Wenn Kinder fiebern, kommen Erwachsene ins Schwitzen: Was hilft? Und ab wann wird es problematisch? Was ihr besorgten Eltern raten könnt – und von welchen Methoden abzuraten ist.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
„Mein Kind hat Fieber – was soll ich tun?“ Mit dieser Frage ist jeder Arzt täglich konfrontiert, der in seiner Praxis Kinder behandelt. Auf studiengesicherter, durch Leitlinien gestützter Basis sollen diese Ausführungen sichere Hilfen aufzeigen für die zentralen Fragen: Welche diagnostischen Schritte sind wann angezeigt? Was bietet sich als gesicherte Therapie in welcher Situation an? Was ist verzichtbar in der Diagnostik? Und welche Formen der Behandlung sollten vermieden werden?
Von Fieber sprechen wir, wenn die rektal gemessene Temperatur 38 °C übersteigt. Bei allen anderen Messmethoden – die zudem mit hoher Fehleranfälligkeit behaftet sind – liegt die gemessene Temperatur i. d. R. 0,3–0,6 °C niedriger. Fieber ist an sich nichts Pathologisches, sondern eine in der Regel durch Pyogene auf der Oberfläche von Bakterien oder zerstörten Zellen ausgelöste, oft durch das Zytokin IL-1ß vermittelte Sollwertverstellung der Körpertemperatur im Hypothalamus. Diese hemmt sicher die Replikation von Bakterien und Viren und stimuliert darüber hinaus körpereigene Immunreaktionen. Am häufigsten wird Fieber bei Kindern induziert: Durch virale Atemwegsinfekte und deren Komplikationen – wie Otitis media, Bronchopneumonien und eitrige Tonsillitiden, Gastroenteritiden sowie Harnwegs-Infektionen – im Prodromalstadium typischer exanthematischer Kinderkrankheiten. Immer muss auch an Bewegungstemperaturen und Durstfieber gedacht werden.
1. Anamnese: Seit wann besteht Fieber? Wie hoch ist es maximal angestiegen? Gibt es tageszeitliche Schwankungen? Welche Begleitsymptome sind aufgetreten?
2. Körperliche Untersuchung: Diese umfasst den Allgemein- und Schmerzzustand, die gesamten inneren und HNO-Organe bis zum orientierenden neurologischen Status (Meningismus?). Entscheidend für das weitere Prozedere ist immer der Gesamteindruck eines mit Kindern der jeweiligen Altersstufe erfahrenen Arztes – und die Kompetenz der zur häuslichen Betreuung detailliert informierten Eltern. Bei klinisch unklarem Fieber sollte immer schnellstmöglich ein Urinstatus erhoben werden.
A = Appearance – Erscheinungsbild/Bewusstseinslage/Allgemeinzustand
B = Work of Breathing – Atmung/Atemarbeit
C = Circulation – Hautperfusion (am einfachsten: Rekapillarisierungszeit Stirn)
Ziel ist nicht, eine abschließende Diagnose zu stellen, sondern behandlungsbedürftige Probleme rasch zu erkennen!
3. Re-Evaluation: Sollte ein nicht geklärter Fieberzustand fortbestehen, ist ein erneuter klinischer Status je nach Alter des Kindes (je jünger, desto rascher) nach 6–12–24 h angezeigt, nun ergänzt durch Labordiagnostik wie Blutbild mit Diff-BB, CRP, Rachenabstrich, Urin-, Blutkultur, Stuhlprobe, sowie ggf. apparative Diagnostik.
Immer muss spätestens jetzt entschieden werden, ob eine stationäre Behandlung indiziert sein könnte, dies vor allem bei Vorliegen von Lethargie, fehlendem Blickkontakt, Dehydratationszeichen, Hautblutungen, unklarem Exanthem, Meningismus oder einer über 60/min angestiegenen Atemfrequenz; bei Säuglingen stets, wenn keine sichere „harmlose“ Diagnose gestellt werden konnte.
Eltern fiebernd kranker Kinder sind zumeist in großer Sorge und neigen dazu, das Fieber medikamentös beseitigen zu wollen. Hier ist immer neu die ärztliche Aufklärung gefordert, die das Fieber als ein Symptom vermittelt: Als zumeist sinnvolle Reaktion des Körpers („Fieber nützt, Fieber schützt“) auf eine Infektionserkrankung, die per se keine medikamentöse Therapie erforderlich macht. Auch tritt eine kritische, potenziell schädigende Temperaturerhöhung (>41.5°C) nur extrem selten ein. Selbst Fieberkrämpfe werden nicht durch extrem hohe Temperaturen ausgelöst, sondern vielmehr durch (zumeist initialen) raschen Fieberanstieg. Viel wichtiger als Antipyretika sind Ruhe für das Kind und ausreichende Flüssigkeitszufuhr (pro Grad Temperaturerhöhung mindestens + 10 %). Der Einsatzzeitpunkt einer Schmerz-Fieber-Medikation sollte vor allem entsprechend dem Allgemeinzustand des Kindes bestimmt werden. Ist dieses stark beeinträchtigt, kann es z. B. vor Schmerzen nicht schlafen, dann können Antipyretika rasche Linderung bringen.
