Für angehende Ärzte ist früher Feierabend das Wichtigste bei der Wahl der Fachrichtung – oder? Wir haben bei Studenten im Praktischen Jahr nachgefragt, worauf sie Wert legen.
Spieglein, Spieglein an der Wand, welches ist die beste Fachrichtung für mich im ganzen Land? Diese Frage stellt sich jeder angehende Mediziner am Ende seines Studiums. Von A wie Allgemeinmedizin bis U wie Urologie haben Studenten die Qual der Wahl. Zwar ist die Entscheidung nicht unbedingt endgültig, schließlich kann man auch später noch wechseln, wenn einem das Fach, für das man sich zu Beginn des Berufslebens entschieden hat, nicht mehr gefällt. Die Erfahrung zeigt aber, dass die meisten dann doch auf dem einmal eingeschlagenen Weg bleiben – die richtige Wahl ist also durchaus wichtig.
Ist die Entscheidung für eine Fachrichtung gefallen, warten spätestens zum Ende des Praktischen Jahres weitere Fragen, die beantwortet werden wollen: Auf welche Stelle bewerbe ich mich? Bleibe ich in der Stadt, in der ich studiert habe? Gehe ich zurück in die Heimat? Oder ist es Zeit für einen ganz neuen Ort? Soll es eine große oder kleine Klinik sein und worauf muss ich bei der Stellensuche achten?
Auf die meisten dieser Fragen gibt es wahrscheinlich keine allgemeingültigen Antworten. Trotzdem kann es hilfreich sein, wenn man sich zu den Überlegungen zu den Fragen austauscht. Wir wollten deshalb von angehenden Medizinern wissen, wie sie sich diesen Fragen nähern und haben deshalb bei Studenten am Ende des praktischen Jahres nachgefragt. Also genau zu dem Zeitpunkt, an dem es konkret werden muss. Die Antworten geben Aufschluss über die Präferenzen der angehenden Ärzte und geben so Hinweise, was Arbeitgeber bieten müssen, um junge Talente anzuwerben. Der Fachkräftemangel ist schließlich allgegenwärtig und Abteilungen, bei denen geeignete Bewerber Schlange stehen, gibt es wohl nur noch in den Wunschvorstellungen einzelner Chefärzte.
Die Entscheidung für eine Fachrichtung fällt oft schon sehr früh im Studium oder sogar schon vorher. Marie möchte Unfallchirurgin werden, sie hat bereits ihr FSJ im Krankenhaus in einer unfallchirurgischen Abteilung gemacht, ihre Doktorarbeit in diesem Bereich geschrieben und auch während des Studiums in diesem Bereich gearbeitet. Ihr gefällt die manuelle Arbeit und dass man sich im OP voll auf eine Sache konzentrieren kann. Ein weiterer Pluspunkt ist für sie, dass man nicht so viel Zeit vor dem Computer verbringt wie in anderen Fächern.
Tobi möchte Neurologie machen, er hat sich schon vor dem Studium für das Gehirn als Organ interessiert und da lag das Fach natürlich nahe. Er ist auch während seiner Doktorarbeit bei dem Thema geblieben und hat seinen Plan, Neurologe zu werden, während des gesamten Studiums beibehalten.
Katja hingegen hat ihre Pläne während des Studiums noch einmal geändert. Während sie anfangs dachte, Chirurgin werden zu wollen, haben ihr die praktischen Erfahrungen während des Studiums nicht so gefallen, wie sie sich das vorgestellt hatte. Die Famulatur und das Praktische Jahr in der Inneren Medizin haben sie dann überzeugt.
