Schon im Kindesalter kann es zu Fehlstellungen von Füßen, Beinen und Hüfte kommen. Woran der Arzt sie erkennen kann und wie sie zustande kommen, erfahrt ihr hier.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Bereits bei der Geburt können Erkrankungen des Skeletts und der Weichteile vorliegen, die ihre Ursachen in der vorgeburtlichen Entwicklung haben.
Angeborene Fehlbildungen an den Extremitäten sind sofort bei der Geburt durch fehlende Knochen oder Knochenteile erkennbar. Die Erscheinungsformen sind als sog. Defektbildungen variantenreich und werden unter dem Oberbegriff Dysmelie zusammengefasst. Ursachen sind in 90 % aller Fälle genetische Faktoren und in 10 % äußere Einflüsse, die auf die Mutter während der Schwangerschaft eingewirkt haben. Dabei kann es sich um Virusinfektionen, Röntgenstrahlen oder Medikamente handeln. Je früher in der Schwangerschaft die Schädigung eintritt, desto schwerwiegender sind die Folgen für die Entwicklung des ungeborenen Kindes.
Die häufigste Form der Fehlbildung Neugeborener ist die Hüftdysplasie, von der ca. 3 % betroffen sind. Dabei ist das Hüftgelenk nicht voll ausgereift, sodass die Hüftpfanne des Beckenknochens den Hüftkopf nicht ausreichend überdacht und dieser in eine Fehlstellung geraten kann. Folgen sind Hüftluxationen und vorzeitige Arthrose. In den 1980er Jahren hat Prof. Reinhard Graf (Stolzalpe, Österreich) eine sonografische Untersuchungsmethode zur Feststellung einer Hüftdysplasie entwickelt, die weiter verfeinert und standardisiert und zum 1. Januar 1996 als Ultraschall-Screening der Säuglingshüfte Bestandteil der U3 im Früherkennungsprogramm wurde. Die Untersuchung wird in der vierten bis fünften Lebenswoche von speziell ausgebildeten Kinderärzten oder Orthopäden vorgenommen.
Wenn Risikofaktoren für eine Hüftdysplasie vorliegen (Mehrlingsschwangerschaften, Geburt in Steiß- oder Beckenendlage, Fußfehlbildungen, familiäre Vorbelastung), sollte die Untersuchung bereits im Rahmen der U2 zwischen dem 3. und 10. Lebenstag erfolgen. Je früher eine Behandlung begonnen werden kann, desto sanfter ist die Therapie für das Kind. Häufig kann das Tragen einer Spreizhose für einige Monate die Dysplasie vollständig korrigieren. Bei schwerer Ausprägung bzw. später Diagnosestellung werden Bandagen oder Hüftbeugeschienen verwendet oder es muss eine operative Korrektur durch eine Beckenumstellung durchgeführt werden.
Eltern und Ärzte können bereits in den ersten Lebenstagen des Neugeborenen auf folgende äußere Anzeichen einer Hüftdysplasie achten: unterschiedlich lange Beine, ungleich abgespreizte Beine, asymmetrische Gesäßfalten. Aber Achtung: Diese Anzeichen liegen bei einer beidseitigen Hüftdysplasie nicht zwingend vor! Leider bringen nicht alle Eltern ihre Kinder zum Hüftultraschall-Screening. Etwa 15 % aller Neugeborenen werden nicht auf eine Hüftdysplasie untersucht. Betroffene Kinder sind durch Gehbehinderung und Schmerzen in ihrer motorischen Entwicklung eingeschränkt und benötigen nach einer Leidenszeit vorzeitig künstliche Hüftgelenke. Schätzungen beruhen auf der Annahme, dass Hüftdysplasien für 10–15 % aller Hüft-Totalendoprothesen von Patienten unter 50 Jahren verantwortlich sind.
Von 1.000 Neugeborenen kommen 1–3 Kinder mit einem kongenitalen Klumpfuß zur Welt, der bei gleicher Verteilung ein- und beidseitig auftritt. Dabei sind Jungen doppelt so häufig betroffen wie Mädchen. Es handelt sich um eine komplexe Deformität mit den Merkmalen Spitzfuß, Hohlfuß, Sichelfuß und Supination des gesamten Fußes. Unbehandelt ist das Erlernen des Laufens erschwert, da die Kinder den Fußaußenrand oder sogar den Fußrücken belasten, was zu schmerzhaften Druckstellen führt. Bei fachgerechter Behandlung und guter Kooperation der Eltern ist die Prognose eines Klumpfußes günstig.
