Bluthochdruck wird auch bei Kindern immer relevanter – dank zunehmender Adipositas. Was ihr bei diesen Patienten beachten solltet und worin die Unterschiede zu Erwachsenen bestehen.
Die Hypertonie als echte Volkskrankheit betrifft auch das Jungvolk. Die dauerhafte Erhöhung des Blutdrucks bei Menschen im Kindergarten- und Schulalter ist deshalb Thema der S2k Leitlinie Arterielle Hypertonie im Kindes- und Jugendalter der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler, die nun in der zweiten Version vorliegt.
Ab einem Alter von 17 Jahren gelten dieselben Hypertonie-Grenzwerte wie für Erwachsene. Unter 17 Jahren wird es schwammig, weil Daten zum Risikoprofil bei Kindern fehlen. Um dennoch Anhaltspunkte für Diagnose und Therapie zu haben, behilft man sich bei Kindern und Jugendlichen mit einer Perzentilentabelle. In der Tabelle ist zum Beispiel bei einem Jungen im Alter von 3,5 Jahren und mit einer Größe von 1 Meter die 90. Perzentile mit einem systolischen Blutdruck von 107 mmHg und einem diastolischen von 67 mmHg angegeben, die 95. Perzentile mit 110/70 mmHg.
Da die Cuts zum noch unbedenklichen Blutdruck bei der 90. Perzentile und zum Bluthochdruck bei der 95. Perzentile gemacht werden, bedeutet das: Ein gesundes, durchschnittlich großes Kindergartenkind trennen von einer manifesten Hypertonie eventuell gerade einmal 3 mmHg. Um Fehldiagnosen zu vermeiden, muss die Messung also möglichst exakt sein. Zwar gehört die Blutdruckmanschette vermutlich zu den am häufigsten eingesetzten medizinischen Geräten überhaupt, genau ist die Messung aber trotzdem nicht. Deshalb gibt die Leitlinie Tipps zur Handhabung. So rät sie, dreimal zu messen und nur die zweiten und dritten Messwerte zu notieren.
Für ein Screenen, etwa im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen, misst die Manschette ausreichend genau. Für eine Diagnose aber braucht es eine ambulante 24-Stunden-Messung. Die ist nicht nur verlässlicher, sondern lässt auch Sonderfälle erkennen: die Praxis- oder „Weißkittel-Hypertonie“, bei der allein das Praxissetting den Blutdruck hochtreibt, und auch das Gegenteil, die maskierte Hypertonie, bei der die Langzeitmessung weit höhere Werte als die Manschette ergibt.
Wichtig für die Diagnose ist auch die Frage, ob es sich um eine primäre Hypertonie handelt, zu deren Genese es kaum Erkenntnisse aber viele Hypothesen gibt, oder um eine sekundäre Hypertonie in Folge einer Organschädigung. In diesem Fall muss natürlich dringend auch die eigentliche Ursache, etwa eine Nierenschädigung, erkannt und behandelt werden.
Bei Kindern unter drei Jahren, so rät die Leitlinie, sollte der Blutdruck dann gemessen werden, wenn bestimmt Risikofaktoren vorliegen. An erster Stelle ist hier die Leibesfülle zu nennen, dessen Bedeutung für den Bluthochdruck Studien belegen: Bei normalgewichtigen Kindern liegt die Prävalenz bei 1,4 %, bei übergewichtigen 7,1 %, und bei adipösen bei 25 %. Etwas kurios mutet an, dass die Leitlinie bei den Risikofaktoren für die unter Dreijährigen neben Lakritz auch Energydrinks sowie Kokain und Ecstasy aufzählt. Hierzu sei angemerkt: Ein Kitazögling, der von der Nuckelpulle nahtlos auf Red Bull oder Partydrogen umsteigt, hat vermutlich gravierendere Probleme als seinen erhöhten Blutdruck.
Für die Behandlung der Hypertonie wird den Kindern und Jugendlichen eindringlich dazu geraten, ihren Lebensstil zu überdenken. Ernährung, Rauchen der Eltern, Sport und Bildschirmzeit bieten hier vielfältige Ansatzpunkte. Erst wenn das nichts bringt, soll der Blutdruck mit Medikamenten unter die Perzentilengrenzen gedrückt werden. Zur Verfügung stehen dafür dutzende Präparate, deren Eignung für bestimmte Altersgruppen eine ausführliche Tabelle erläutert.
Noch ein Tipp für die Praxis: Ist ein übergewichtiger Hypertoniker im Kindesalter nur schwer für einen Verzicht auf Pommes und Pizza zu begeistern, hilft vielleicht ein Verweis auf seine Karrierechancen – Traumberufe wie Polizist, Pilot und Taucher wären ihm verbaut.
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