„Ich hab Rücken!“ – hören Ärzte allzu oft. Doch statt gleich ein Schmerzmittel oder gar das Skalpell zu zücken, könnte es sich lohnen, Patienten einfach nur zuzuhören. Was hat es damit auf sich?
Nach Infekten der Atemwege und psychischen Erkrankungen zählen Muskelskeletterkrankungen wie Rückenschmerzen zu den häufigsten Gründen für Krankschreibungen. Das zeigen Analysen der Fehltage gesetzlich Versicherter. Häufig handelt es sich um idiopathische Rückenschmerzen, Ärzte finden also keine organische Ursache.
US-Forscher haben jetzt in einer Studie gezeigt, dass Behandlungsergebnisse bei chronischen Rückenschmerzen mit der Empathie des Arztes in Verbindung stehen. Ergebnisse ihere Arbeit haben sie in JAMA Network Open veröffentlicht.
Zum Hintergrund: Oft ist die Ursache chronischer Rückenschmerzen unklar. Patienten kritisieren dann, sie würden vom Arzt nicht ernst genommen: ein Hinweis auf zu wenig Empathie. Doch welche Rolle spielt dies bei Schmerzen?
Genau damit haben sich John C. Licciardone vom Health Science Center der University of North Texas in Fort Worth, USA, und Kollegen befasst. Für ihre Kohortenstudie haben sie Antworten aus Fragebögen von erwachsenen Patienten mit chronischen Rückenschmerzen unter die Lupe genommen. Insgesamt werteten sie Ergebnisse von 1.470 Patienten im Durchschnittsalter von 53 Jahren aus.
Die Teilnehmer, rund drei Viertel davon waren Frauen, hatten sich zwischen 1. April 2016 und 25. Juli 2023 ins Schmerzregister für epidemiologische, klinische und interventionelle Studien und Innovationen (PRECISION) eingetragen. Alle waren durchgängig bei nur einem Arzt in Behandlung und gaben über einen Zeitraum von zwölf Monaten regelmäßig Feedback an die Forscher.
Die Wissenschaftler untersuchten den Behandlungserfolg der Therapien gegen chronische Rückenschmerzen, indem sie anhand von Fragebögen und Scoring-Tools die Schmerzintensität, die Einschränkung der Funktion und die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQOL) erhoben. HRQOL umfasst Aspekte wie Angstzustände, Depressionen, Müdigkeit, Schlafstörungen und Schmerzstörungen aufgrund chronischer Schmerzen.
Das Besondere an der Studie: Licciardones Team ließ alle Teilnehmer die Empathie ihrer behandelnden Ärzte anhand des CARE-Tools (Consultation and Relational Empathy) bewerten. Es umfasst Fragen wie „Bietet der Arzt emotionale Unterstützung und zeigt er echtes Interesse am Wohle des Patienten?“, „Wie aufmerksam hört der Arzt dem Patienten zu?“, „Gibt er ihm das Gefühl, ernst genommen zu werden?“ oder „Fördert der Arzt eine gemeinsame Entscheidungsfindung im Behandlungsprozess?“
Teilnehmer konnten jede der zehn Fragen mit 1 für schlecht; 2 für mittelmäßig; 3 für gut; 4 für sehr gut und 5 für ausgezeichnet bewerten. Ärzte, die weniger als 29 Punkte erhielten, wurden als „weniger empathisch“, solche mit mehr als 30 Punkten als „sehr empathisch“ eingestuft.
Bei der Auswertung zeigte sich, dass Patienten, die von sehr einfühlsamen Ärzten behandelt wurden, über einen Zeitraum von zwölf Monaten signifikant bessere und klinisch relevante Ergebnisse aufwiesen als Probanden, die von wenig einfühlsamen Ärzten behandelt worden sind. Das bezog sich auf Schmerzen, auf die Funktionalität und auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität.
Die Empathie der Behandler war auch stärker mit einer Verbesserung dieser Endpunkte assoziiert als nicht-pharmakologische Behandlungen, Opioide oder Operationen an der Lendenwirbelsäule.
„In dieser Kohortenstudie mit erwachsenen Patienten mit chronischen Schmerzen war ärztliches Einfühlungsvermögen mit besseren Ergebnissen über hinweg zwölf Monate verbunden“, schreiben die Autoren. „Größere Anstrengungen zur […] Verbesserung des ärztlichen Einfühlungsvermögens scheinen gerechtfertigt zu sein.“ Empathie sei ein wesentlicher Aspekt der Arzt-Patienten-Beziehung bei der Versorgung.
In ihrer Veröffentlichung weisen die Forscher auch darauf hin, dass es Diskussionen in der medizinischen Community gebe, ob Empathie überhaupt erlernbar sei oder eher eine Grundvoraussetzung für den Beruf und die Berufung im Gesundheitswesen darstellen solle.
In eine ähnliche Richtung geht beispielsweise in Deutschland der IKM-Test, den Forscher an der Universität Heidelberg entwickelt haben. Ihr Ziel ist, schon bei angehenden Medizin-Studenten die „interaktionelle Kompetenz Medizin“ beziehungsweise ihre sozial-kommunikativen und empathisch-emotionalen Fähigkeiten als grundlegende Befähigung für den Heilberuf zu evaluieren.
„Ein Arzt, der nicht empathisch ist, kann nicht gut heilen“, das soll schon Hippokrates von Kos gesagt haben. Das Zitat des „Vaters der Medizin“ ist aktueller denn je.
Quelle:
Licciardoneet al. Physician Empathy and Chronic Pain Outcomes. JAMA Netw Open, 2024. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2024.6026
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