Atemwegsinfektionen sind der Dauerbrenner beim Kinderarzt. Welche präventiven Maßnahmen es gibt und wann besorgte Eltern sich den Arztbesuch sparen können, lest ihr hier.
Ein Text von Dr. Ulrich Enzel
Das Dauerproblem jeder Praxis, die Kinder behandelt, sind die rezidivierenden Infekte der oberen Atemwege. Gegen diese gibt es aber in der Tat eine ganze Reihe Möglichkeiten zu hilfreicher Prävention und Behandlung. Doch vor jede Vorsorge-Maßnahme oder gar Behandlung sollte die intensive Beratung gestellt werden – denn Atemwegsinfekte sind in jedem Lebensalter etwas Normales und vor allem in der kalten Jahreszeit sollten Menschen jeder Altersstufe mit ihnen rechnen.
Gerade die Eltern von Säuglingen, Klein- und Schulkindern sollten beratend darauf hingewiesen werden, dass bis zu 11 Minor-Infektionen im 1. Lebensjahr, höchstens 8 pro Jahr im Kleinkind-/Vorschul-Alter und sogar noch jährlich 4 im Schulalter schlicht völlig normal sind. Diese meist viral induzierten Minor-Infektionen zeichnen sich aus durch einen geringen Schweregrad und einen akuten, unkomplizierten Verlauf über 1 bis 2 Wochen (wobei der Husten oftmals erst nach 3 Wochen endgültig verschwindet).
Typisch und pathognomonisch entscheidend sind die vollständige Erholung nach jedem Atemwegsinfekt, das Ausbleiben von Residuen sowie das – wenn überhaupt – nur gelegentliche Auftreten von (bakteriellen) Komplikationen. Weitere typische „Minor-Kriterien“, auf die beim beratenden Eltern-Gespräch hingewiesen werden sollte, sind ein promptes Ansprechen auf eine – am häufigsten aufgrund akuter Otitis media erforderlich werdende – Antibiose und das Ausbleiben von Rezidiven mit denselben Erregern.
Während der Kindheit müssen wir gegen mehr als 10 Milliarden unterschiedlicher Erreger spezifische Antikörper ausbilden. Diese Immunisierung findet fast immer in stiller Symptomlosigkeit statt. Nur manchmal muss unser Immunsystem etwas heftiger reagieren – das zeigt sich dann an den typischen Krankheitszeichen: Husten, Schnupfen, Fieber, Abgeschlagenheit und dem Schrei nach Bettruhe.
Vor allem die ersten zwei Kindergarten-/KiTa-Winter sind ein wichtiges Trainingslager für das kindliche Immunsystem. Die fatalen Folgen eines durch die COVID-19-Lockdowns bedingten Ausbleibens dieses Trainings erleben wir alle seit dem Verschwinden der Maskenpflicht anhand von Infekt-Verläufen mit nie gekannter Häufigkeit, Art und jahreszeitlicher Verteilung.
Pathologische Infekt-Anfälligkeit unterscheidet sich quantitativ wie qualitativ von den oben genannten Minor-Charakteristika. Erst wenn die benannten Norm-Frequenzen überschritten werden, rasche Genesung und Intervalle völliger Gesundheit ausbleiben oder gar Major-Infektionen wie Pneumonien, Sepsis, Meningitis, Enzephalitis, septische Arthritis, Empyem oder tiefe Viszeral-Abszesse dazu kommen, wäre eine umfangreiche diagnostische Abklärung dringlich indiziert und ggf. das Einleiten erforderlich werdender spezifischer Behandlungen. Als erstes gilt es, die häufigste Ursache solch übernormaler Infekt-Häufigkeit – allergische Atemwegs-Erkrankungen – auszuschließen und diese gezielt zu therapieren.
