Je beweglicher man ist, desto länger lebt man – so lautet zumindest das Ergebnis einer Studie. Was steckt dahinter?
Regelmäßiger Sport kann das Leben verlängern. Studien zeigen, dass körperliche Aktivität das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes, weitere chronische Krankheiten und für einige Krebsarten senkt. Besonders effektiv sind Ausdauersport, Krafttraining, aber auch etliche Mannschaftssportarten. So weit, so bekannt. Nun haben Forscher Hinweise gefunden, dass auch Dehnübungen von Nutzen sein könnten.
Um herauszufinden, welchen Einfluss die Beweglichkeit auf die Lebensdauer hat, schlossen Claudio Gil Araújo von der Exercise Medicine Clinic – CLINIMEX in Rio de Janeiro, und Kollegen 3.139 Menschen in ihre Studie ein. Ihre Probanden waren mit 46 bis 65 Jahre quasi im besten Alter.
Araújos Team bewertete alle Teilnehmer mit dem sogenannten Flexitest, den sie bereits 1994 entwickelt und seitdem umfangreich evaluiert haben. Der Test beurteilt die Flexibilität von sieben verschiedenen Gelenken anhand von 20 Bewegungen, etwa Streckung und Beugung von Knie, Hüfte, Rumpf, Handgelenk und Schulter. Jede Bewegung wurde anhand einer Skala mit 0 bis 4 Punkten bewertet, was eine Gesamtpunktzahl von 0 bis 80 ergab.
Während einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 12,9 Jahren starben 302 Personen (9,6 %) aller Personen in der Kohorte, nämlich 224 Männer und 78 Frauen. Bei der Auswertung zeigte sich eine umgekehrte Assoziation zwischen dem Sterberisiko und dem Flexindex. Dieser Score war bei Teilnehmern, die nicht gestorben sind, um rund 10 % höher als bei Personen, die gestorben sind.
Nach Berücksichtigung von Alter, Body-Mass-Index (BMI) und Vorerkrankungen hatten Männer und Frauen mit einem niedrigen Flexindex ein 1,87- bzw. ein 4,78-fach höheres Sterberisiko als Personen mit einem hohen Flexindex.
„Wir konnten zeigen, dass eine geringere körperliche Flexibilität mit einer schlechten Überlebensrate bei Männern und Frauen mittleren Alters zusammenhängt“, schreibt Araújo. Da die Beweglichkeit mit zunehmendem Alter tendenziell abnehme, könne es sich lohnen, die Beweglichkeit zu verbessern und entsprechende Übungen in Fitnessprogramme einzubauen.
Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, bleibt offen, ob Dehnübungen wirklich ein „todsicherer“ Weg sind, das Leben zu verlängern. Araújo ist da relativ selbstbewusst. Er schreibt, es gebe aber Hinweise, dass dies möglich sei. „Bei aerober Fitness wissen wir auch, dass verbesserte Ergebnisse das Überleben verlängern“, sagte er.
Doch die zentrale Frage bleibt unbeantwortet: Ist mangelnde körperliche Beweglichkeit kausal für eine höhere Mortalität verantwortlich – oder handelt es sich vielmehr um einen Indikator für chronische Erkrankungen, Bewegungsmangel, Entzündungen, Schmerzen oder psychische Probleme?
Natürlich macht Dehnen zusammen mit anderen Übungen Sinn, um beweglich zu bleiben, den Alltag besser zu meistern und um Stürze – bei Senioren oft mit fatalem Ausgang – zu vermeiden. Ob sich die Lebenszeit dadurch wirklich verlängert, ist allerdings fraglich.
Bildquelle: Natalia Blauth, unsplash