184 – so viel mehr Menschen starben durch Suizid in Deutschland 2023 im Vergleich zum Vorjahr. Seit 2022 steigt diese Zahl wieder, sie war seit 1995 nicht mehr so hoch. Was können Ärzte tun?
„Bei der Veränderung des Narrativs über den Suizid geht es darum, die Art und Weise zu verändern, wie wir dieses komplexe Thema wahrnehmen. Es geht darum, von einer Kultur des Schweigens und des mangelnden Verständnisses zu einer Kultur der Offenheit, des Mitgefühls und der Unterstützung überzugehen“, so Barbara Schneider vom Nationalen Suizidpräventionsprogramm (NaSPro). Die Anzahl der Suizide sei nicht naturgegeben, sondern eine beeinflussbare Größe, die unter anderem davon abhänge auf welche Weise das Thema verstanden und wie darüber gesprochen würde.
Im Jahr 2023 nahmen sich in Deutschland 10.304 Menschen das Leben. Damit der Anstieg nicht weiter bestehen bleibt, ist auch politisch ein Wandel nötig – mit besseren Versorgungsstrukturen und mehr Forschung, um die Ursachen besser zu verstehen und Präventionsstrategien zu entwickeln. Auch der 128. Deutsche Ärztetag forderte dieses Jahr die Bundesregierung mit dem Antrag „Suizidprävention gesetzlich verankern und ausreichend finanzieren“ dazu auf, endlich einen Gesetzentwurf zur Suizidprävention vorzulegen. Im Mai stellte Bundesgesundheitsminister Lauterbach zwar eine Nationale Suizidpräventionsstrategie vor, die Finanzierung bleibt aber bisher ungeklärt.
Um die Komplexität von Suizid besser zu verstehen und evidenzbasierte Interventionen zu entwickeln, muss auch in die Forschung investiert werden. In einem aktuellen Bericht hat das NaSPro wissenschaftlich fundierte Handlungsempfehlungen für Entscheider in Politik und Gesellschaft erarbeitet, unter anderem auch für Ärzte. Um ein möglichst umfangreiches Bild zum suizidalen Geschehen zu gewinnen, wurden hierfür politische Institutionen, Organisationen, Unternehmen, (Fach-)Verbände und andere Netzwerke, welche für die Suizidprävention in Deutschland von Bedeutung sind, mit einbezogen. Befragt wurden neben wissenschaftlich tätigen Experten auch Verbände von Betroffenen, Selbsthilfegruppen, Initiativen, Beratungsstellen und relevante wirtschaftlich orientierte Unternehmen.
„Das Narrativ zu ändern bedeutet, Empathie und Mitgefühl für diejenigen zu fördern, die sich in Schwierigkeiten befinden. Es bedeutet, zu verstehen, dass Suizidgedanken und -gefühle ein Zeichen von großem Schmerz und Leid sind“, schreibt das NaSPro.
Zudem sei es entscheidend, empathisch zuzuhören und Betroffene nicht zu verurteilen, sondern sie aktiv zur Hilfe zu führen. Suizidgedanken anzusprechen, verstärke diese nicht, sondern sei ein wichtiger Schritt, um den Betroffenen den Weg aus ihrem Schmerz zu weisen.
Den ganzen Bericht des NaSPro findet ihr hier. Um medizinische Aspekte geht es in Abschnitt 6.
Wenn du Suizidgedanken hast oder diese bei einer anderen Person wahrnimmst: Kostenfreie Hilfe gibt es beim Notruf 112, der Telefonseelsorge 0800/1110111 und dem Info-Telefon Depression 0800/3344 533.
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