Alle wissen: Defi-Elektroden gehören an die anterolaterale Position – dabei ist das nicht zwangsläufig optimal. Aber sind die Alternativen vielversprechender? Was wir bisher wissen.
Wenn das Herz eines Menschen plötzlich aufhört zu schlagen, zählt jede Sekunde. Joshua Lupton, Facharzt für Notfallmedizin hatte Glück im Unglück – und 2016 einen Herzstillstand überlebt.
An Details kann er sich nicht erinnern. Von Erzählungen weiß Lupton, dass Ersthelfer sein Herz geschockt haben, mit Erfolg. Er überlebte und schloss sein Medizinstudium genau in dem Krankenhaus ab, in dem er mehrere Tage auf der Intensivstation verbracht hatte – an der Johns Hopkins University in Baltimore. Lupton entschied sich daraufhin, Möglichkeiten zur Optimierung der Erstversorgung von Patienten mit Herzstillstand zu untersuchen.
Der Bedarf an besseren Interventionen jedenfalls ist hoch: Im Jahr 2023 sind deutschlandweit rund 55.000 Menschen nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand durch den Rettungsdienst reanimiert worden. Bei rund 51 % hatten Ersthelfer zuvor mit der Wiederbelebung begonnen. 70 % aller Reanimationen fanden zu Hause statt, 15,4 % im öffentlichen Raum. 32,5 % aller Betroffenen konnten mit ROSC (mit einer Rückkehr des spontanen Kreislaufs) in ein Krankenhaus aufgenommen werden. Die 30-Tage-Überlebensrate bzw. Entlassungsrate lag bei 10,4 %. Was lässt sich vielleicht besser machen?
Bei der üblichen Anterior-Lateral-Position wird eine Elektrode unter dem rechten Schlüsselbein und die andere unter der linken Achselhöhle angebracht. Credits: Wikimedia Commens / GO (MedPlus Medizintechnik GmbH), CC BY 4.0
Lupton und Kollegen der Oregon Health and Science University haben herausgefunden, dass die Platzierung von Defibrillatorelektroden in einer anteriorposterioren Position (AP) – sprich eine Elektrode auf der Vorderseite des Brustkorbs und eine am Rücken – wohl effektiver ist als die übliche anteriorlaterale Position (AL), bei der beide Elektroden auf der Vorderseite des Brustkorbs festgeklebt werden.
Die Wissenschaftler nutzten Daten aus dem Portland Cardiac Arrest Epidemiologic Registry. Das Einzugsgebiet umfasste mehr als 550.000 Einwohner. In den Aufzeichnungen waren auch Angaben zur Platzierung der Defibrillator-Pads zu finden. Eingeschlossen wurden 255 Patienten, die einen außerklinischen Herzstillstand (OHCA, out-of-hospital cardiac arrest) mit schockbarem Herzrhythmus erlitten hatten. Zu den schockbaren Herzrhythmen gehören Kammerflimmern, Kammerflattern und die pulslose ventrikuläre Tachykardie.
Die Patienten waren im Median 66 Jahre alt; 24,7 % waren Frauen. Beim Anlegen der Elektroden wählten Rettungsdienst-Mitarbeiter in 158 Fällen die AP- und in 97 Fällen die AL-Position; das geschah nach eigenem Ermessen.
Bei Patienten mit AP-Platzierung der Elektroden war die Odds Ratio (OR) für einen ROSC zu jedem Zeitpunkt höher (2,64), verglichen mit der anderen Gruppe. Die Studie ergab auch, dass die AP-Platzierung bei schwereren Patienten besser zu funktionieren schien. Mit zunehmendem Körpergewicht des Patienten nahm die Wirksamkeit der AL-Platzierung ab, während die AP-Platzierung durchweg wirksam blieb.
Bleibt als Problem: Die Wissenschaftler fanden für einen Puls beim Eintreffen in der Notaufnahme (OR 1,34), für ein Überleben bis zur Aufnahme ins Krankenhaus (OR 1,41) oder für ein Überleben bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus (1,55) keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Studienarmen. Die Gründe sind unklar; womöglich liegt es an der fehlenden Randomisierung oder an der kleinen Kohorte. Nachteilig war die AP-Platzierung jedenfalls nicht.
„Auch wenn die Studie keine signifikanten Unterschiede in den langfristigen Überlebensraten zwischen beiden Pad-Positionen ergab, könnte die erhöhte Wahrscheinlichkeit, einen ROSC mit der AP-Platzierung zu erreichen, eine entscheidende Rolle spielen“, vermuten die Autoren. „Jede Minute ohne Herzschlag verringert die Überlebenschancen eines Menschen, so dass alles, was dazu beiträgt, das Herz schneller wieder in Gang zu setzen, potenziell mehr Leben retten kann.“
Wie geht es jetzt weiter? „Unsere Ergebnisse stellen Richtlinien in Frage“, schreiben Lupton und Kollegen. Das European Resuscitation Council empfehle die AL-Anordnung als Position der Wahl, während Richtlinien der American Heart Association beide Positionen als sinnvoll einstufen würden. „Unsere Studie deutet darauf aber hin, dass AP möglicherweise die bessere erste Wahl ist.“
Die Studie hat mehrere Einschränkungen. Dazu gehört das Design als Beobachtungsstudie: So hat das Notfallteam selbst entschieden, wie die Elektroden platziert werden; dies geschah nicht randomisiert. Und das Körpergewicht basierte auf Schätzungen der Rettungsdienst-Mitarbeiter. Erschwerend kommt hinzu, dass nur ein Rettungsdienst-Unternehmen eingeschlossen worden ist. Nicht zuletzt ist die Kohorte recht klein; weitere Untersuchungen sind also mehr als sinnvoll, um den tatsächlichen Nutzen der AP-Positionierung zu klären.
Quelle
Joshua R Lupton et al. Initial Defibrillator Pad Position and Outcomes for Shockable Out-of-Hospital Cardiac Arrest. JAMA Netw Open. 2024. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2024.31673
Bildquelle: César Badilla Miranda, Unsplash