Frauen mit Endometriose müssen oft Jahre auf ihre Diagnose warten – und auf die schmerzlindernde Behandlung. Das liegt auch daran, dass die Erkrankung meist als reines Gyn-Thema gesehen wird. Welche Fachrichtung außerdem genauer hinsehen sollte.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Eine 32-jährige Patientin wird von der Gynäkologin mit „unklarer Raumforderung in der Blase“ in die Urologie eingewiesen. Die Raumforderung wurde als Zufallsbefund in der Sonografie während der jährlichen Untersuchung festgestellt. Die Patientin gibt an, unter zyklischen dysurischen Beschwerden und Hämaturien zu leiden. Sonografisch ergibt sich eine ca. 2 cm große rundliche hypoechogene, kompakte Raumforderung am Blasenboden. Die Nieren zeigen sich beidseitig nicht gestaut. Wir vereinbaren mit der Patientin eine Biopsie in Narkose mit Bereitschaft zur TUR-Blase. Zystoskopisch zeigt sich eine braun-violette Masse am Blasenboden. Es erfolgt eine Resektion der Raumforderung. Histologisch kann eine Blasenendometriose gesichert werden. Eine medikamentöse und operative Therapieplanung in Kooperation mit der Gynäkologie wird eingeleitet.
Die Endometriose ist eine chronische benigne Erkrankung, an der mehr als 10 % der Menstruierenden erkrankt sind. Aufgrund der variablen Manifestationsorte zählt die Gynäkologie nicht mehr als einzige behandelnde Fachrichtung. Vielmehr wird Endometriose als Multiorganerkrankung angesehen, die eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit spezieller klinischer und chirurgischer Therapie erfordert.
Nach dem Gastrointestinaltrakt ist der Harntrakt der zweithäufigste extrapelvine Manifestationsort. Der Befall des Harntraktes gilt als selten, es kann jedoch mit einer hohen Dunkelziffer gerechnet werden. Außerdem kann sie zu erheblichen Schäden führen, z. B. zum Nierenfunktionsverlust.
0,2–12 % der Erkrankten leiden an Endometriose im Harntrakt. Bei Patientinnen mit tiefer Endometriose wird die Zahl auf 20–50 % geschätzt. 50 % der Patientinnen bleiben asymptomatisch. Die Erkrankung wird in ovariale, oberflächlich, peritoneale und tief infiltrierende Endometriose eingeteilt. Die Endometriose des Harntrakt zählt zu Letzterem. Zu 85 % sind die Blase, zu 10 % die Ureteren, zu 2 % die Urethra und zu 4 % die Nieren befallen.
Symptomatische Patientinnen mit Endometriose im Harntrakt klagen über Restharngefühl, Harndrang wenige Minuten nach dem Urinieren, Stressinkontinenz, Dysurie, Schmerzen bei voller Blase, Schwierigkeiten beim Wasserlassen, Algurie während der Menstruation sowie Flankenschmerzen. Andere Komorbiditäten wie Migräne, interstitielle Zystitis, und Reizdarmsyndrom sind mit der Erkrankung assoziiert. Laut einer von Song et al. 2023 erschienen Studie leiden 60 % der Erkrankten am chronischen Beckenschmerzsyndrom. Das Auftreten sei allerdings nicht mit der Größe oder des Grades der Erkrankung assoziiert. Oft halte der Schmerz nach Resektion der Läsionen an oder trete wieder auf.
Die Endometriose wächst von extravesikal in Richtung Mukosa und kann bis ins Blasenlumen ragen. Am häufigsten manifestiert sie sich am Blasendach und -boden. Es kann zu schmerzhaften und insuffizienten Blasenkontraktionen und Zirkulationsstörung im Urothel mit Mikro- und Makrohämaturien führen.