Allerdings muss die Therapie unmittelbar nach der Geburt beginnen und konsequent durchgeführt werden. In etwa der Hälfte aller Fälle sind konservative Maßnahmen erfolgreich. Dazu werden Korrekturen sowohl manuell als auch mit sog. redressierenden Gipsverbänden vorgenommen. Ist das Korrekturergebnis nicht zufriedenstellend, helfen operative Eingriffe mit Sehnenverlängerungen, besonders der Achillessehne, und Korrekturosteotomien. Behandlungen und Kontrollen sollten bis zum Abschluss des Knochenwachstums erfolgen.
Um eine genetische Erbkrankheit mit gestörter Kollagenbildung handelt es sich bei der Osteogenesis imperfecta, die zu einer abnorm erhöhten Knochenbrüchigkeit führt und umgangssprachlich Glasknochenkrankheit genannt wird. Sie tritt mit vier bis sieben Fällen pro 100.000 Einwohner auf und kann autosomal dominant sowie rezessiv vererbt werden; auch Spontanmutationen sind möglich. Es gibt unterschiedliche Ausprägungen und Klassifikationen. Typische Symptome sind neben multiplen Frakturen Skelett-/Wirbelsäulen- oder Schädel-Deformierungen, überstreckbare Gelenke, Kleinwuchs und Muskelschwäche sowie blaue Skleren, Schallleitungsschwerhörigkeit und Kurzsichtigkeit. Therapieansätze sind symptomatisch ausgerichtet. Um den Verlauf zu verlangsamen, können Bisphosphonate, Calciferol, Calcitonin und Fluor eingesetzt werden. Frakturgefährdete Knochen werden mittels Marknagelungen stabilisiert und Frakturen osteosynthetisch versorgt.
Durch die Geburt selbst können Traumata hervorgerufen werden wie Frakturen (Klavikula, Humerus), Paresen durch Schädigung des Plexus brachialis oder Hirnschäden durch Hypoxie (infantile Zerebralparese).
In der frühkindlichen Entwicklung können einige erworbene orthopädische Krankheitsbilder auftreten.
Eine septische Gelenkinfektion betrifft oft das Hüftgelenk (Coxitis septica) und wird in der Regel durch eine hämatogene Streuung einer bakteriellen Infektion in das Gelenk verursacht. Die Inzidenz septischer Arthritiden beträgt 4–5 Fälle auf 100.000 Kinder. Die Hälfte aller Hüftinfektionen tritt in den ersten beiden Lebensjahren auf und betrifft Jungen doppelt so häufig wie Mädchen. Zunächst wird die Synovia infiziert. Der daraus resultierende eitrige Gelenkerguss führt zur Knorpeldestruktion und im weiteren Verlauf durch den erhöhten Druck im Gelenk zur Kompression der Gefäße mit nachfolgender Osteonekrose.
Eine Coxitis septica ist deshalb immer ein orthopädischer Notfall, der möglichst frühzeitig erkannt und behandelt werden sollte. Die betroffenen Kinder sind schwerkrank, haben Hüftschmerzen und wollen das Bein nicht belasten. Sie nehmen oft eine Entlastungshaltung mit leichter Flexion, Außenrotation und Abduktion des Hüftgelenkes ein, die den intraartikulären Druck vermindert. Hinzu kommen Allgemeinsymptome wie Fieber und Abgeschlagenheit.
Die Entzündungsparameter bei der Untersuchung des Blutserums sind deutlich erhöht. Eine Hüftsonografie ist obligatorisch und bestätigt den Gelenkerguss. Anschließend sollte das Gelenk zeitnah punktiert werden. Mit der Punktion wird einerseits der intraartikuläre Druck gesenkt und andererseits ein Erregernachweis ermöglicht. Die Gabe eines Antibiotikums sollte spezifisch nach Antibiogramm erfolgen. Sonografische und laborchemische Verlaufskontrollen sind notwendig. Durch frühzeitige Diagnose und Therapie sind Komplikationen wie Destruktion des Gelenks, Kontrakturen, Sepsis und Beinlängendifferenz bei Infektion der Wachstumsfugen selten (< 5 %).
