Wenn Ärzte in die Rolle der Patienten schlüpfen, behandeln sie sich oft einfach selbst – obwohl davon dringend abgeraten wird. Doch wie viele Ärzte tun das wirklich und warum überhaupt? Eine Umfrage geht der Sache nach.
Für viele von uns ist die ärztliche Tätigkeit in der direkten Patientenversorgung Alltag. Wir bemühen uns, objektiv und empathisch Beschwerden und Befunde einzuschätzen, zu beraten und zu behandeln. Aber was, wenn wir – zumeist unfreiwillig – die Seite wechseln? Wenn wir auf einmal in einem uns nicht vertrauten Behandlungszimmer sitzen, uns sorgen und um Objektivität ringen? Oder aber an uns selbst herumdoktern, bis es nicht mehr anders geht? In einer Online-Umfrage wurden insgesamt 1.037 Ärztinnen und Ärzte befragt.
Diverse ethische Richtlinien (z. B. der American Medical Association) empfehlen Ärzten, bei Angehörigen sowie auch bei sich nicht selbst Hand anzulegen. Im Gegensatz dazu geben jedoch gerade mal 8 % der Befragten an, sich ganz ausschließlich von anderen Medizinern therapieren zu lassen. Auch haben lediglich 58 % einen eigenen Hausarzt. Diejenigen Ärzte, die sich selbst behandeln, tun dies meist auch sehr häufig (57 %).
Dazu passend: In einer 2022 erschienenen Studie aus Kanada war die Wahrscheinlichkeit, keinen Hausarzt zu haben, für über 40-jährige und männliche Ärzte am höchsten. Als mögliche Ursachen für die Eigentherapie wurden hier Zeitmangel, Sorgen um ausreichende Diskretion und Stigmatisierung genannt. Allerdings ist hier auch zu bedenken, dass Mediziner dank Arztausweis für verschreibungspflichtige Medikamente nicht zwingend ein Rezept benötigen sowie aufgrund der eigenen Expertise die Überweisung vom Hausarzt überspringen und sich möglicherweise direkt an Spezialisten wenden.
Zu denken geben sollten folgende Zahlen: Genau 50 % der Befragten bejahen, Misstrauen bei dem Gedanken an eine stationäre Behandlung zu verspüren. Auch vermuten 47 %, dass das eigene medizinische Wissen Ängste vor Krankheiten und Therapien verstärkt. Immerhin fühlen sich aber auch 29 % durch die eigene Kompetenz eher beruhigt.
Ganze 39 % der Teilnehmer räumen die Erwartungshaltung ein, dass Kollegen anders mit ihnen umgehen sollen als mit durchschnittlichen Patienten. Hier stellt sich die entscheidende Frage: Werden Ärzte denn besser behandelt als Nicht-Mediziner? Die Ergebnisse sind durchmischt: 45 % der Befragten schätzen das Niveau der medizinischen Versorgung als gleich ein, 43 % gehen davon aus, Ärzte erhalten eine bessere Behandlung. 12 % erwarten aber auch eine schlechtere Therapie.
Was vor diesem Hintergrund für sich spricht: Über die Hälfte der Teilnehmer vermuten, dass Ärzte unübliche Therapieangebote erhalten (14 % oft und 48 % gelegentlich), was sich vor allem auf teure, aufwändige oder neue Methoden bezieht. Auch profitieren sie von rascherer Versorgung: 59 % nehmen an, sie bekommen schnellere Termine und erleben auch vor Ort eine bessere Organisation.
Zudem trauen sich Ärzte, mehr zu hinterfragen: 57 % denken, sie stellen den Kollegen mehr Rückfragen und 65 % gehen davon aus, dass Ärzte vorgeschlagene Therapien eher ablehnen als Laien.
Hier ergibt sich ein uneinheitliches Bild: Während 32 % keine eindeutige Präferenz haben, geben jeweils 24 % an, sich entweder lieber von persönlich nicht bekannten Ärzten oder aber von guten Bekannten und Freunden behandeln lassen zu wollen. 14 % bevorzugen die Therapie durch Kollegen am Arbeitsplatz.
Abschließend bestätigen 70 % der befragten Mediziner, dass ihre Erfahrung in der Patientenperspektive einen Einfluss auf ihre weitere Rolle als Behandler hat. Bei 64 % führt die eigene Krankheitsgeschichte zu einem einfühlsameren Umgang mit Patienten.
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