Elektromagnetische Wellen umgeben uns täglich – von der Handy- oder Mikrowellenstrahlung über UV-Licht bis zur Höhenstrahlung beim Fliegen. Aber welche Strahlung ist wirklich gefährlich?
Das elektromagnetische Spektrum umfasst eine Vielzahl an Wellenlängen, von den langwelligen, harmlosen Radiowellen bis hin zu den kurzwelligeren, schädlichen UV-, Röntgen- oder Gammastrahlen. Je kürzer die Wellenlänge, desto energiereicher und potenziell gefährlicher ist Strahlung für den Menschen.
Das Spektrum elektromagnetischer Wellen im Überblick. Quelle: Horst Frank/Phrood/Anony, Wikimedia Commons/CC BY-SA 3.0
Mit dem Strahlenschutz-Experten Prof. Reinhard Loose von der Deutschen Röntgengesellschaft konnte DocCheck über vermeintlich oder tatsächlich gefährliche Strahlung sprechen. Prof. Loose war bis 2016 Ärztlicher Leiter am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Klinikum Nürnberg Nord und arbeitet jetzt als medizinphysikalischer Berater.
Handys sorgen immer wieder für Gesprächsstoff in Sachen schädliche Strahlung. Viele Menschen sorgen sich, ob Handys zu mehr Krebserkrankungen führen, etwa zu mehr Hirntumoren, Augentumoren, Akustikusneurinomen und mehr.
Loose betont: „Weltweit gibt es aus Studien keine Hinweise auf erhöhte Krebs-Risiken durch elektromagnetische Strahlung aus Mobiltelefonen.“ Leistungen der Geräte von maximal einem Watt seien weit unterhalb der Grenze für mögliche Schäden. „Dafür gibt es auch physikalisch keine Erklärungen, weil die Energie unterhalb der Schwelle für mögliche Kettenbrüche der DNA liegt“, betont der Experte.
Entwarnung gibt die COSMOS-Studie, eine prospektive Langzeitstudie zu möglichen gesundheitlichen Folgen bei Mobiltelefon-Nutzern ab 18 Jahren. Die Analyse der Daten von 264.574 Teilnehmern zeigte, dass intensive und langjährige Handynutzung nicht mit einem signifikant erhöhten Risiko für Gliome, Meningeome und Akustikusneurinome verbunden ist. Die Hazard Ratios pro 100 Stunden Handynutzung oder Nutzungsjahre zeigten keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Viel- und Wenignutzern.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt ein aktueller, von der WHO in Auftrag gegebener systematischer Review. Auch er liefert keine Hinweise auf mehr Krebserkrankungen des Kopfes.
Ähnlich ist die Bewertung von haushaltsüblichen Mikrowellen: „Hier handelt es sich auch – wie bei Mobiltelefonen – um elektromagnetische Strahlung, nur in höherer Frequenz“, erklärt Loose. Die Wellen können aufgrund ihrer Energie keine DNA-Moleküle schädigen. Vielmehr versetzen sie primär Wassermoleküle in Schwingungen und erwärmen so Lebensmittel.
Mikrowellen lassen sich zu 100 Prozent durch Metallgewebe im Gehäuse eines Herdes abschirmen. „Bei der Diskussion um Krebsrisiken sind sie deshalb kein Thema“, fasst der Experte zusammen.
Anders ist die Sachlage bei UV-Strahlung unterschiedlicher Wellenlänge. Pro Jahr erkranken bundesweit rund 23.000 Menschen neu am malignen Melanom und mehr als 200.000 am nicht-melanotischen Hautkrebs. „Wir kämpfen vielmehr mit dem Problem, Menschen vor UV-Strahlung zu schützen“, sagt Loose.
Die Zeiten von Rachitis aufgrund fehlenden Lichts seien längst vorbei. Für eine ausreichende Vitamin-D-Synthese genügt es laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), zwei- bis dreimal pro Woche Gesicht, Hände und Arme unbedeckt und ohne Sonnenschutz dem Licht auszusetzen – und zwar der Hälfte der Zeit, in der man sonst ungeschützt einen Sonnenbrand bekommen würde.
UV-Strahlung wird anhand der Wellenlänge eingeteilt:
Besonders bei jungen Menschen ist die Haut empfindlicher und reagiert stärker auf UV-Strahlen. Studien zeigen, dass eine frühe und wiederholte UV-Exposition das Risiko für Melanome und andere Formen von Hautkrebs deutlich erhöht. Loose: „Deshalb hat die Strahlenschutzkommission auch entschieden, dass Menschen erst ab 18 Jahren Solarien aufsuchen dürfen.“
Gefahren drohen nicht nur vom Himmel durch UV-Strahlung der Sonne, sondern auch aus dem Boden durch das Edelgas Radon. Es entsteht beim Zerfall bestimmter Uran-Isotope und zerfällt seinerseits – auch nach dem Einatmen in der Lunge – unter Aussendung von Alphastrahlung.
„Wir haben Radon-Karten, die genau zeigen, wie hoch die Belastung regional ist“, erklärt Loose. Viel Uran ist beispielsweise im Bayerischen Wald oder im Erzgebirge zu finden – besonders niedrig ist die Urankonzentration beispielsweise in Ostfriesland. Genaue regionale Werte können über ein Fachportal des BfS abgerufen werden. Messungen direkt in Gebäuden sind ebenfalls möglich.
Radon-Konzentration in der Bodenluft. Quelle: BfS
„Radon macht nach Berechnungen des BfS rund die Hälfte unserer durchschnittlichen Strahlenexposition aus. „Im Mittel kommen zwei Millisievert aus der Natur und rund zwei Millisievert aus der Medizin. Und vom natürlichen Anteil wiederum kommt etwa 50 Prozent vom Radon.“
Laut der WHO ist Radon nach dem Rauchen die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs weltweit. Experten schätzen, dass etwa 3 bis 14 Prozent aller Lungenkrebsfälle auf das Gas zurückzuführen sind. Besonders gefährlich ist Radon in Verbindung mit Rauchen, da sich die Risiken von Tabakkonsum und Radonexposition potenzieren.
Bei hoher Radonkonzentration in Gebäuden wird empfohlen, durch bauliche Maßnahmen die Konzentration zu verringern, etwa durch eine bessere Belüftung oder durch die Abdichtung von Böden und Wänden.
Zuletzt noch ein Blick auf Flugreisen: Höhenstrahlung entsteht durch kosmische Strahlung, die aus dem Weltall auf die Erdatmosphäre trifft. Diese Strahlung besteht hauptsächlich aus hochenergetischen Teilchen wie Protonen, Heliumkernen und schweren Atomkernen. Beim Eintritt in die Erdatmosphäre kollidieren diese Teilchen mit Atomen der Luft, was eine Kaskade von Sekundärstrahlung auslöst.
„Für Ottonormalverbraucher ist die Belastung relativ gesehen gering“, sagt Loose. Die Dosis durch Höhenstrahlung bei einem Flug von München nach Japan liegt bei bis zu 0,1 Millisievert – für Reisende ein vernachlässigbarer Wert, der laut Strahlenschutzkommission dem Thorax-Röntgen in zwei Ebenen entspricht.
Anders sieht die Sache bei fliegendem Personal oder gar bei Astronauten aus. Sie gelten als strahlenexponierte Personen. Hier wird –nicht umsonst – die Einhaltung von Obergrenzen überwacht.
Für eine zukünftige Marsmission könnte die Strahlenbelastung allerdings problematisch werden.
Bildquelle: Sindy Süßengut, unsplash