Die transvaginale (TVS) sowie transabdominale Sonografie (TAS) kann Herde identifizieren. Fokalen Verdickungen und hypoechogene lineare oder noduläre Läsionen können Hinweise auf einen Blasenbefall sein. Eine unauffällige Sonografie schließt eine Endometriose im Harntrakt aber nicht aus. Ein MRT des Abdomens kann durchgeführt werden, der Zusatznutzen gegenüber eine TVS gilt allerdings als umstritten. Zystoskopisch kann die Mukosa je nach Infiltrationstiefe unauffällig erscheinen. Reicht die Endometriose bis ins Lumen, können die Läsionen sich multilokal, adenomatös und blau, lila, braun bis schwarz zeigen. Eine Probenentnahme sollte erfolgen, eine TUR-Blase reicht aufgrund der Infiltration von extravesikal nicht und führt zu Rezidiven. Eine diagnostische URS wird empfohlen, wenn die Herde wenige als zwei cm von den Ostien entfernt liegen.
Je nach Symptomatik kann eine operative Therapie durchgeführt werden. Superfiziale Läsionen werden in der Laparoskopie reseziert. Falls eine Infiltration des Detrusors vorliegt, kann eine partielle Zystektomie erwogen werden. Das Risiko der postoperativen Fistelbildung liegt bei 15 %.
Eine sonografische Kontrolle bei Endometriose ist notwendig, um eine Harnstauung durch Befall der Ureteren auszuschließen. Bei 40 % der Ureterendometriosen handelt es sich um intrinsische Endometriosen. Hier kommt es zur Infiltration der Endometriose über die Ureterwand bis zur Okklusion des Lumen. Später kann es zur Fibrose und Hypertrophie der Muscalaris propria führen. Asymptomatische Patientinnen ohne signifikante Harnabflussstörung können sonografisch überwacht werden. Falls eine komplette Ureterobstruktion vorliegt, sollte eine operative Therapie erfolgen. Bei Nierenversagen ist eine sofortige Harnableitung mit DJ- oder Nephrostomieanlage nötig. Bei Befall des proximalen und medialen Ureters wird eine Ureterolyse mit Ureterektomie und End-zu-End-Anastomose durchgeführt. Für den distalen Ureter wird eine Ureterolyse mit Ureterektomie und Ureterozystoneostomie zum Blasendach mit oder ohne Psoas-Hitch-Plastik empfohlen.
Mit extrinsischer Endometriose ist die Kompression von external gemeint, die durch Endometriose-Befall der Parametrien, anterioren Rektumwand oder den Logamenti uterosakralen ausgelöst werden kann. Hier wird eine Ureterolyse mit Dekompression des Ureters durchgeführt. Eine Resektion von Endometriose-Gewebe um den Ureter ist empfohlen, da eine Ablation zu thermischer Schädigung des Ureters, später Obstruktion und ggf. Fistelbildung führt. In beiden Fällen muss auf eine Schonung der hypogastrischen Nerven geachtet werden, um eine neurogene Blasen- und Darmentleerungs- und Sexualstörung zu vermeiden.
Die Endometriose im Harntrakt gilt zwar als selten, jedoch kann sie erhebliche Folgen bei Betroffenen verursachen. Eine interdisziplinäre Betreuung zwischen Gynäkologie und Urologie ist notwendig. Ein stärkeres Bewusstsein kann dazu führen, zukünftig eine schnellere Diagnose stellen zu können, um Betroffenen den langen Leidensweg zu ersparen. Insbesondere bei wiederkehrenden dysurischen Beschwerden bei Patientinnen im Reproduktionsalter ohne bakterielle Ursache sowie unerklärlichem Harnstau sollte das Vorliegen von Endometriose in Betracht gezogen werden.
Kurze Zusammenfassung für Eilige:
Selten, aber schwerwiegend: Endometriose im Harntrakt betrifft 0,2–12 % der Endometriose-Patientinnen und kann zu erheblichen Komplikationen führen, wie Nierenfunktionsverlust. Sie tritt vor allem in der Blase (85 % der Fälle) auf und erfordert interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Gynäkologie und Urologie.
Unspezifische Symptome: Viele Patientinnen sind asymptomatisch (50 %), andere klagen über Restharngefühl, Dysurie, Hämaturie oder Beckenschmerzen. Bei unerklärlichen Harnwegsproblemen, besonders bei Frauen im reproduktiven Alter, sollte Endometriose in Betracht gezogen werden.
Diagnose und Therapie: Die Diagnostik umfasst Sonografie, MRT und Zystoskopie, wobei eine Biopsie nötig ist. Operative Eingriffe wie laparoskopische Resektionen und bei tiefen Infiltrationen partielle Zystektomien werden durchgeführt.
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