Kommen wir zur gezielten Prävention, denn hierfür haben wir eine Menge zu bieten. An erster Stelle stehen aktive Impfungen, vor allem gegen Pertussis und Pneumokokken-Erkrankungen, die ebenso wie die passive RSV-Immunisierung so frühzeitig und rasch als möglich gemäß STIKO-Empfehlungen realisiert werden sollten. Dass die Influenza-Impfung ab dem Säuglingsalter nur in Sachsen Standard ist, hat fatale Folgen – denn in keinem Lebensalter sind die Infektionsraten höher. Viele internationale Studien zeigen darüber hinaus, dass eine konsequente Influenza-Impfung bei den in der Regel als asymptomatische Überträger (der „Feuerbrand der Influenza“) wirksamen Schulkindern die höchste Effizienz hat beziehungsweise haben würde, um auch die Altvorderen zu schützen. Bei den Pneumokokken hat u. a. die Kaiser-permanente-Studie eindrucksvoll solch hohe Herden-Immunisierungs-Wirksamkeit der konsequenten Konjugat-Impfung im Säuglings- und Kleinkindesalter bewiesen. Erfreulicherweise wird in einigen weiteren Bundesländern die Influenza-Impfung generell ab dem 7. Lebensmonat von den Krankenkassen übernommen, in anderen als freiwillige Satzungsleistung.
Dagegen wird die Effizienz von Medikamenten zur Abwehrkraft-Steigerung – vor allem von Nahrungsergänzungsmitteln der unterschiedlichsten Arten sowie von Vitamin-Präparaten – von vielen Eltern und auch Jugendlichen bei weitem überschätzt. Einige Phytopharmaka können aber Symptome lindern.
Randomisierte Studien zeigen eine weitere Schutzmöglichkeit gegen die Bedrohung der oberen Atemwege durch pathogene Viren auf: Die als Spray eingebrachte Carragelose, die solche Viren umhüllen und von einer Schleimhaut-Adhäsion abhalten soll, was selbst das Risiko von COVID-19 deutlich zu reduzieren scheint. Durch Studien mit kleinen Teilnehmerzahlen konnten auch positive Effekte nachgewiesen werden für das regelmäßige Gurgeln mit grünem Tee, Kochsalzlösung und – noch wirksamer – antiviralen Antiseptika.
Diese Prädikatoren können hilfreich sein bei der Entscheidung für eine Antibiose, evtl. sogar Klinikeinweisung, da sie auf eine Komplikation hinweisen können:
Zusätzlich gibt es eine Fülle hilfreicher Allgemeinmaßnahmen: Hier reicht das Handlungsspektrum von einer ausgewogenen Ernährung (zu der auch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr gehört) über das Minimieren sicher immunschwächender Einflüsse wie (passivem!) Rauchen oder Schlafentzug bis hin zur Vermeidung großer Menschenansammlungen sowie dem regelmäßigen Händewaschen. Als hochwirksam hat sich auch eine konsequente Pflege der Nasenschleimhaut erwiesen, z. B. mit einer hyperosmolaren Kochsalz-Nasensalbe. Bei (am wirkungsvollsten wohl ebenfalls hyperosmolaren) Feucht-Inhalationen der oberen und unteren Atemwege ist auf peinliche Sauberkeit zu achten; es besteht die Gefahr einer Besiedlung der Geräte durch Schimmelpilze.
Auch wir Ärzte sollten realisieren, dass viel Bewegung an der frischen Luft und regelmäßige Sauna-Aufenthalte die Abwehrkräfte stärken – vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (im Gegensatz zu in Skandinavien Üblichem) ist Letzteres aber erst ab dem 4. Lebensjahr empfohlen. Und wie wär’s mit ausreichenden Pausen bei schulischen/beruflichen sowie anderen, auch psychischen, Belastungen? Dazu der psychoimmunologische Kick: „Sich regelmäßig etwas Schönes gönnen“!
Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, detailliert auf die Behandlung von Atemwegsinfekten und -infektionen einzugehen. Hierzu steht uns – wie auch die entsprechenden Leitlinien ausweisen – neben intensivierten Allgemeinmaßnahmen auf allen Etagen vor allem eine breite Palette wirksamer Phytopharmaka mit effizienten antiviralen und antibakteriellen, schleimlösenden und -restituierenden und nicht zuletzt auch hustenstillenden Effekten zur Verfügung. Antibiotika dagegen haben bei unkomplizierten Verläufen keinerlei Relevanz.
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