Einst als bewusstseinserweiternde Droge der Hippie-Generation verfemt, entdecken Forscher jetzt den pharmakologischen Mehrwert von LSD und Psilocybin neu. Firmen haben kein allzu großes Interesse einzusteigen - was vor allem an fehlenden Möglichkeiten der Vermarktung liegt.
Eigentlich war er auf der Suche nach neuen Kreislaufstimulanzien, als Albert Hofmann (1906-2008) vor 70 Jahren Lysergsäurediethylamid (Lysergid, LSD) entdeckte. Kurze Zeit als Psychopharmakon Delysid® zugelassen, entwickelte sich Hofmanns „Sorgenkind“ rasch zur Modedroge der Blumenkinder. Neue Arbeiten zeigen, dass in LSD weitaus mehr steckt als vermeintliche Bewusstseinserweiterung – bei geringeren Gefahrenpotenzialen als angenommen. Stoppt die Sucht Bereits 2012 gingen Teri S. Krebs und Pål-Ørjan Johansen aus Norwegen der Frage nach, ob LSD beim Alkoholabusus positive Effekte zeigt. Etablierte Pharmakotherapien stoßen nach wie vor an ihre Grenzen. Die Forscher werteten sechs kontrollierte Studien mit insgesamt 536 alkoholabhängigen Patienten aus. Ihr Resultat: LSD führte zu einer signifikant höheren Rate an dauerhafter Abstinenz. Grund genug für Michael Bogenschutz, University of New Mexico, das Thema weiter zu verfolgen. Bei seiner Phase-II-Studie verwendet er jedoch Psilocybin, einen Inhaltsstoff aus Pilzen, der LSD-ähnliche Effekte zeigt. Alle Teilnehmer erhalten die Substanz in verträglicher Dosierung unter ärztlicher Kontrolle. Ergänzend kommt eine Verhaltenstherapie mit hinzu. In einer weiteren Studie untersucht Peter Hendricks von der University of Alabama, Birmingham, ob Patienten mit Kokainabhängigkeit von Psilocybin profitieren. Wertvoll am Lebensende Palliativmediziner beginnen ebenfalls, psychedelische Substanzen für ihre Arbeit neu zu entdecken. Charles Grob nahm zwölf Patienten in eine Doppelblindstudie auf. Alle Teilnehmer litten an Tumorerkrankungen im Endstadium und hatten mit Angststörungen zu kämpfen. Sie erhielten gemäß Cross-Over-Design Psilocybin oder Placebo. Dabei wurden wichtige Vitalparameter überwacht. Zwar erhöhten sich Herzfrequenz und Blutdruck, zu gefährlichen Komplikationen kam es aber nicht. Um erwünschte Effekte zu quantifizieren, griff Grob zum Beck Depression Inventory (BDI), zum Profile of Mood States (POMS) und zum State-Trait Anxiety Inventory (STAI). Die Resultate: Im Vergleich zu Placebo nahmen Angst und Depression über Monate signifikant ab – wohlgemerkt nach der einmaligen Gabe von Psilocybin. Die Forschergruppe sieht im Naturstoff große Potenziale, um Menschen palliativ bei Angststörungen zu unterstützen. Eine weitere Studie, für die gerade Teilnehmer rekrutiert werden, geht Fragen zur Dosisfindung nach. Auch Peter Gasser, Psychiater und Psychotherapeut aus der Schweiz, bekam die Erlaubnis, mit LSD zu forschen. Er führte eine doppelblinde, randomisierte, Placebo-kontrollierte Pilotstudie durch, um Sicherheit und Wirksamkeit von Lysergsäurediethylamid zu prüfen. Alle zwölf Teilnehmer litten unter lebensbedrohlichen Erkrankungen und Angststörungen. Sie erhielten neben dem Wirkstoff oder Placebo Psychotherapie-Sitzungen. Anhand des State-Trait Anxiety Inventory (STAI) zeigte Gassner eine signifikante Verringerung der Angst – und zwar für bis zu zwölf Monate. Schwerwiegende Nebenwirkungen traten auch hier nicht auf. „Diese Ergebnisse zeigen, dass LSD in einer sicheren Umgebung zusammen mit Psychotherapien Ängste reduzieren kann“, kommentiert Gasser. Ausgehend von seiner Pilotstudie hält er größere kontrollierte Studien für gerechtfertigt. Das Hirn bleibt heil Trotz vielversprechender Resultate stoßen Arbeiten mit Psychedelika auf Kritik – wegen vermeintlich schädigender Effekte. Teri S. Krebs und Pål-Ørjan Johansen gaben sich damit nicht zufrieden. Sie werteten über das National Survey on Drug Use and Health Daten von 130.152 US-Amerikanern aus. Nach eigenen Angaben konsumierten 21.967 regelmäßig LSD, Psilocybin oder Mescalin. Weitere Risikofaktoren für psychische Erkrankungen wurden ebenfalls berücksichtigt. Ihr Fazit: Bei Konsumenten traten fortbestehende Wahrnehmungsstörung nach Halluzinogen-Gebrauch (Hallucinogen Persisting Perception Disorders HPPD) nicht häufiger auf. Krebs und Johansen fanden sogar Hinweise, dass Patienten seltener auf Psychopharmaka zurückgreifen und weniger mit Angststörungen zu kämpfen haben. Hier stoßen retrospektive Studien schnell an ihre Grenzen. Bleibt als Kernaussage, dass psychedelische Substanzen allein keine psychischen Störungen auslösen, resümieren die Autoren. Hersteller lehnen ab Trotz dieser hoffnungsvollen Datenlage zeigen Arzneimittelhersteller kein großes Interesse, sich mit entsprechenden Wirkstoffen zu befassen. Liegt es wirklich nur an der Stigmatisierung? Peter Gasser vermutet in einem Interview ganz andere Beweggründe, Stichwort Palliativtherapie: „Warum soll ein Unternehmen einen lizenzfreien, extrem günstig herstellbaren Wirkstoff produzieren, der dann nur zwei- oder dreimal am Ende des Lebens genommen wird?“