Von der Coxitis septica ist der sog. „Hüftschnupfen“ Coxitis fugax abzugrenzen. Kinder können – meist im 4. bis 8. Lebensjahr – scheinbar grundlos und plötzlich über Hüft- oder Knieschmerzen klagen und anfangen zu hinken. Oft geht diesen Beschwerden ein viraler Infekt voraus. Das Allgemeinbefinden der Kinder ist gut, aber die Innenrotation im Hüftgelenk eingeschränkt. Bei einer Blutuntersuchung sind die Entzündungswerte in der Regel normal bis leicht erhöht. Sonografisch kann ein abakterieller Gelenkerguss festgestellt werden. Ein Hüftschnupfen ist harmlos und wird mit zwei- bis viertägiger Bettruhe sowie ggf. symptomatisch mit schmerz- und entzündungshemmenden Medikamenten behandelt. Spätestens nach ein bis zwei Wochen sollte er vollständig abgeklungen sein.
Eine Hüftkopf-Nekrose beginnt oft mit den gleichen Symptomen wie die beiden vorgenannten Krankheiten. Betroffen sind Kinder im Alter zwischen 3 und 12 Jahren, mit Altersgipfel im 5. und 6. Lebensjahr. Die Ursachen sind nicht immer klar, oft liegt eine Durchblutungsstörung aufgrund von Gefäßanomalien oder eine hormonelle Regulationsstörung vor. Eine familiäre Häufung, z.B. bei Geschwistern, lässt genetische Faktoren vermuten. In 10–20 % kommt es meist zeitversetzt zu einem beidseitigen Befall. Jungen sind viermal häufiger betroffen als Mädchen. Mit jährlich 5 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner tritt die aseptische juvenile Hüftkopfnekrose relativ häufig auf. Nach ihrem Erstbeschreiber im Jahr 1910, dem deutschen Chirurgen Georg Clemens Perthes (1869–1927), wird sie in Deutschland auch als Morbus Perthes bezeichnet. Zeitgleich wurde diese Erkrankung auch in Frankreich von Jaques Calvé und in Amerika von Arthur T. Legg beschrieben, so dass sie international als Morbus Legg-Calvé-Perthes bekannt ist.
Je jünger das Kind zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ist und je früher die Diagnose gestellt wird, desto besser sind Verlauf und Prognose dieser ernsthaften orthopädischen Erkrankung. Bei einer Sonografie kann ein Gelenkerguss erkannt werden, eine Kernspintomografie sichert die Diagnose im frühen Initialstadium, während man mit Röntgenaufnahmen knöcherne Defekte erst in einem späteren Stadium (Infraktionsstadium) nachweisen kann. Der Krankheitsverlauf zieht sich meist über 2 bis 4 Jahre hin. Für diesen Zeitraum müssen die Eltern gut aufgeklärt werden, und die Kinder benötigen eine engmaschige orthopädische Betreuung mit regelmäßigen Verlaufsaufnahmen. Primäres Therapieziel ist die Entlastung des Hüftkopfes mittels Orthesen und Schienen zur Vermeidung von Deformierungen. Die Kinder müssen die erlaubten Belastungsvorgaben genau einhalten, was ihnen besonders schwerfällt, da sie üblicherweise relativ schmerzarm sind. Je nach Verlaufsstadium werden krankengymnastische Übungsbehandlungen, Bewegungsbäder, Schwimmen und Radfahren verordnet, bei Schmerzen NSAR, ansonsten gibt es keine spezifische medikamentöse Therapie.
Nimmt die Deformierung des Hüftkopfes trotz konservativer Maßnahmen zu, wird ein operativer Eingriff erforderlich – meist eine dreidimensionale Korrekturosteotomie am Becken, das anschließend längere Zeit entlastet werden muss. Entscheiden sich Eltern gegen den Eingriff, steigt das Risiko für die frühzeitige Entwicklung einer Arthrose. Die Behandlungsergebnisse sind individuell sehr unterschiedlich. Die Krankheit kann vollständig ausheilen, besonders bei Kindern, die bei Diagnosestellung jünger als 7 Jahre sind.