Zum Einsatz kommen sollte – ganz gleich in welcher Applikationsform – in erster Linie Ibuprofen (5–7, 5–10mg/kgKG bis zu 4 x tgl) oder Paracetamol (10–15 mg/kgKG 4–6 x tgl). Als Ausweichmedikament steht (nicht bei Säuglingen < 3 Monaten) Metamizol zur Verfügung (10–15 mg/kgKG 3–4 x tgl). ASS darf bei Kindern bis zum Alter von 15 Jahren nicht verwendet werden (Gefahr Reye-Syndrom).
Weitaus wichtiger als eine Fiebersenkung einzuleiten ist, es sicherzustellen, dass die Eltern ihr Kind zuhause kontinuierlich qualifiziert betreuen und beaufsichtigen. Eine rasche Wiedervorstellung für den Fall einer klinischen Verschlechterung sollte fest vereinbart werden. Diese muss erfolgen, wenn ein Kind rezidivierend erbricht, wenn plötzlich unklare Schwellungen, ein Exanthem oder gar Petechien aufscheinen, wenn die periphere Durchblutung schlechter wird, die Haut sich gar (perioral) zynotisch verfärbt, es zu Tachy- oder Dyspnoe kommt, wenn sich Oligurie entwickelt oder die Urin-Produktion sistiert. Auch Gliederschmerzen sollten ernst genommen werden, vor allem wenn diese zu Bewegungs-Einschränkungen oder gar zu schmerzbedingtem nächtlichen Aufwachen führen. Das Auftreten von zunehmender Apathie, gar Somnolenz stellt weitere Indikationen für zwingend unverzügliches Aktivwerden dar. Ebenso, wenn den Eltern ihr Kind „kränker erscheint als jemals zuvor“!
Ungeklärtes Fieber, das länger als 7 Tage bestehen bleibt, stellt immer eine besondere Herausforderung für den betreuenden Arzt dar. Alle Studien zeigen, dass die präzise, detaillierte Anamnese und wiederholte klinische Untersuchungen in der Regel weit effizienter sind als ausufernde Labor- und apparative Diagnostik. Weiterhelfen können zum Beispiel eine präzise Familienanamnese, die Frage nach Tierkontakten und Reisen in der näheren Vergangenheit, aber auch nach (Dauer-)Medikationen, früheren stationären Aufenthalten, Vorerkrankungen, Operationen und – nicht zu vergessen – anderen (auch para-)medizinischen Kontakten. Zwischen 70 und 90 % aller anhaltenden Fieberzustände lassen sich so klären.
Weiterführende Diagnostik ist anzuraten, wenn chronische oder häufig rezidivierende Fieber-Residuen auftreten oder weitere Zeichen einer pathologischen Infektanfälligkeit, oft kombiniert mit anhaltendem Gewichtsverlust oder gar einer chronischen Gedeihstörung. In diesen Fällen weist manchmal auch die Familienanamnese Immundefekte, Infektanfälligkeit oder Konsanguinität aus. GARFIELD leitet zu typischen Manifestationen einer primär gestörten Immunregulation (Tab. 1), klinische und Laborbefunde zu sekundären Störungen des Immunsystems (Tab. 2, 3, 4 und 6):
Die bei weitem häufigste und wichtigste Aufgabe im Praxisalltag besteht darin, Kinder, die lediglich eine physiologische Infektanfälligkeit aufweisen, vor weiterführender Diagnostik zu bewahren. Auch bei Hinweisen auf das Vorliegen einer pathologischen Infektanfälligkeit kann schon in der hausärztlichen Praxis unschwer eine sinnvolle Diagnostik durchgeführt werden (Tab. 5).
Durch die aufgeführten Untersuchungen lassen sich die meisten der häufigen Immunabwehr-Störungen sicher verifizieren und ggf. einer gezielten Therapie zuführen. Weiterführende Schritte der Abklärung – vor allem bei besonders schweren oder seltenen Krankheitsbildern – sowie ggf. die Einleitung umfangreicher und spezieller therapeutischer Maßnahmen erfolgen i. d. R. in Zusammenarbeit mit einer spezialisierten (Uni-)Klinik-Ambulanz. Oftmals erfordert dies auch stationäre Aufenthalte, zu denen Eltern ggf. motiviert werden müssen.
Glücklicherweise gilt auch bei den vielfältigen Krankheitsbildern, die hinter dem Symptom „rezidivierendes/unklares Fieber im Kindesalter“ stecken können, die Kardinalregel (nicht nur in der ärztlichen Praxis): Häufige Dinge sind häufig und seltene selten. Die weit überwiegende Zahl dieser Fieberfälle kann allein durch sorgfältige klinische Diagnostik und durch einige ergänzende Schritte in der ärztlichen Praxis sicher abgeklärt und ggf. sinnvollen therapeutischen Schritten zugeführt werden.
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