Eine Schwangere hat eine Schwellung am Bein. Sie ist besorgt – immerhin kam sie gerade aus Afrika zurück. Als ich ihr empfehle, die Beule mit Tesafilm abzukleben, schaut sie mich an, als wedelte ich mit einer Voodoo-Puppe vor ihrem Gesicht.
Dienstagmorgen in der tropenmedizinischen Sprechstunde: Eine junge Frau, schwanger in der 28. Woche, kommt für einige Nachuntersuchungen nach ihrer Tropenreise. Nebenbei zeigt sie mir eine verhärtete, etwa erbsengroße Schwellung am Unterschenkel. Sie erinnert sich an einen Insektenstich in Zentralafrika kurz vor ihrer Rückkehr nach Deutschland, der jetzt etwa eine Woche zurückliegt. Vor fünf Tagen trat eine etwas schmerzhafte Schwellung auf, sie ging damit zum Hautarzt.
„Oh Gott, sie sind schwanger, das ist ein Abszess mit beginnender Sepsis!“
Die Patientin fiel aus allen Wolken und saß ein paar Stunden später völlig verängstigt in der Notaufnahme der Uniklinik: „Helfen Sie mir! Mein Hautarzt sagt, ich habe einen Abszess mit Sepsis!“
Die Kollegen untersuchen sie, alle Vitalwerte sind im Normbereich. Es zeigt sich ein Lokalbefund wie bei einem superinfizierten Insektenstich. Die Kollegen rollen mit den Augen: „Der Hautarzt hat ein bisschen übertrieben, sie sind gesund und nichts für die Notaufnahme.“
Ein paar Tage später ist sie bei mir. Ich messe noch mal die Vitalwerte – nach wie vor alles im grünen Bereich. Der Frau geht’s gut, sie ist nur reichlich irritiert über das ganze Hin und Her.
Ich mache eine Sonographie – nicht, dass ich doch einen Abszess übersehe. Zu sehen ist aber nur aufgelockertes Subkutangewebe, einen Verhalt sehe ich nicht.
Sonographie Weichteile: Ist da etwas - oder doch nicht?
„Myiasis?“, schießt mir durch den Kopf. Das Land würde passen, der zeitliche Ablauf auch. Ein paar charakteristische Befunde sehe ich aber nicht – dazu später mehr ...
„Wir machen folgendes: Kleben Sie die Stelle mal mit einem Streifen Tesafilm ab, in zwei Tagen sehen wir uns wieder“
„Tesafilm? Okay ...“
Die Patientin schaut mich an, als ob ich ihr empfohlen hätte, eine Voodoo-Puppe um den Bauch zu binden, verspricht aber, meinem Rat zu folgen.
Zwei Tage später. Die Patientin kommt ins Zimmer. In Ihrem Gesicht: Erstaunen, Entsetzen, Belustigung. In Ihrer Hand: ein kleines Döschen. Ich grinse innerlich – jetzt bin ich mal gespannt.
„Eine MADE ist aus meiner Haut gekommen! HIER!“
Die Patientin drückt mir entgeistert den Behälter in die Hand. Ein Zentimeter eingetrocknetes Gewebe, ich glaube noch, ein charakteristisches Muster darauf zu sehen.
„Haben Sie zufällig ein Foto gemacht, als das Ding herauskam?“
Zu meiner Überraschung sagt Sie: „Ja, klar! Hier!“
Bingo. Ich sehe ein madenförmiges Etwas mit charakteristischen schwarzen Streifen.
Der unerwünschte Untermieter: Tumbu Fliegenlarve (Credit: _docjay)
„Sie hatten tatsächlich eine Fliegenlarve in der Haut. Klingt ekelhaft, ist aber nicht so schlimm und das Problem löst sich – wie sie gesehen haben – in der Regel selbst.“
Ich mache noch eine Sonographie, jetzt sieht man eine Art leere Höhle, retrospektiv meine ich auf dem Sonobild von vor zwei Tagen doch eine Struktur erkennen zu können. Aber das ist ein bisschen wie ein Rorschach-Test.
Die sogenannte Myiasis wird durch verschiedene Fliegenarten ausgelöst, in Zentralafrika vor allem durch die Tumbufliege (Cordylobia anthropophaga). Die Fliege legt beim Stechen Eier, die nach 1–3 Tage schlüpfen. Innerhalb von 5–10 Tagen wird die Larve schlupfreif. Pro Kanal entwickelt sich nur eine Larve. Man kann aber an mehreren Körperteilen gestochen werden – mit jeweils einer Larve pro Bissstelle.
Vermehrungszyklus (Credit: CDC)
Beschwerden in Form von Schwellung und Druckdolenz treten daher etwa drei Tage nach dem Stich auf. In der Regel sieht man an der Spitze der Schwellung ein kleines Loch – das ist die Atemöffnung der Larve. Klebt man das mit Klebeband ab, droht der unerwünschte Untermieter ersticken und sucht sich panisch den Weg nach draußen.
In der Regel lässt sich mit dem Klebeband-Trick das Problem elegant lösen. Teilweise lässt sich die Larve auch herausdrücken oder mit einer Pinzette entfernen. Eine chirurgische Entfernung mit Inzision ist nur selten notwendig.
Wie sich diese Tortur verhindern lässt? Mückenschutz hilft auch gegen Tumbufliegen – daher immer an Moskitonetze und Repellentien denken.
„Alles gut?“ fragt mich die Patientin. -„Ja, das Problem ist gelöst. Und nächstes Mal immer unter dem Moskitonetz schlafen!“
Bildquelle: erstellt mit DALL.E