Wenn Kinder anfangen zu laufen, fällt Eltern besonders im Vergleich mit anderen Kindern auf, dass die Fußformen sehr unterschiedlich sind. Oftmals liegt ein Knick-Senkfuß vor, der in der Regel als physiologisch anzusehen ist. Bis zum 6. Lebensjahr muss er nicht mit Einlagen korrigiert werden. Einlagen unterstützen zwar die Fußwölbungen, schwächen aber gleichzeitig die Muskulatur, die ohne Einlagen aktiviert wird und die Bildung der Fußwölbungen anregt. Bis zum achten Lebensjahr können sich kindliche Füße spontan aufrichten. Wird trotzdem eine Versorgung mit Einlagen als medizinisch notwendig erachtet, sollten sie auf ihrer Oberseite mit aktivierenden Stimulationselementen versehen sein, sog. sensomotorische bzw. propriozeptive Einlagen.
Kleinkinder, die gerade laufen gelernt haben, stolpern noch häufig über ihre eigenen Füße. Wenn sie sich dabei an der Hand eines Erwachsenen festhalten und dieser merkt, dass das Kind hinzufallen droht, wird er es reflektorisch ruckartig am ausgestreckten Arm nach oben ziehen. Damit verhindert der Erwachsene zwar erfolgreich einen Sturz des Kindes, das aber oft nach diesem ruckartigen Zug den Arm nicht mehr bewegt und ihn mit leicht gebeugtem Ellenbogen schlaff hängen lässt. Durch den ruckartigen Zug am ausgestreckten Arm verlagert sich das dickere Radiusköpfchen teilweise unter das Ringband am schlankeren Radiushals und kann nicht mehr schmerzfrei bewegt werden, da es subluxiert ist. Nach dem Erstbeschreiber Pierre Charles Marie Edouard Chassaignac (französischer Anatom und Chirurg, 1804–1879) wird dieser Zustand als Morbus Chassaignac oder nicht ganz korrekt als Chassaignac-Lähmung bezeichnet.
Er kann bei Kindern im ersten bis vierten Lebensjahr vorkommen. Therapie der Wahl ist die Reposition des Radiusköpfchens. Es gibt zwei verschiedene Repositionsmanöver. Die Hyperpronations-Methode ist zu 97 % erfolgreich, alternativ wird die Supinations-Methode mit einer Erfolgsrate von 85 % angewendet. Mit beiden Methoden löst sich das Radiusköpfchen unter dem Ringband, und das Kind kann seinen Arm sofort wieder vollständig bewegen. In der Regel ist bei dieser Diagnose kein Röntgen erforderlich, und Eltern und Kind können nach der Reposition und ärztlicher Kontrolle der Beweglichkeit, Sensibilität und Durchblutung erleichtert die Ambulanz oder die Praxis verlassen.
Frühdiagnostik und Therapie bei angeborenen Fehlbildungen: Fehlbildungen wie Hüftdysplasie und Klumpfuß treten bereits bei Neugeborenen auf und sind durch genetische oder pränatale Einflüsse bedingt. Frühzeitige Diagnose mittels Ultraschall und rasche Behandlung, beispielsweise durch Spreizhosen bei Hüftdysplasie oder Gipsverbände beim Klumpfuß, verbessern langfristig die Prognose.
Erworbene orthopädische Erkrankungen in der Kindheit: Erkrankungen wie septische Coxitis oder Morbus Perthes erfordern schnelle, oft invasive Maßnahmen, um bleibende Schäden zu verhindern. Eine genaue Diagnostik und zeitnahe therapeutische Interventionen sind entscheidend, um Gelenkdestruktionen und Wachstumsstörungen zu vermeiden.
Unfälle und orthopädische Risiken durch Alltagsinteraktionen: Fehlstellungen und Subluxationen (z. B. Morbus Chassaignac) können durch Alltagsgeschehen wie das Hochziehen des Kindes am Arm verursacht werden. Schnell durchführbare, risikoarme Repositionsmanöver ermöglichen eine vollständige Wiederherstellung der Beweglichkeit und vermeiden langfristige Schäden.
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