkrankung (29 %), Angst vor Pflegebedürftigkeit (24 %), allgemeine Lebensmüdigkeit ohne schwere Erkrankung (21 %) sowie nicht behandelbare psychiatrische Erkrankung und unerträgliche Symptome einer schweren Erkrankung.
Wie der Arzt selbst zum Freitod steht, darf in den Gesprächen mit den Patienten keine Rolle spielen. Deshalb rät die Leitlinie Ärzten, sich selbst über ihre persönliche Haltung klar zu werden, damit sie diese dann bewusst ausblenden können. Außerdem sollen Ärzte jegliche Wertung unterlassen – selbst eine Zustimmung, und sogar die Bemerkung, den Wunsch des Patienten nachvollziehen zu können. Das könnte schließlich als ärztliche Bestätigung verstanden werden, dass der Patient sein Leben besser beenden solle. Andererseits sollen Ärzte einen „vermuteten Sterbewunsch“ von sich aus ansprechen.
Mehrere Gespräche mit Zeit und angemessenem Abstand sind wichtig, um sicherzustellen, dass die Bedingungen für eine Suizidassistenz erfüllt sind. Es könnte beispielsweise sein, dass hinter der Äußerung, sterben zu wollen, vielleicht etwas anderes steckt: Patienten wollen womöglich nur in Ruhe über das Thema Sterben und ihre Angst vor dem Tod sprechen, wünschen sich eigentlich Hilfe und Anteilnahme oder wollen wieder das Gefühl bekommen, selbst handeln zu können. Oder sie wollen – auch das gibt es wohl – den Arzt provozieren oder manipulieren. Die Leitlinie betont deshalb, dass die Bitte um Suizidassistenz kein Handlungsauftrag ist.
Es kommt durchaus vor, dass Patienten Lebensmut zurückgewinnen und vom Sterbewunsch Abstand nehmen, etwa wenn eine bis dahin nicht diagnostizierte Depression behandelt wird, ihr Leiden von einem Arzt anerkannt wird und es sich durch Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie sowie durch eine Änderung der Wohn- oder Pflegesituation verbessert.
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