Bei Verdacht auf Zöliakie kommen Patienten kaum an einer Biopsie vorbei. Eine neue Variante ist dabei besonders schwer zu finden. Wisst ihr, wo ihr suchen müsst?
Spätestens seit die deutsche Lebensmittelindustrie den Ernährungstrend der letzten Jahre aufgegriffen hat, ist glutenfreie Ernährung in aller Munde. Obgleich der bewusste Verzicht auf klassische Brötchen und Kuchen damit salonfähig geworden ist, hat diese Ernährungsform einen ernsten Hintergrund: Denn Menschen mit Zöliakie müssen alle Spuren des Klebereiweißes meiden. Dass es zudem verschiedene Formen der Zöliakie geben könnte, haben Forscher nun erneut belegen können.
Betroffene einer Zöliakie leiden unter einer autoimmun vermittelten Reaktion auf Gluten, das in den gängigsten Getreidesorten, wie Weizen, Gerste und Roggen enthalten ist. Da es bis heute keine ursächliche Behandlung gibt, gilt die strenge glutenfreie Ernährung als heutiger therapeutischer Goldstandard.
Bei Verdacht auf eine Zöliakie oder eine Glutenunverträglichkeit kommen serologische Untersuchungen, die Fahndung nach krankheitsauslösenden HLA-Merkmalen und endoskopisch durchgeführte Dünndarmbiopsien zum Einsatz. In Abhängigkeit vom Krankheitsverlauf konnten bislang fünf verschiedene Formen differenziert werden. Diese waren die typische und symptomatische Zöliakie, eine atypische Zöliakie, die silente bzw. stille Zöliakie als Zufallsbefund, die potentielle oder latente Zöliakie, sowie die refraktäre Zöliakie als Komplikation der Zöliakietherapie.
Glaubt man den Ergebnissen einer kürzlich im Fachblatt Gut veröffentlichten Fall-Kontroll-Studie einer großen Forschergruppe um den Erstautor Suneil A. Raju können wahrscheinlich auch auf Basis der Biopsiebefunde verschiedene Krankheitsformen differenziert werden. So konnten sie im Rahmen der Begleitung einer internationalen Kohorte die Existenz der Krankheitsvariante der sogenannten ultrakurzen Zöliakie bestätigen, die sich vor allem durch eine Schleimhautatrophie im Dünndarm im Bereich des Duodenalbulbus D1 in Kombination mit einer positiven Zöliakieserologie zeigen würde.
Obgleich dieser spezielle Phänotyp der Zöliakie bereits im Jahre 2016 erstmals beschrieben wurde, blieben bis heute zahlreiche Fragen zu den klinischen Charakteristika, auffälligen Befunden und Therapieoptionen. Die Arbeitsgruppe wollte daher eine große Wissenslücke schließen und identifizierte in 10 Kliniken in Europa, Asien, Amerika und Australien über 100 Personen mit bioptisch gestellter Diagnose einer ultrakurzen Zöliakie. Kriterien waren hierbei eine Zöliakie-konforme Gewebeprobe aus dem Dünndarmabschnitt D1 in Verbindung mit einem unauffälligen Ergebnis für den sonst auffälligen Abschnitt D2, sowie eine einschlägige Serologie. Sie wurden dann mit Betroffenen einer klassischen Zöliakie verglichen.
Insgesamt konnte das Forscherteam auf die Daten von jeweils 137 Patienten mit ultrakurzer und normaler Zöliakie zurückgreifen. Betroffene der vor weniger als 10 Jahren entdeckten Variante waren im Gruppenvergleich deutlich jünger und zeigten niedrigere Werte des Immunglobulin-A-Gewebetransglutaminase Titers IgA-tTG. Ein weiterer Unterschied betraf einen möglichen Eisenmangel. Dieser kam im Falle der ultrakurzen Zöliakie seltener vor. Mit Blick auf die Therapie ergaben sich dagegen ähnliche Ergebnisse für beide Krankheitsformen. So konnten nicht nur Patienten mit klassischer Zöliakie, sondern mit 95,7 % auch die meisten Patienten mit ultrakurzer Zöliakie von einer disziplinierten glutenfreien Diät profitieren.
Die Initiatoren dieser Untersuchung ist es damit nach der Erstbeschreibung 2016 also erneut gelungen, die Existenz dieser Krankheitsvariante zu belegen. Neben dem typischen endoskopischen Befund mit einer Pathologie in D1 anstatt in D2 ergaben sich auch weitere spannende Unterschiede. Die klinische Relevanz bei vergleichbaren Konsequenzen im Sinne einer ähnlichen Therapie sieht die Forschungsgruppe vor allem in Bezug auf den Umfang der Diagnostik. So sollte bei Verdacht auf das Vorliegen einer Zöliakie nicht nur eine Biopsie aus D2, sondern auch aus D1 erfolgen. Trotz dieser ersten Erkenntnisse zur neuen Krankheitsvariante bleiben dennoch viele Fragen. Weitere Studien zu den klinischen Charakteristika, Therapiemöglichkeiten und der Langzeitprognose könnten auf der Suche nach Antworten einen wichtigen Beitrag leisten.
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