Für fast alle Mediziner beginnt nach dem Studium die Facharztausbildung im Krankenhaus. Davon gibt es in Deutschland knapp 2.000. Auch wenn es in Zukunft einige weniger sein werden, bleibt eine Vielzahl von Optionen. Die persönlichen Kriterien für die Wahl des Krankenhauses, in dem die Weiterbildung begonnen werden soll, sind sehr unterschiedlich. Tobi kann sich vorstellen, neben der klinischen Arbeit auch zu forschen und möchte deshalb an eine Universitätsklinik. Beim genauen Standort ist er sich noch nicht sicher, da auch seine Freundin ins Berufsleben startet und sie gemeinsam eine Stadt finden möchten, in der es für beide eine passende Stelle gibt. Bei der Bewerbung wird er darauf achten, wie die Stimmung im Team wirkt, wie flach die Hierarchien sind und wie die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen funktioniert.
Katja möchte auch an einem mittelgroßen bis großen Haus anfangen, aber explizit nicht an einer Uniklinik. Sie hat in einer Online-Datenbank alle Häuser in Süddeutschland mit entsprechender Größe und einer Gastroenterologie identifiziert, sich die Webseiten der entsprechenden Häuser angeschaut und die Bewertungen auf der Seite PJ-Ranking gelesen. Dabei achtete sie besonders darauf, wie die Atmosphäre im Team bewertet wurde. Auch im Bewerbungsgespräch und bei der Hospitation wird sie neben der wahrgenommenen medizinischen Qualität vor allem auf die Stimmung im Team achten. Zum Schluss sagt sie noch: „Was mir auch sehr wichtig ist, ist, dass man früh selbst Diagnostik machen kann und nicht bis zum Facharzt nur die Station verwaltet.“
Marie ist örtlich schon festgelegter als die anderen, sie möchte unbedingt in Köln anfangen zu arbeiten. Zu ihrer Auswahl von geeigneten Häusern sagt sie: „Am Anfang habe ich immer gedacht, dass ich auf jeden Fall an ein großes Haus will, weil ich dachte, dass man überfordert ist, wenn man von einem kleinen Haus an ein großes Haus wechselt. Aber durch mein PJ habe ich gemerkt, dass man in einem kleinen Haus erst einmal gut die Grundlagen lernen kann.“ Auch sie möchte bei einer Bewerbung darauf achten, wie das Team funktioniert und wie die Arbeitszeiten geregelt sind.
Der jungen Generation wird häufig nachgesagt, dass sie besonderen Wert auf eine gute Work-Life-Balance legt und den harten Klinikalltag mit Schichtdienst und Überstunden scheut. Überraschenderweise wurden diese Aspekte bei den Kriterien für die Arbeitsplatzwahl meist nicht an erster Stelle genannt, sondern wenn überhaupt erst auf konkrete Nachfrage. Wichtig war den jungen Ärzten weniger, dass die Arbeitsbedingungen entspannt und nicht zu anstrengend sind, sondern dass dies fair gehandhabt wird. Überstunden sollten erfasst und durch Freizeit oder Bezahlung ausgeglichen werden. Mehrfach wurde auch erwähnt, dass ein strukturiertes Weiterbildungsprogramm ein wichtiger Punkt bei der Auswahl einer geeigneten Stelle ist. Es sollte also ein Konzept geben, wie man sich als Weiterbildungsassistent die notwendigen Kompetenzen aneignen kann und wie die Rotationen in die verschiedenen Bereiche geplant sind.
Die Entscheidung für eine Fachrichtung wird meist nach individuellen Interessen und Neigungen getroffen – und das oft schon sehr früh. Dabei ist es gut, dass die Menschen so unterschiedlich sind, schließlich braucht man nicht nur Chirurgen oder nur Hausärzte, sondern die Ärzte müssen sich auf das gesamte Spektrum der Fachrichtungen (in Deutschland gibt es 34 verschiedene) verteilen. Wenn es aber um die Wahl eines konkreten Arbeitsplatzes geht, haben die einzelnen Abteilungen großen Einfluss. Durch ein gutes und kooperatives Arbeitsklima, ein strukturiertes Weiterbildungsprogramm und faire Arbeitsbedingungen können motivierte Bewerber gewonnen werden.
Wie hast du dich nach dem Studium für eine Fachrichtung entschieden? Welche Kriterien empfiehlst du den jungen Kollegen bei der Stellensuche? Schreib uns gerne deine Tipps in die Kommentare.
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