Wenn es um die Tuberkulose-Infektion geht, kennen Ärzte bestimmte Risikogruppen und -faktoren. Nun fanden Forscher heraus: Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der bestimmte Menschen anfälliger für einzelne Linien des Erregers macht.
Theoretisch kann jeder Mensch an Tuberkulose erkranken, aber es ist bekannt, dass bestimmte Faktoren das Risiko erhöhen – darunter HIV, Rauchen, Alkoholabhängigkeit, Unterernährung, Diabetes mellitus oder Obdachlosigkeit. Darüber hinaus vermutet man, dass auch der Geburtsort des Wirts und der Kontakt mit einer bestimmten Linie des Mycobacterium-tuberculosis-Komplexes (MTBC) das Risiko an einer Tuberkulose zu erkranken beeinflussen.
Weltweit gibt es zehn verschiedene genetische Linien von M. tuberculosis. In Europa und Nordamerika ist Linie 4 (L4) am weitesten verbreitet, während in Asien vor allem Linie 2 (L2) dominiert. Beide Linien treten jedoch global häufig auf. Im Gegensatz dazu sind die Linien 5 (L5) und 6 (L6) vor allem in Afrika verbreitet und auf anderen Kontinenten selten zu finden. Diese Verteilung wirft die Frage auf, ob sich bestimmte Linien besser bei passenden Wirten ausbreiten. Ein Forscherteam aus den USA, den Niederlanden und Deutschland hat sich dieser Frage angenommen und kürzlich die Ergebnisse ihrer Studie in Nature Microbiology veröffentlicht.
Das Forscherteam griff auf die Kontaktverfolgungsdaten von 2.279 Tuberkulosepatienten zurück, die von den zuständigen Gesundheitsbehörden erfasst wurden. Zusätzlich analysierten sie die zugehörigen Erregergenome, die durch Whole-Genome-Sequenzierung (WGS) identifiziert worden waren. Die Daten wurden in drei Städten mit niedriger Tuberkuloseinzidenz erhoben – in Hamburg, Amsterdam und New York.
Zunächst untersuchten die Forscher die Übertragbarkeit von global verbreiteten und geografisch eingeschränkten Linien des M. tuberculosis-Komplexes, wobei sie den Einfluss von Wirtsfaktoren und das Ausmaß der Exposition berücksichtigten. Ihre Analyse ergab, dass die Infektionswahrscheinlichkeit um 38 % sank, wenn Erreger und Wirt nicht aus derselben geografischen Region stammten. Diese Untersuchung erweiterten sie durch ein in-vitro-Experiment, bei dem sie Makrophagen von Spendern unterschiedlicher Herkunft mit verschiedenen Linien des MTBC infizierten. Dabei stellten sie fest, dass L6-Stämme, die geografisch nicht weit verbreitet sind, im Vergleich zu den weit verbreiteten L4-Stämmen zehnmal weniger von Makrophagen aufgenommen wurden, wenn diese von Spendern stammten, die nicht aus derselben Region wie die Erreger stammten.
Die Autoren schließen aus ihren Analysen, dass das langfristige Zusammenleben bestimmter MTBC-Stämme mit Menschen zu einer variierenden Übertragbarkeit dieser Linien geführt hat, die von der Herkunft des Wirts abhängt. Es lässt sich vermuten, dass Linien, die auf Menschen anderer Herkunft treffen oder in neue Regionen vordringen wollen, dort weniger infektiös sind und sich langsamer verbreiten. Die unterschiedlichen globalen Diversitäten der Stämme sind daher nicht nur auf die Stärke der Exposition und menschliche Migrationsmuster zurückzuführen, sondern auch auf die unterschiedliche Anpassungsfähigkeit der MTBC-Stämme an verschiedene menschliche Wirte.
Diese neue Erkenntnis könnte in Zukunft dafür genutzt werden, dass in der Nachverfolgung der Kontaktpersonen von an Tuberkulose erkrankter Menschen, bestimmte Personen priorisiert werden – die Menschen, die mit dem Erreger aus der gleichen geographischen Region stammen.
Quellen:
Gröschel M et al. Unterschiedliche Übertragungsraten von Mycobacterium tuberculosis sind mit der Wirt-Pathogen-Sympatie verbunden. Nat Mikrobiol., 2024. doi:10.1038/S41564-024-01758-Y.
Pressemitteilung Forschungszentrum Borstel
Bildquelle: Odiseo Castrejon, unsplash