Auch in diesem Jahr wurden auf dem europäischen Krebskongress zahlreiche Studien präsentiert, die das Potenzial haben, die klinische Praxis zu verändern. Wir stellen euch die wichtigsten vor.
Die PEACE-3-Studie untersuchte die Zugabe von Radium-223 (Ra223) zu Enzalutamid bei Männern mit ossär metastasiertem und kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC). Insgesamt wurden 446 Patienten 1:1 entweder Enzalutamid allein oder der Kombination Enzalutamid plus Ra223 zugeteilt. Die Kombination mit Ra223 führte hierbei zu einer signifikanten Verbesserung des radiologischen progressionsfreien Überlebens (rPFS) (HR 0,69; p=0,0009) mit einem medianen rPFS von 19,4 Monaten im Vergleich zu 16,4 Monaten im Enzalutamid-Arm. Eine signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens (OS) wurde in einer Interims-Analyse ebenfalls bereits beobachtet (HR 0,69; p=0,0031).
Die Nebenwirkungen ≥ Grad 3 nahmen durch Ra223 nicht erheblich zu, wenngleich Bluthochdruck und Müdigkeit häufiger auftraten. Die Kombination von Enzalutamid und Ra223 bietet somit eine vielversprechende Therapieoption für Patienten mit ossär metastasiertem mCRPC und verbessert sowohl das progressionsfreie als auch das Gesamtüberleben.
Die POD1UM-303-Studie beschäftigt sich mit einer Tumorentität, die wir unglücklicherweise nicht allzu häufig in den Schlagzeilen sehen: Untersucht wurde der PD-1-Inhibitor Retifanlimab in Kombination mit Carboplatin/Paclitaxel als Erstlinientherapie bei Patienten mit inoperablem lokal rezidiviertem oder metastasiertem Plattenepithelkarzinom des Analkanals (SCAC). Insgesamt wurden 308 Patienten in diese 1:1-randomisierte, doppeltblinde Phase-III-Studie eingeschlossen. Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt und die Kombination aus Retifanlimab und Chemotherapie verlängerte das mediane PFS signifikant von 7,4 Monaten im Placebo- auf 9,3 Monate im experimentellen Arm (HR 0,63; p=0,0006).
Trotz noch nicht ausgereifter OS-Daten zeigt sich bereits ein starker Trend zu einem verbesserten Gesamtüberleben (29 vs. 23 Monate). Zusammenfassend stellt die Chemo-Immuntherapie-Kombination mit Retifanlimab mit signifikant verbessertem PFS und voraussichtlich auch OS einen möglicherweise neuen Standard in der Erstlinienbehandlung des fortgeschritten Analkarzinoms dar.
In dieser Phase-III-Studie wurde Pembrolizumab in Kombination mit einer simultanen Chemoradiotherapie mit Cisplatin (CCRT) bei Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom untersucht. In einer ersten Interims-Analyse hatte sich bereits eine signifikante Verbesserung des PFS durch die Kombinationsbehandlung gezeigt, woraufhin die FDA diese auch für die Stadien III–IVA zugelassen hatte. Auf dem ESMO wurden nun die finalen OS-Daten vorgestellt. Gewissermaßen erwartungsgemäß zeigte sich unter Pembrolizumab + CCRT bei insgesamt 1.060 randomisierten Patienten eine signifikante Verbesserung des OS mit einem 36-Monats-Überleben von 82,6 % vs. 74,8 % (HR 0,67; p=0,004). Die beobachteten Überlebensvorteile zeigten sich erfreulicherweise auch über alle relevanten Subgruppen hinweg. Somit unterstützen auch diese Daten einen Einsatz von Pembrolizumab + CCRT als neuen Erstlinien-Standard in der Behandlung des fortgeschrittenen Zervixkarzinoms.
Die LEAP-012-Studie ergänzte die Standardtherapie einer transarteriellen Chemoembolisation (TACE) bei Patienten mit intermediärem hepatozellulärem Karzinom (HCC) um die Kombination von Lenvatinib und Pembrolizumab. Die Kombination führte in dieser Interims-Analyse zu einer signifikanten Verbesserung des PFS (14,6 Monate vs. 10,0 Monate; HR 0,66; p=0,0002).
Bzgl. des OS zeigte sich bei allerdings noch unreifen Daten und aktuell nicht erreichtem Signifikanz-Level auch ein Trend zu einem verlängerten Gesamtüberleben. Nebenwirkungen ≥ Grad 3 traten häufiger im Lenvatinib + Pembrolizumab- vs. Placebo-Arm auf (71,3 % vs. 31,5 %). Die Kombination aus Lenvatinib, Pembrolizumab und TACE stellt somit eine vielversprechende Option für die Behandlung von intermediärem HCC dar, die Daten zum Gesamtüberleben sind noch abzuwarten.
Die deutsche AIO-RamuNET-Studie untersuchte die Wirksamkeit des VEGF-Rezeptor-Antikörpers Ramucirumab in Kombination mit Dacarbazin bei Patienten mit metastasierten pankreatischen neuroendokrinen Tumoren (pNETs), die nach einer Erstlinienbehandlung progredient waren. Bei pNET handelt es sich um eine seltene Tumorentität, für die es bislang keine zugelassenen Kombinationen aus Chemo- und zielgerichteter Therapie gibt. Primärer Endpunkt dieser einarmigen Phase-II-Studie mit 45 eingeschlossenen Patienten war die Krankheitskontrolle nach 6 Monaten. Dieses Ziel wurde bei 32 Patienten (71,1 %) bei einem zugleich überschaubaren Nebenwirkungsprofil von 12,6 % ≥ Grad 3 erreicht, zudem zeigten sich eine komplette und sieben partielle Remissionen. Wenngleich weitere Studien und Analysen folgen müssen, zeigt die Kombination aus Ramucirumab und Dacarbazin doch eine vielversprechende Wirksamkeit bei vorbehandelten pNET-Patienten und bietet möglicherweise eine neue Behandlungsoption.
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