Bereits seit vielen Jahren verdichten sich die Hinweise, dass ASS bei manchen Menschen Darmkrebs vorbeugen kann. Wissenschaftler konnten nun erstmals zeigen, wer von dem Blutverdünner profitiert – ein erster Schritt in die personalisierte Darmkrebsprävention.
Seit vielen Jahren schon gibt es Hinweise, dass die regelmäßige Einnahme von ASS Darmkrebs vorbeugen kann. In zahlreichen Studien zeigte sich jedoch immer wieder dasselbe Bild: Während manche Patienten offenbar von dem Blutverdünner profitierten, war er für andere bei der Darmkrebsprävention wirkungslos. Wissenschaftler aus mehreren US-amerikanischen Instituten haben nun gemeinsam untersucht, bei welchen Menschen ASS das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, senken kann. Ihre Studie erschien im Fachmagazin Science Translational Medicine.
Ein dauerhaft aktives Enzym namens Cyclooxygenase-2 (COX-2), auch Prostaglandinsynthase-2 (PTGS2) genannt, gehört zu den Schlüsselereignissen bei der Entstehung von Darmkrebs. Das Enzym wandelt Arachidonsäure zu Prostaglandin um, das wiederum Entzündungsreaktionen stimuliert. ASS kann dieses Enzym hemmen, zumindest, wenn der Wirkstoff in hohen Dosen eingenommen wird. Doch offenbar braucht es dazu einen körpereigenen Komplizen. Während der Onkogenese ist die 15-Hydroxyprostaglandin Dehydrogenase (15-PGDH) ein Gegenspieler der Cyclooxygenase-2. Denn 15-PGDH sorgt für den Abbau von Prostaglandin und kommt in Darmkrebsgewebe nur in geringen Mengen vor.
Aus früheren Untersuchungen war bereits bekannt, dass das Enzym 15-PGDH bei Mäusen und bei 16 getesteten Menschen die Wirkung des Entzündungshemmers Celecoxib (Celebrex) bei der Prävention von Darmkrebs verstärkt. War 15-PGDH allerdings nur in geringen Mengen oder gar nicht im Darm vorhanden, wirkte auch Celecoxib weder bei Mäusen noch beim Menschen präventiv. Daran anknüpfend untersuchten die Wissenschaftler nun, ob die beobachteten Effekte auch für ASS zutreffen würden. Denn der Blutverdünner scheint Celecoxib, zumindest was die Nebenwirkungen betrifft, überlegen zu sein. Dazu prüften sie, in welchen Konzentrationen das Enzym 15-PGDH im Darm von Patienten vorkommt, die trotz einer prophylaktischen Einnahme von ASS Darmkrebs entwickelt hatten.
Die Forscher konnten zeigen, dass der positive Effekt von ASS bei der Prävention von Darmkrebs tatsächlich von der Menge an 15-PGDH im Darm der Probanden abhängt. Bei Menschen mit großen Mengen 15-Hydroxyprostaglandin Dehydrogenase im Darm wirkt ASS, bei Menschen mit geringen Mengen dieses Enzyms offenbar nicht. Tröstlich dabei: „Etwa die Hälfte der Bevölkerung hat große Mengen an 15-PGDH im Darm“, schreiben die Forscher. In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler Darmgewebe von 270 Patienten mit Darmkrebs. Diese Patienten gehörten entweder zur Harvard-based Nurses’ Health Studie (NHS) oder zur Health Professionals Follow-up Studie (HPFS), in der 127.865 Teilnehmer über 30 Jahre beobachtet wurden.
„Unsere Arbeit zeigt ganz klar, wer von einer regelmäßigen ASS-Einnahme profitiert und wer nicht“, so Studienautor Sanford Markowitz. Die Forscher hoffen, damit die Grundlage für personalisierte Entscheidungen bei der Darmkrebsvorsorge geschaffen zu haben. Denn ASS ist nicht frei von Nebenwirkungen. Magenblutungen und andere unangenehme Nebeneffekte könnten vermieden werden, wenn klar ist, dass sich der Patient aufgrund seines 15-PGDH-Status ohnehin nicht für eine ASS-Darmkrebsprävention eignet.
Nun arbeiten die Wissenschaftler daran, ihre Vision von einer personalisierten Darmkrebsvorsorge in die Praxis umzusetzen. Ein möglichst kostengünstiger und einfacher Test soll möglichst zeitnah Einzug in Praxen und Krankenhäuser erhalten, so ihre Vorstellung. „Während einer Darmspiegelung könnte der Gastroenterologe einfach und sicher eine zusätzliche Gewebeprobe für den 15-PGDH-Test entnehmen“, spekuliert Co-Autor Andrew Chan. Auf der To-do-Liste der Forscher steht außerdem noch eine prospektive klinische Studie, in der die Erkenntnisse aus diesen Beobachtungen an Risikopatienten überprüft werden sollen. Denkbar wäre außerdem, dass neben 15-PGDH auch andere Faktoren eine Rolle spielen, wenn es darum geht, Darmkrebs effektiv mit ASS vorzubeugen.